Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Hauptst. Von dem Grunde d. Untersch. etc.
lich eingeschränkt seyn müssen, weil, wenn man diese Be-
dingung wegnimt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs
Obiect, wegfällt, und man durch kein Beyspiel sich selbst
faßlich machen kan, was unter dergleichen Begriffe denn
eigentlich vor ein Ding gemeint sey. Oben, bey Darstel-
lung der Tafel der Categorien, überhoben wir uns der
Definitionen einer ieden derselben dadurch: daß unsere
Absicht, die lediglich auf den synthetischen Gebrauch der-
selben geht, sie nicht nöthig mache, und man sich mit un-
nöthigen Unternehmungen keiner Verantwortung aussetzen
müsse, deren man überhoben seyn kan. Das war keine
Ausrede, sondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel,
sich nicht so fort aus definiren zu wagen, und Voll-
ständigkeit oder Präcision in der Bestimmung des Begriffs
zu versuchen oder vorzugeben, wenn man mit irgend einem
oder andern Merkmale desselben auslangen kan, ohne eben
dazu eine vollständige Herzehlung aller derselben, die den
ganzen Begriff ausmachen, zu bedürfen. Jezt aber zeigt
sich: daß der Grund dieser Vorsicht noch tiefer liege, nem-
lich, daß wir sie nicht definiren konten, wenn wir auch
wollten*), sondern, wenn man alle Bedingungen der Sinn-

lich-
*) Ich verstehe hier die Realdefinition, welche nicht blos dem
Nahmen einer Sache andere und verständlichere Wörter
unterlegt, sondern die, so ein klares Merkmal, daran der
Gegenstand (definitum) iederzeit sicher erkant werden
kan, und den erklärten Begriff zur Anwendung brauch-
bar macht, in sich enthält. Die Realerklärung würde
also
Q

III. Hauptſt. Von dem Grunde d. Unterſch. ꝛc.
lich eingeſchraͤnkt ſeyn muͤſſen, weil, wenn man dieſe Be-
dingung wegnimt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs
Obiect, wegfaͤllt, und man durch kein Beyſpiel ſich ſelbſt
faßlich machen kan, was unter dergleichen Begriffe denn
eigentlich vor ein Ding gemeint ſey. Oben, bey Darſtel-
lung der Tafel der Categorien, uͤberhoben wir uns der
Definitionen einer ieden derſelben dadurch: daß unſere
Abſicht, die lediglich auf den ſynthetiſchen Gebrauch der-
ſelben geht, ſie nicht noͤthig mache, und man ſich mit un-
noͤthigen Unternehmungen keiner Verantwortung ausſetzen
muͤſſe, deren man uͤberhoben ſeyn kan. Das war keine
Ausrede, ſondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel,
ſich nicht ſo fort aus definiren zu wagen, und Voll-
ſtaͤndigkeit oder Praͤciſion in der Beſtimmung des Begriffs
zu verſuchen oder vorzugeben, wenn man mit irgend einem
oder andern Merkmale deſſelben auslangen kan, ohne eben
dazu eine vollſtaͤndige Herzehlung aller derſelben, die den
ganzen Begriff ausmachen, zu beduͤrfen. Jezt aber zeigt
ſich: daß der Grund dieſer Vorſicht noch tiefer liege, nem-
lich, daß wir ſie nicht definiren konten, wenn wir auch
wollten*), ſondern, wenn man alle Bedingungen der Sinn-

