die Grösse eines Buchs nicht nach der Zahl der Blät- ter, sondern nach der Zeit mißt, die man nöthig hat, es zu verstehen, so könne man von manchem Buche sagen: daß es viel kürzer seyn würde, wenn es nicht so kurz wäre. Anderer Seits aber, wenn man auf die Faßlichkeit eines weitläuftigen, dennoch aber in einem Princip zusammenhängenden Ganzen speculativer Erkentniß seine Absicht richtet, könte man mit eben so gutem Rechte sagen: manches Buch wäre viel deutlicher geworden, wenn es nicht so gar deutlich hätte werden sollen. Denn die Hülfs- mittel der Deutlichkeit fehlen zwar in Theilen, zer- streuen aber öfters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell gnug zu Ueberschauung des Ganzen ge- langen lassen und durch alle ihre helle Farben gleichwol die Articulation, oder den Gliederbau des Systems verkleben und unkentlich machen, auf den es doch, um über die Einheit und Tüchtigkeit desselben urtheilen zu können, am meisten ankomt.
Es kan, wie mich dünkt, dem Leser zu nicht ge- ringer Anlockung dienen, seine Bemühung mit der des Verfassers, zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat, ein grosses und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollführen.
Nun
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Vorrede.
die Groͤſſe eines Buchs nicht nach der Zahl der Blaͤt- ter, ſondern nach der Zeit mißt, die man noͤthig hat, es zu verſtehen, ſo koͤnne man von manchem Buche ſagen: daß es viel kuͤrzer ſeyn wuͤrde, wenn es nicht ſo kurz waͤre. Anderer Seits aber, wenn man auf die Faßlichkeit eines weitlaͤuftigen, dennoch aber in einem Princip zuſammenhaͤngenden Ganzen ſpeculativer Erkentniß ſeine Abſicht richtet, koͤnte man mit eben ſo gutem Rechte ſagen: manches Buch waͤre viel deutlicher geworden, wenn es nicht ſo gar deutlich haͤtte werden ſollen. Denn die Huͤlfs- mittel der Deutlichkeit fehlen zwar in Theilen, zer- ſtreuen aber oͤfters im Ganzen, indem ſie den Leſer nicht ſchnell gnug zu Ueberſchauung des Ganzen ge- langen laſſen und durch alle ihre helle Farben gleichwol die Articulation, oder den Gliederbau des Syſtems verkleben und unkentlich machen, auf den es doch, um uͤber die Einheit und Tuͤchtigkeit deſſelben urtheilen zu koͤnnen, am meiſten ankomt.
Es kan, wie mich duͤnkt, dem Leſer zu nicht ge- ringer Anlockung dienen, ſeine Bemuͤhung mit der des Verfaſſers, zu vereinigen, wenn er die Ausſicht hat, ein groſſes und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollfuͤhren.
Nun
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[0025]
Vorrede.
die Groͤſſe eines Buchs nicht nach der Zahl der Blaͤt-
ter, ſondern nach der Zeit mißt, die man noͤthig hat,
es zu verſtehen, ſo koͤnne man von manchem Buche
ſagen: daß es viel kuͤrzer ſeyn wuͤrde, wenn es
nicht ſo kurz waͤre. Anderer Seits aber, wenn
man auf die Faßlichkeit eines weitlaͤuftigen, dennoch
aber in einem Princip zuſammenhaͤngenden Ganzen
ſpeculativer Erkentniß ſeine Abſicht richtet, koͤnte man
mit eben ſo gutem Rechte ſagen: manches Buch
waͤre viel deutlicher geworden, wenn es nicht ſo
gar deutlich haͤtte werden ſollen. Denn die Huͤlfs-
mittel der Deutlichkeit fehlen zwar in Theilen, zer-
ſtreuen aber oͤfters im Ganzen, indem ſie den Leſer
nicht ſchnell gnug zu Ueberſchauung des Ganzen ge-
langen laſſen und durch alle ihre helle Farben gleichwol
die Articulation, oder den Gliederbau des Syſtems
verkleben und unkentlich machen, auf den es doch, um
uͤber die Einheit und Tuͤchtigkeit deſſelben urtheilen zu
koͤnnen, am meiſten ankomt.
Es kan, wie mich duͤnkt, dem Leſer zu nicht ge-
ringer Anlockung dienen, ſeine Bemuͤhung mit der des
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ein groſſes und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/25>, abgerufen am 10.10.2024.
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