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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
zu erweitern. Sie vermag nicht einmal so viel, daß sie
uns in Ansehung der Möglichkeit eines Mehreren belehrete.
Das analytische Merkmal der Möglichkeit, das darin besteht,
daß blosse Positionen (Realitäten) keinen Widerspruch er-
zeugen, kan ihm zwar nicht gestritten werden; weil aber
die Verknüpfung aller realen Eigenschaften in einem Din-
ge eine Synthesis ist, über deren Möglichkeit wir a priori
nicht urtheilen können, weil uns die Realitäten specifisch
nicht gegeben sind und, wenn dieses auch geschähe, über-
all gar kein Urtheil darin statt findet, weil das Merkmal
der Möglichkeit synthetischer Erkentnisse immer nur in der
Erfahrung gesucht werden muß, zu welcher aber der Ge-
genstand einer Idee nicht gehören kan, so hat der berühm-
te Leibnitz bey weitem das nicht geleistet, wessen er sich
schmeichelte, nemlich eines so erhabenen idealischen Wesens
Möglichkeit a priori einsehen zu wollen.

Es ist also an dem so berühmten ontologischen (car-
tesianischen) Beweise, vom Daseyn eines höchsten Wesens
aus Begriffen, alle Mühe und Arbeit verloren und ein
Mensch möchte wol eben so wenig aus blossen Ideen an
Einsichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermö-
gen, wenn er, um seinen Zustand zu verbessern, seinem
Cassenbestande einige Nullen anhängen wolte.




Des

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
zu erweitern. Sie vermag nicht einmal ſo viel, daß ſie
uns in Anſehung der Moͤglichkeit eines Mehreren belehrete.
Das analytiſche Merkmal der Moͤglichkeit, das darin beſteht,
daß bloſſe Poſitionen (Realitaͤten) keinen Widerſpruch er-
zeugen, kan ihm zwar nicht geſtritten werden; weil aber
die Verknuͤpfung aller realen Eigenſchaften in einem Din-
ge eine Syntheſis iſt, uͤber deren Moͤglichkeit wir a priori
nicht urtheilen koͤnnen, weil uns die Realitaͤten ſpecifiſch
nicht gegeben ſind und, wenn dieſes auch geſchaͤhe, uͤber-
all gar kein Urtheil darin ſtatt findet, weil das Merkmal
der Moͤglichkeit ſynthetiſcher Erkentniſſe immer nur in der
Erfahrung geſucht werden muß, zu welcher aber der Ge-
genſtand einer Idee nicht gehoͤren kan, ſo hat der beruͤhm-
te Leibnitz bey weitem das nicht geleiſtet, weſſen er ſich
ſchmeichelte, nemlich eines ſo erhabenen idealiſchen Weſens
Moͤglichkeit a priori einſehen zu wollen.

Es iſt alſo an dem ſo beruͤhmten ontologiſchen (car-
teſianiſchen) Beweiſe, vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens
aus Begriffen, alle Muͤhe und Arbeit verloren und ein
Menſch moͤchte wol eben ſo wenig aus bloſſen Ideen an
Einſichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermoͤ-
gen, wenn er, um ſeinen Zuſtand zu verbeſſern, ſeinem
Caſſenbeſtande einige Nullen anhaͤngen wolte.




Des
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[602/0632] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt. zu erweitern. Sie vermag nicht einmal ſo viel, daß ſie uns in Anſehung der Moͤglichkeit eines Mehreren belehrete. Das analytiſche Merkmal der Moͤglichkeit, das darin beſteht, daß bloſſe Poſitionen (Realitaͤten) keinen Widerſpruch er- zeugen, kan ihm zwar nicht geſtritten werden; weil aber die Verknuͤpfung aller realen Eigenſchaften in einem Din- ge eine Syntheſis iſt, uͤber deren Moͤglichkeit wir a priori nicht urtheilen koͤnnen, weil uns die Realitaͤten ſpecifiſch nicht gegeben ſind und, wenn dieſes auch geſchaͤhe, uͤber- all gar kein Urtheil darin ſtatt findet, weil das Merkmal der Moͤglichkeit ſynthetiſcher Erkentniſſe immer nur in der Erfahrung geſucht werden muß, zu welcher aber der Ge- genſtand einer Idee nicht gehoͤren kan, ſo hat der beruͤhm- te Leibnitz bey weitem das nicht geleiſtet, weſſen er ſich ſchmeichelte, nemlich eines ſo erhabenen idealiſchen Weſens Moͤglichkeit a priori einſehen zu wollen. Es iſt alſo an dem ſo beruͤhmten ontologiſchen (car- teſianiſchen) Beweiſe, vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens aus Begriffen, alle Muͤhe und Arbeit verloren und ein Menſch moͤchte wol eben ſo wenig aus bloſſen Ideen an Einſichten reicher werden, als ein Kaufmann an Vermoͤ- gen, wenn er, um ſeinen Zuſtand zu verbeſſern, ſeinem Caſſenbeſtande einige Nullen anhaͤngen wolte. Des

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/632>, abgerufen am 23.11.2024.