werden können. So werde ich z. B. den Grad der Em- pfindungen des Sonnenlichts aus etwa 200000 Erleuch- tungen durch den Mond zusammensetzen und a priori be- stimt geben, d. i. construiren können. Daher können wir die erstere Grundsätze constitutive nennen.
Ganz anders muß es mit denen bewandt seyn, die das Daseyn der Erscheinungen a priori unter Regeln brin- gen sollen. Denn, da dieses sich nicht construiren läßt, so werden sie nur auf das Verhältniß des Daseyns gehen, und keine andre als blos regulative Principien ab- geben können. Da ist also weder an Axiomen, noch an Anticipationen zu denken, sondern, wenn uns eine Wahr- nehmung in einem Zeitverhältnisse gegen andere (obzwar unbestimte) gegeben ist; so wird a priori nicht gesagt werden können: welche andere und wie grosse Wahrneh- mung, sondern, wie sie dem Daseyn nach, in diesem modo der Zeit, mit iener nothwendig verbunden sey. In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes von demienigen, was sie in der Mathematik vorstellen. In dieser sind es Formeln, welche die Gleichheit zweener Grössenverhältnisse aussagen, und iederzeit constitutiv, so, daß, wenn zwey Glieder der Proportion gegeben sind, auch das Dritte dadurch gegeben wird, d. i. construirt werden kan. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweener quantitativen, sondern qua- litativen Verhältnisse, wo ich aus drey gegebenen Gliedern
nur
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
werden koͤnnen. So werde ich z. B. den Grad der Em- pfindungen des Sonnenlichts aus etwa 200000 Erleuch- tungen durch den Mond zuſammenſetzen und a priori be- ſtimt geben, d. i. conſtruiren koͤnnen. Daher koͤnnen wir die erſtere Grundſaͤtze conſtitutive nennen.
Ganz anders muß es mit denen bewandt ſeyn, die das Daſeyn der Erſcheinungen a priori unter Regeln brin- gen ſollen. Denn, da dieſes ſich nicht conſtruiren laͤßt, ſo werden ſie nur auf das Verhaͤltniß des Daſeyns gehen, und keine andre als blos regulative Principien ab- geben koͤnnen. Da iſt alſo weder an Axiomen, noch an Anticipationen zu denken, ſondern, wenn uns eine Wahr- nehmung in einem Zeitverhaͤltniſſe gegen andere (obzwar unbeſtimte) gegeben iſt; ſo wird a priori nicht geſagt werden koͤnnen: welche andere und wie groſſe Wahrneh- mung, ſondern, wie ſie dem Daſeyn nach, in dieſem modo der Zeit, mit iener nothwendig verbunden ſey. In der Philoſophie bedeuten Analogien etwas ſehr Verſchiedenes von demienigen, was ſie in der Mathematik vorſtellen. In dieſer ſind es Formeln, welche die Gleichheit zweener Groͤſſenverhaͤltniſſe ausſagen, und iederzeit conſtitutiv, ſo, daß, wenn zwey Glieder der Proportion gegeben ſind, auch das Dritte dadurch gegeben wird, d. i. conſtruirt werden kan. In der Philoſophie aber iſt die Analogie nicht die Gleichheit zweener quantitativen, ſondern qua- litativen Verhaͤltniſſe, wo ich aus drey gegebenen Gliedern
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
werden koͤnnen. So werde ich z. B. den Grad der Em-
pfindungen des Sonnenlichts aus etwa 200000 Erleuch-
tungen durch den Mond zuſammenſetzen und a priori be-
ſtimt geben, d. i. conſtruiren koͤnnen. Daher koͤnnen wir
die erſtere Grundſaͤtze conſtitutive nennen.
Ganz anders muß es mit denen bewandt ſeyn, die
das Daſeyn der Erſcheinungen a priori unter Regeln brin-
gen ſollen. Denn, da dieſes ſich nicht conſtruiren
laͤßt, ſo werden ſie nur auf das Verhaͤltniß des Daſeyns
gehen, und keine andre als blos regulative Principien ab-
geben koͤnnen. Da iſt alſo weder an Axiomen, noch an
Anticipationen zu denken, ſondern, wenn uns eine Wahr-
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unbeſtimte) gegeben iſt; ſo wird a priori nicht geſagt
werden koͤnnen: welche andere und wie groſſe Wahrneh-
mung, ſondern, wie ſie dem Daſeyn nach, in dieſem modo
der Zeit, mit iener nothwendig verbunden ſey. In der
Philoſophie bedeuten Analogien etwas ſehr Verſchiedenes
von demienigen, was ſie in der Mathematik vorſtellen.
In dieſer ſind es Formeln, welche die Gleichheit zweener
Groͤſſenverhaͤltniſſe ausſagen, und iederzeit conſtitutiv,
ſo, daß, wenn zwey Glieder der Proportion gegeben ſind,
auch das Dritte dadurch gegeben wird, d. i. conſtruirt
werden kan. In der Philoſophie aber iſt die Analogie
nicht die Gleichheit zweener quantitativen, ſondern qua-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/209>, abgerufen am 24.11.2024.
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