Wir können also mit der Beurtheilung freier Hand- lungen, in Ansehung ihrer Caussalität, nur bis an die intelligibele Ursache, aber nicht über dieselbe hinaus kom- men, wir können erkennen, daß sie frey, d. i. von der Sinnlichkeit unabhängig bestimt und, auf solche Art, die sinnlichunbedingte Bedingung der Erscheinungen seyn kön- ne. Warum aber der intelligibele Character gerade diese Erscheinungen und diesen empirischen Character unter vor- liegenden Umständen gebe, das überschreitet so weit alles Vermögen unserer Vernunft es zu beantworten, ia alle Befugniß derselben nur zu fragen, als ob man früge: woher der transscendentale Gegenstand unserer äusseren sinnlichen Anschauung gerade nur Anschauung im Raume und nicht irgend eine andere giebt. Allein die Aufgabe, die wir aufzulösen hatten, verbindet uns hiezu gar nicht, denn sie war nur diese: ob Freiheit der Naturnothwendig- keit in einer und derselben Handlung widerstreite und die- ses haben wir hinreichend beantwortet, da wir zeigten: daß, da bey iener eine Beziehung auf eine ganz andere Art von Bedingungen möglich ist, als bey dieser, das Gesetz der lezteren die erstere nicht afficire, mithin beide von einander unabhängig und durch einander ungestört statt finden können.
Man muß wol bemerken: daß wir hiedurch nicht die Wirklichkeit der Freiheit als einer der Vermögen,
welche
IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
Wir koͤnnen alſo mit der Beurtheilung freier Hand- lungen, in Anſehung ihrer Cauſſalitaͤt, nur bis an die intelligibele Urſache, aber nicht uͤber dieſelbe hinaus kom- men, wir koͤnnen erkennen, daß ſie frey, d. i. von der Sinnlichkeit unabhaͤngig beſtimt und, auf ſolche Art, die ſinnlichunbedingte Bedingung der Erſcheinungen ſeyn koͤn- ne. Warum aber der intelligibele Character gerade dieſe Erſcheinungen und dieſen empiriſchen Character unter vor- liegenden Umſtaͤnden gebe, das uͤberſchreitet ſo weit alles Vermoͤgen unſerer Vernunft es zu beantworten, ia alle Befugniß derſelben nur zu fragen, als ob man fruͤge: woher der transſcendentale Gegenſtand unſerer aͤuſſeren ſinnlichen Anſchauung gerade nur Anſchauung im Raume und nicht irgend eine andere giebt. Allein die Aufgabe, die wir aufzuloͤſen hatten, verbindet uns hiezu gar nicht, denn ſie war nur dieſe: ob Freiheit der Naturnothwendig- keit in einer und derſelben Handlung widerſtreite und die- ſes haben wir hinreichend beantwortet, da wir zeigten: daß, da bey iener eine Beziehung auf eine ganz andere Art von Bedingungen moͤglich iſt, als bey dieſer, das Geſetz der lezteren die erſtere nicht afficire, mithin beide von einander unabhaͤngig und durch einander ungeſtoͤrt ſtatt finden koͤnnen.
Man muß wol bemerken: daß wir hiedurch nicht die Wirklichkeit der Freiheit als einer der Vermoͤgen,
welche
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IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
Wir koͤnnen alſo mit der Beurtheilung freier Hand-
lungen, in Anſehung ihrer Cauſſalitaͤt, nur bis an die
intelligibele Urſache, aber nicht uͤber dieſelbe hinaus kom-
men, wir koͤnnen erkennen, daß ſie frey, d. i. von der
Sinnlichkeit unabhaͤngig beſtimt und, auf ſolche Art, die
ſinnlichunbedingte Bedingung der Erſcheinungen ſeyn koͤn-
ne. Warum aber der intelligibele Character gerade dieſe
Erſcheinungen und dieſen empiriſchen Character unter vor-
liegenden Umſtaͤnden gebe, das uͤberſchreitet ſo weit alles
Vermoͤgen unſerer Vernunft es zu beantworten, ia alle
Befugniß derſelben nur zu fragen, als ob man fruͤge:
woher der transſcendentale Gegenſtand unſerer aͤuſſeren
ſinnlichen Anſchauung gerade nur Anſchauung im Raume
und nicht irgend eine andere giebt. Allein die Aufgabe,
die wir aufzuloͤſen hatten, verbindet uns hiezu gar nicht,
denn ſie war nur dieſe: ob Freiheit der Naturnothwendig-
keit in einer und derſelben Handlung widerſtreite und die-
ſes haben wir hinreichend beantwortet, da wir zeigten:
daß, da bey iener eine Beziehung auf eine ganz andere
Art von Bedingungen moͤglich iſt, als bey dieſer, das
Geſetz der lezteren die erſtere nicht afficire, mithin beide
von einander unabhaͤngig und durch einander ungeſtoͤrt
ſtatt finden koͤnnen.
Man muß wol bemerken: daß wir hiedurch nicht
die Wirklichkeit der Freiheit als einer der Vermoͤgen,
welche
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/587>, abgerufen am 23.11.2024.
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