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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VI. Absch. Schlüssel der Auflösung der cosmol. etc.
Einwohner im Monde geben könne, ob sie gleich kein Mensch
iemals wahrgenommen hat, muß allerdings eingeräumet
werden, aber es bedeutet nur so viel: daß wir in dem
möglichen Fortschritt der Erfahrung auf sie treffen könten;
denn alles ist wirklich, was mit einer Wahrnehmung nach
Gesetzen des empirischen Fortgangs in einem Context stehet.
Sie sind also alsdenn wirklich, wenn sie mit meinem wirk-
lichen Bewustseyn in einem empirischen Zusammenhange
stehen, ob sie gleich darum nicht an sich, d. i. ausser die-
sem Fortschritt der Erfahrung wirklich sind.

Uns ist wirklich nichts gegeben, als die Wahrneh-
mung und der empirische Fortschritt von dieser, zu andern
möglichen Wahrnehmungen. Denn an sich selbst sind die
Erscheinungen, als blosse Vorstellungen, nur in der Wahr-
nehmung wirklich, die in der That nichts anders ist, als
die Wirklichkeit einer empirischen Vorstellung, d. i. Erschei-
nung. Vor der Wahrnehmung eine Erscheinung ein wirk-
liches Ding nennen, bedeutet entweder, daß wir im Fort-
gange der Erfahrung auf eine solche Wahrnehmung treffen
müssen, oder es hat gar keine Bedeutung. Denn, daß
sie an sich selbst, ohne Beziehung auf unsere Sinne und
mögliche Erfahrung, existire, könte allerdings gesagt
werden, wenn von einem Dinge an sich selbst die Rede
wäre. Es ist aber blos von einer Erscheinung im Raume
und der Zeit, die beides keine Bestimmungen der Dinge
an sich selbst, sondern nur unserer Sinnlichkeit sind, die
Rede; daher das, was in ihnen ist, (Erscheinungen)

nicht

VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc.
Einwohner im Monde geben koͤnne, ob ſie gleich kein Menſch
iemals wahrgenommen hat, muß allerdings eingeraͤumet
werden, aber es bedeutet nur ſo viel: daß wir in dem
moͤglichen Fortſchritt der Erfahrung auf ſie treffen koͤnten;
denn alles iſt wirklich, was mit einer Wahrnehmung nach
Geſetzen des empiriſchen Fortgangs in einem Context ſtehet.
Sie ſind alſo alsdenn wirklich, wenn ſie mit meinem wirk-
lichen Bewuſtſeyn in einem empiriſchen Zuſammenhange
ſtehen, ob ſie gleich darum nicht an ſich, d. i. auſſer die-
ſem Fortſchritt der Erfahrung wirklich ſind.

Uns iſt wirklich nichts gegeben, als die Wahrneh-
mung und der empiriſche Fortſchritt von dieſer, zu andern
moͤglichen Wahrnehmungen. Denn an ſich ſelbſt ſind die
Erſcheinungen, als bloſſe Vorſtellungen, nur in der Wahr-
nehmung wirklich, die in der That nichts anders iſt, als
die Wirklichkeit einer empiriſchen Vorſtellung, d. i. Erſchei-
nung. Vor der Wahrnehmung eine Erſcheinung ein wirk-
liches Ding nennen, bedeutet entweder, daß wir im Fort-
gange der Erfahrung auf eine ſolche Wahrnehmung treffen
muͤſſen, oder es hat gar keine Bedeutung. Denn, daß
ſie an ſich ſelbſt, ohne Beziehung auf unſere Sinne und
moͤgliche Erfahrung, exiſtire, koͤnte allerdings geſagt
werden, wenn von einem Dinge an ſich ſelbſt die Rede
waͤre. Es iſt aber blos von einer Erſcheinung im Raume
und der Zeit, die beides keine Beſtimmungen der Dinge
an ſich ſelbſt, ſondern nur unſerer Sinnlichkeit ſind, die
Rede; daher das, was in ihnen iſt, (Erſcheinungen)

nicht
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[493/0523] VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc. Einwohner im Monde geben koͤnne, ob ſie gleich kein Menſch iemals wahrgenommen hat, muß allerdings eingeraͤumet werden, aber es bedeutet nur ſo viel: daß wir in dem moͤglichen Fortſchritt der Erfahrung auf ſie treffen koͤnten; denn alles iſt wirklich, was mit einer Wahrnehmung nach Geſetzen des empiriſchen Fortgangs in einem Context ſtehet. Sie ſind alſo alsdenn wirklich, wenn ſie mit meinem wirk- lichen Bewuſtſeyn in einem empiriſchen Zuſammenhange ſtehen, ob ſie gleich darum nicht an ſich, d. i. auſſer die- ſem Fortſchritt der Erfahrung wirklich ſind. Uns iſt wirklich nichts gegeben, als die Wahrneh- mung und der empiriſche Fortſchritt von dieſer, zu andern moͤglichen Wahrnehmungen. Denn an ſich ſelbſt ſind die Erſcheinungen, als bloſſe Vorſtellungen, nur in der Wahr- nehmung wirklich, die in der That nichts anders iſt, als die Wirklichkeit einer empiriſchen Vorſtellung, d. i. Erſchei- nung. Vor der Wahrnehmung eine Erſcheinung ein wirk- liches Ding nennen, bedeutet entweder, daß wir im Fort- gange der Erfahrung auf eine ſolche Wahrnehmung treffen muͤſſen, oder es hat gar keine Bedeutung. Denn, daß ſie an ſich ſelbſt, ohne Beziehung auf unſere Sinne und moͤgliche Erfahrung, exiſtire, koͤnte allerdings geſagt werden, wenn von einem Dinge an ſich ſelbſt die Rede waͤre. Es iſt aber blos von einer Erſcheinung im Raume und der Zeit, die beides keine Beſtimmungen der Dinge an ſich ſelbſt, ſondern nur unſerer Sinnlichkeit ſind, die Rede; daher das, was in ihnen iſt, (Erſcheinungen) nicht

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/523>, abgerufen am 20.05.2024.