Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Vollständigkeit, zu welcher keine mögliche empirische Er- kentniß zulangt, und die Vernunft hat dabey nur eine systematische Einheit im Sinne, welcher sie die empirisch- mögliche Einheit zu nähern sucht, ohne sie iemals völlig zu erreichen.
Aber noch weiter, als die Idee, scheint dasienige von der obiectiven Realität entfernt zu seyn, was ich das Ideal nenne, und worunter ich die Idee, nicht blos in concreto, sondern in indiuiduo, d. i. als ein einzel- nes, durch die Idee allein bestimbares, oder gar bestim- tes Ding, verstehe.
Die Menschheit in ihrer ganzen Vollkommenheit, enthält nicht allein die Erweiterung aller zu dieser Natur gehörigen wesentlichen Eigenschaften, welche unseren Be- griff von derselben ausmachen, bis zur vollständigen Con- gruenz mit ihren Zwecken, welches unsere Idee der voll- kommenen Menschheit seyn würde, sondern auch alles, was ausser diesem Begriffe zu der durchgängigen Bestim- mung der Idee gehöret; denn von allen entgegengesezten Prädicaten kan sich doch nur ein einziges zu der Idee des vollkommensten Menschen schicken. Was uns ein Ideal ist, war dem Plato eine Idee des göttlichen Ver- standes, ein einzelner Gegenstand in der reinen Anschau- ung desselben, das Vollkommenste einer ieden Art mögli- cher Wesen und der Urgrund aller Nachbilder in der Er- scheinung.
Ohne
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Vollſtaͤndigkeit, zu welcher keine moͤgliche empiriſche Er- kentniß zulangt, und die Vernunft hat dabey nur eine ſyſtematiſche Einheit im Sinne, welcher ſie die empiriſch- moͤgliche Einheit zu naͤhern ſucht, ohne ſie iemals voͤllig zu erreichen.
Aber noch weiter, als die Idee, ſcheint dasienige von der obiectiven Realitaͤt entfernt zu ſeyn, was ich das Ideal nenne, und worunter ich die Idee, nicht blos in concreto, ſondern in indiuiduo, d. i. als ein einzel- nes, durch die Idee allein beſtimbares, oder gar beſtim- tes Ding, verſtehe.
Die Menſchheit in ihrer ganzen Vollkommenheit, enthaͤlt nicht allein die Erweiterung aller zu dieſer Natur gehoͤrigen weſentlichen Eigenſchaften, welche unſeren Be- griff von derſelben ausmachen, bis zur vollſtaͤndigen Con- gruenz mit ihren Zwecken, welches unſere Idee der voll- kommenen Menſchheit ſeyn wuͤrde, ſondern auch alles, was auſſer dieſem Begriffe zu der durchgaͤngigen Beſtim- mung der Idee gehoͤret; denn von allen entgegengeſezten Praͤdicaten kan ſich doch nur ein einziges zu der Idee des vollkommenſten Menſchen ſchicken. Was uns ein Ideal iſt, war dem Plato eine Idee des goͤttlichen Ver- ſtandes, ein einzelner Gegenſtand in der reinen Anſchau- ung deſſelben, das Vollkommenſte einer ieden Art moͤgli- cher Weſen und der Urgrund aller Nachbilder in der Er- ſcheinung.
Ohne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0598"n="568"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">II.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch. <hirendition="#aq">III.</hi> Hauptſt.</fw><lb/>
Vollſtaͤndigkeit, zu welcher keine moͤgliche empiriſche Er-<lb/>
kentniß zulangt, und die Vernunft hat dabey nur eine<lb/>ſyſtematiſche Einheit im Sinne, welcher ſie die empiriſch-<lb/>
moͤgliche Einheit zu naͤhern ſucht, ohne ſie iemals voͤllig<lb/>
zu erreichen.</p><lb/><p>Aber noch weiter, als die Idee, ſcheint dasienige<lb/>
von der obiectiven Realitaͤt entfernt zu ſeyn, was ich<lb/>
das <hirendition="#fr">Ideal</hi> nenne, und worunter ich die Idee, nicht blos<lb/><hirendition="#aq">in concreto,</hi>ſondern <hirendition="#aq">in indiuiduo,</hi> d. i. als ein einzel-<lb/>
nes, durch die Idee allein beſtimbares, oder gar beſtim-<lb/>
tes Ding, verſtehe.</p><lb/><p>Die Menſchheit in ihrer ganzen Vollkommenheit,<lb/>
enthaͤlt nicht allein die Erweiterung aller zu dieſer Natur<lb/>
gehoͤrigen weſentlichen Eigenſchaften, welche unſeren Be-<lb/>
griff von derſelben ausmachen, bis zur vollſtaͤndigen Con-<lb/>
gruenz mit ihren Zwecken, welches unſere Idee der voll-<lb/>
kommenen Menſchheit ſeyn wuͤrde, ſondern auch alles,<lb/>
was auſſer dieſem Begriffe zu der durchgaͤngigen Beſtim-<lb/>
mung der Idee gehoͤret; denn von allen entgegengeſezten<lb/>
Praͤdicaten kan ſich doch nur ein einziges zu der Idee<lb/>
des vollkommenſten Menſchen ſchicken. Was uns ein<lb/>
Ideal iſt, war dem <hirendition="#fr">Plato</hi> eine <hirendition="#fr">Idee</hi> des goͤttlichen <hirendition="#fr">Ver-<lb/>ſtandes,</hi> ein einzelner Gegenſtand in der reinen Anſchau-<lb/>
ung deſſelben, das Vollkommenſte einer ieden Art moͤgli-<lb/>
cher Weſen und der Urgrund aller Nachbilder in der Er-<lb/>ſcheinung.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ohne</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[568/0598]
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Vollſtaͤndigkeit, zu welcher keine moͤgliche empiriſche Er-
kentniß zulangt, und die Vernunft hat dabey nur eine
ſyſtematiſche Einheit im Sinne, welcher ſie die empiriſch-
moͤgliche Einheit zu naͤhern ſucht, ohne ſie iemals voͤllig
zu erreichen.
Aber noch weiter, als die Idee, ſcheint dasienige
von der obiectiven Realitaͤt entfernt zu ſeyn, was ich
das Ideal nenne, und worunter ich die Idee, nicht blos
in concreto, ſondern in indiuiduo, d. i. als ein einzel-
nes, durch die Idee allein beſtimbares, oder gar beſtim-
tes Ding, verſtehe.
Die Menſchheit in ihrer ganzen Vollkommenheit,
enthaͤlt nicht allein die Erweiterung aller zu dieſer Natur
gehoͤrigen weſentlichen Eigenſchaften, welche unſeren Be-
griff von derſelben ausmachen, bis zur vollſtaͤndigen Con-
gruenz mit ihren Zwecken, welches unſere Idee der voll-
kommenen Menſchheit ſeyn wuͤrde, ſondern auch alles,
was auſſer dieſem Begriffe zu der durchgaͤngigen Beſtim-
mung der Idee gehoͤret; denn von allen entgegengeſezten
Praͤdicaten kan ſich doch nur ein einziges zu der Idee
des vollkommenſten Menſchen ſchicken. Was uns ein
Ideal iſt, war dem Plato eine Idee des goͤttlichen Ver-
ſtandes, ein einzelner Gegenſtand in der reinen Anſchau-
ung deſſelben, das Vollkommenſte einer ieden Art moͤgli-
cher Weſen und der Urgrund aller Nachbilder in der Er-
ſcheinung.
Ohne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/598>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.