lich-
*) Ich verſtehe hier die Realdefinition, welche nicht blos dem
Nahmen einer Sache andere und verſtaͤndlichere Woͤrter
unterlegt, ſondern die, ſo ein klares Merkmal, daran der
Gegenſtand (definitum) iederzeit ſicher erkant werden
kan, und den erklaͤrten Begriff zur Anwendung brauch-
bar macht, in ſich enthaͤlt. Die Realerklaͤrung wuͤrde
alſo
Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0271" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t. Von dem Grunde d. Unter&#x017F;ch. &#xA75B;c.</fw><lb/>
lich einge&#x017F;chra&#x0364;nkt &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, weil, wenn man die&#x017F;e Be-<lb/>
dingung wegnimt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs<lb/>
Obiect, wegfa&#x0364;llt, und man durch kein Bey&#x017F;piel &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
faßlich machen kan, was unter dergleichen Begriffe denn<lb/>
eigentlich vor ein Ding gemeint &#x017F;ey. Oben, bey Dar&#x017F;tel-<lb/>
lung der Tafel der Categorien, u&#x0364;berhoben wir uns der<lb/>
Definitionen einer ieden der&#x017F;elben dadurch: daß un&#x017F;ere<lb/>
Ab&#x017F;icht, die lediglich auf den &#x017F;yntheti&#x017F;chen Gebrauch der-<lb/>
&#x017F;elben geht, &#x017F;ie nicht no&#x0364;thig mache, und man &#x017F;ich mit un-<lb/>
no&#x0364;thigen Unternehmungen keiner Verantwortung aus&#x017F;etzen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, deren man u&#x0364;berhoben &#x017F;eyn kan. Das war keine<lb/>
Ausrede, &#x017F;ondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel,<lb/>
&#x017F;ich nicht &#x017F;o fort aus definiren zu wagen, und Voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit oder Pra&#x0364;ci&#x017F;ion in der Be&#x017F;timmung des Begriffs<lb/>
zu ver&#x017F;uchen oder vorzugeben, wenn man mit irgend einem<lb/>
oder andern Merkmale de&#x017F;&#x017F;elben auslangen kan, ohne eben<lb/>
dazu eine voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Herzehlung aller der&#x017F;elben, die den<lb/>
ganzen Begriff ausmachen, zu bedu&#x0364;rfen. Jezt aber zeigt<lb/>
&#x017F;ich: daß der Grund die&#x017F;er Vor&#x017F;icht noch tiefer liege, nem-<lb/>
lich, daß wir &#x017F;ie nicht definiren konten, wenn wir auch<lb/>
wollten<note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="*)">Ich ver&#x017F;tehe hier die Realdefinition, welche nicht blos dem<lb/>
Nahmen einer Sache andere und ver&#x017F;ta&#x0364;ndlichere Wo&#x0364;rter<lb/>
unterlegt, &#x017F;ondern die, &#x017F;o ein klares Merkmal, daran der<lb/>
Gegen&#x017F;tand (<hi rendition="#aq">definitum</hi>) iederzeit &#x017F;icher erkant werden<lb/>
kan, und den erkla&#x0364;rten Begriff zur Anwendung brauch-<lb/>
bar macht, in &#x017F;ich entha&#x0364;lt. Die Realerkla&#x0364;rung wu&#x0364;rde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">al&#x017F;o</fw></note>, &#x017F;ondern, wenn man alle Bedingungen der Sinn-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0271] III. Hauptſt. Von dem Grunde d. Unterſch. ꝛc. lich eingeſchraͤnkt ſeyn muͤſſen, weil, wenn man dieſe Be- dingung wegnimt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs Obiect, wegfaͤllt, und man durch kein Beyſpiel ſich ſelbſt faßlich machen kan, was unter dergleichen Begriffe denn eigentlich vor ein Ding gemeint ſey. Oben, bey Darſtel- lung der Tafel der Categorien, uͤberhoben wir uns der Definitionen einer ieden derſelben dadurch: daß unſere Abſicht, die lediglich auf den ſynthetiſchen Gebrauch der- ſelben geht, ſie nicht noͤthig mache, und man ſich mit un- noͤthigen Unternehmungen keiner Verantwortung ausſetzen muͤſſe, deren man uͤberhoben ſeyn kan. Das war keine Ausrede, ſondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel, ſich nicht ſo fort aus definiren zu wagen, und Voll- ſtaͤndigkeit oder Praͤciſion in der Beſtimmung des Begriffs zu verſuchen oder vorzugeben, wenn man mit irgend einem oder andern Merkmale deſſelben auslangen kan, ohne eben dazu eine vollſtaͤndige Herzehlung aller derſelben, die den ganzen Begriff ausmachen, zu beduͤrfen. Jezt aber zeigt ſich: daß der Grund dieſer Vorſicht noch tiefer liege, nem- lich, daß wir ſie nicht definiren konten, wenn wir auch wollten *), ſondern, wenn man alle Bedingungen der Sinn- lich- *) Ich verſtehe hier die Realdefinition, welche nicht blos dem Nahmen einer Sache andere und verſtaͤndlichere Woͤrter unterlegt, ſondern die, ſo ein klares Merkmal, daran der Gegenſtand (definitum) iederzeit ſicher erkant werden kan, und den erklaͤrten Begriff zur Anwendung brauch- bar macht, in ſich enthaͤlt. Die Realerklaͤrung wuͤrde alſo Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/271
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/271>, abgerufen am 10.05.2024.