rein er auch vom Empirischen (dem Eindrucke der Sinne) ist, so dient er doch dazu, zweierley Gegenstände aus der Natur unserer Vorstellungskraft zu unterscheiden. Ich, als denkend, bin ein Gegenstand des innern Sinnes und heisse Seele. Dasienige, was ein Gegenstand äusserer Sinne ist, heißt Cörper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als ein denkend Wesen, schon den Gegenstand der Psychologie, welche die rationale Seelenlehre heissen kan, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wissen verlange, als was unab- hängig von aller Erfahrung (welche mich näher und in concreto bestimt) aus diesem Begriffe Ich, so fern er bey allem Denken vorkomt, geschlossen werden kan.
Die rationale Seelenlehre ist nun wirklich ein Un- terfangen von dieser Art, denn wenn das mindeste Empi- rische meines Denkens, irgend eine besondere Wahrneh- mung meines inneren Zustandes, noch unter die Erkent- nißgründe dieser Wissenschaft gemischt würde, so wäre sie nicht mehr rationale, sondern empirische Seelenlehre. Wir haben also schon eine angebliche Wissenschaft vor uns, welche auf dem einzigen Satze: Ich denke, erbaut worden und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz schicklich, und der Natur einer Transscendentalphilosophie gemäß, untersuchen können. Man darf sich daran nicht stossen daß ich doch an diesem Satze, der die Wahrnehmung sei- ner Selbst ausdrükt, eine innere Erfahrung habe, und mithin die rationale Seelenlehre, welche darauf erbauet
wird,
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
rein er auch vom Empiriſchen (dem Eindrucke der Sinne) iſt, ſo dient er doch dazu, zweierley Gegenſtaͤnde aus der Natur unſerer Vorſtellungskraft zu unterſcheiden. Ich, als denkend, bin ein Gegenſtand des innern Sinnes und heiſſe Seele. Dasienige, was ein Gegenſtand aͤuſſerer Sinne iſt, heißt Coͤrper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als ein denkend Weſen, ſchon den Gegenſtand der Pſychologie, welche die rationale Seelenlehre heiſſen kan, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wiſſen verlange, als was unab- haͤngig von aller Erfahrung (welche mich naͤher und in concreto beſtimt) aus dieſem Begriffe Ich, ſo fern er bey allem Denken vorkomt, geſchloſſen werden kan.
Die rationale Seelenlehre iſt nun wirklich ein Un- terfangen von dieſer Art, denn wenn das mindeſte Empi- riſche meines Denkens, irgend eine beſondere Wahrneh- mung meines inneren Zuſtandes, noch unter die Erkent- nißgruͤnde dieſer Wiſſenſchaft gemiſcht wuͤrde, ſo waͤre ſie nicht mehr rationale, ſondern empiriſche Seelenlehre. Wir haben alſo ſchon eine angebliche Wiſſenſchaft vor uns, welche auf dem einzigen Satze: Ich denke, erbaut worden und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz ſchicklich, und der Natur einer Transſcendentalphiloſophie gemaͤß, unterſuchen koͤnnen. Man darf ſich daran nicht ſtoſſen daß ich doch an dieſem Satze, der die Wahrnehmung ſei- ner Selbſt ausdruͤkt, eine innere Erfahrung habe, und mithin die rationale Seelenlehre, welche darauf erbauet
wird,
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
rein er auch vom Empiriſchen (dem Eindrucke der Sinne)
iſt, ſo dient er doch dazu, zweierley Gegenſtaͤnde aus der
Natur unſerer Vorſtellungskraft zu unterſcheiden. Ich, als
denkend, bin ein Gegenſtand des innern Sinnes und heiſſe
Seele. Dasienige, was ein Gegenſtand aͤuſſerer Sinne iſt,
heißt Coͤrper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als
ein denkend Weſen, ſchon den Gegenſtand der Pſychologie,
welche die rationale Seelenlehre heiſſen kan, wenn ich von
der Seele nichts weiter zu wiſſen verlange, als was unab-
haͤngig von aller Erfahrung (welche mich naͤher und
in concreto beſtimt) aus dieſem Begriffe Ich, ſo fern
er bey allem Denken vorkomt, geſchloſſen werden kan.
Die rationale Seelenlehre iſt nun wirklich ein Un-
terfangen von dieſer Art, denn wenn das mindeſte Empi-
riſche meines Denkens, irgend eine beſondere Wahrneh-
mung meines inneren Zuſtandes, noch unter die Erkent-
nißgruͤnde dieſer Wiſſenſchaft gemiſcht wuͤrde, ſo waͤre
ſie nicht mehr rationale, ſondern empiriſche Seelenlehre.
Wir haben alſo ſchon eine angebliche Wiſſenſchaft vor uns,
welche auf dem einzigen Satze: Ich denke, erbaut worden
und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz ſchicklich,
und der Natur einer Transſcendentalphiloſophie gemaͤß,
unterſuchen koͤnnen. Man darf ſich daran nicht ſtoſſen
daß ich doch an dieſem Satze, der die Wahrnehmung ſei-
ner Selbſt ausdruͤkt, eine innere Erfahrung habe, und
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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