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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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man sie aber auf sich selbst, so kann man sie zu jederzeit befriedigen. Der physische Effekt ist überaus schädlich, aber die Folgen in Absicht der Moralität, sind noch weit übler. Man überschreitet hier die Gränzen der Natur, und die Neigung wüthet ohne Aufhalt fort, weil keine würkliche Befriedigung Statt findet. Lehrer bey erwachsenen Jünglingen, haben die Frage aufgeworfen: ob es erlaubt sey, daß ein Jüngling sich mit dem andern Geschlechte einlasse? Wenn eines von beyden gewählt werden muß: so ist dies allerdings besser. Bey jenem handelt er wider die Natur, hier aber nicht. Die Natur hat ihn zum Manne berufen, sobald er mündig wird, und also auch seine Art fortzupflanzen; die Bedürfnisse aber, die der Mensch in einem kultivirten Staate nothwendig hat, machen, daß er dann noch nicht immer seine Kinder erziehen kann. Er fehlt hier also wider die bürgerliche Ordnung. Am besten ist es also, ja, es ist Pflicht, daß der Jüngling warte, bis er im Stande ist, sich ordentlich zu verheirathen. Er handelt dann nicht nur, wie ein guter Bürger *).

Der Jüngling lerne frühzeitig, eine anständige Achtung vor dem andern Geschlechte hegen, sich dagegen

*) Aber auch die vage Befriedigung sinnlicher Neigungen bey dem andern Geschlechte, schadet der Gesundheit, erhitzt die Einbildungskraft, stöhrt in einer zweckmäßigen Beschäftigung, und untergräbt die Moralität. Reiner Sinn der Liebe in der unentweihten Brust des Jünglings und Mädchens dagegen, schützt die Unschuld, erhebt die Seele, und ist Anreiz zum Bessern.
A. d. H.

man sie aber auf sich selbst, so kann man sie zu jederzeit befriedigen. Der physische Effekt ist überaus schädlich, aber die Folgen in Absicht der Moralität, sind noch weit übler. Man überschreitet hier die Gränzen der Natur, und die Neigung wüthet ohne Aufhalt fort, weil keine würkliche Befriedigung Statt findet. Lehrer bey erwachsenen Jünglingen, haben die Frage aufgeworfen: ob es erlaubt sey, daß ein Jüngling sich mit dem andern Geschlechte einlasse? Wenn eines von beyden gewählt werden muß: so ist dies allerdings besser. Bey jenem handelt er wider die Natur, hier aber nicht. Die Natur hat ihn zum Manne berufen, sobald er mündig wird, und also auch seine Art fortzupflanzen; die Bedürfnisse aber, die der Mensch in einem kultivirten Staate nothwendig hat, machen, daß er dann noch nicht immer seine Kinder erziehen kann. Er fehlt hier also wider die bürgerliche Ordnung. Am besten ist es also, ja, es ist Pflicht, daß der Jüngling warte, bis er im Stande ist, sich ordentlich zu verheirathen. Er handelt dann nicht nur, wie ein guter Bürger *).

Der Jüngling lerne frühzeitig, eine anständige Achtung vor dem andern Geschlechte hegen, sich dagegen

*) Aber auch die vage Befriedigung sinnlicher Neigungen bey dem andern Geschlechte, schadet der Gesundheit, erhitzt die Einbildungskraft, stöhrt in einer zweckmäßigen Beschäftigung, und untergräbt die Moralität. Reiner Sinn der Liebe in der unentweihten Brust des Jünglings und Mädchens dagegen, schützt die Unschuld, erhebt die Seele, und ist Anreiz zum Bessern.
A. d. H.
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man sie aber auf sich selbst, so kann man sie zu jederzeit befriedigen. Der physische Effekt ist überaus schädlich, aber die Folgen in Absicht der Moralität, sind noch weit übler. Man überschreitet hier die Gränzen der Natur, und die Neigung wüthet ohne Aufhalt fort, weil keine würkliche Befriedigung Statt findet. Lehrer bey erwachsenen Jünglingen, haben die Frage aufgeworfen: ob es erlaubt sey, daß ein Jüngling sich mit dem andern Geschlechte einlasse? Wenn eines von beyden gewählt werden muß: so ist dies allerdings besser. Bey jenem handelt er wider die Natur, hier aber nicht. Die Natur hat ihn zum Manne berufen, sobald er mündig wird, und also auch seine Art fortzupflanzen; die Bedürfnisse aber, die der Mensch in einem kultivirten Staate nothwendig hat, machen, daß er dann noch nicht immer seine Kinder erziehen kann. Er fehlt hier also wider die bürgerliche Ordnung. Am besten ist es also, ja, es ist Pflicht, daß der Jüngling warte, bis er im Stande ist, sich ordentlich zu verheirathen. Er handelt dann nicht nur, wie ein guter Bürger <note place="foot" n="*)">Aber auch die vage Befriedigung sinnlicher Neigungen bey dem andern Geschlechte, schadet der Gesundheit, erhitzt die Einbildungskraft, stöhrt in einer zweckmäßigen Beschäftigung, und untergräbt die Moralität. Reiner Sinn der Liebe in der unentweihten Brust des Jünglings und Mädchens dagegen, schützt die Unschuld, erhebt die Seele, und ist Anreiz zum Bessern.<lb/><hi rendition="#right">A. d. H.</hi></note>.</p>
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[99/0099] man sie aber auf sich selbst, so kann man sie zu jederzeit befriedigen. Der physische Effekt ist überaus schädlich, aber die Folgen in Absicht der Moralität, sind noch weit übler. Man überschreitet hier die Gränzen der Natur, und die Neigung wüthet ohne Aufhalt fort, weil keine würkliche Befriedigung Statt findet. Lehrer bey erwachsenen Jünglingen, haben die Frage aufgeworfen: ob es erlaubt sey, daß ein Jüngling sich mit dem andern Geschlechte einlasse? Wenn eines von beyden gewählt werden muß: so ist dies allerdings besser. Bey jenem handelt er wider die Natur, hier aber nicht. Die Natur hat ihn zum Manne berufen, sobald er mündig wird, und also auch seine Art fortzupflanzen; die Bedürfnisse aber, die der Mensch in einem kultivirten Staate nothwendig hat, machen, daß er dann noch nicht immer seine Kinder erziehen kann. Er fehlt hier also wider die bürgerliche Ordnung. Am besten ist es also, ja, es ist Pflicht, daß der Jüngling warte, bis er im Stande ist, sich ordentlich zu verheirathen. Er handelt dann nicht nur, wie ein guter Bürger *). Der Jüngling lerne frühzeitig, eine anständige Achtung vor dem andern Geschlechte hegen, sich dagegen *) Aber auch die vage Befriedigung sinnlicher Neigungen bey dem andern Geschlechte, schadet der Gesundheit, erhitzt die Einbildungskraft, stöhrt in einer zweckmäßigen Beschäftigung, und untergräbt die Moralität. Reiner Sinn der Liebe in der unentweihten Brust des Jünglings und Mädchens dagegen, schützt die Unschuld, erhebt die Seele, und ist Anreiz zum Bessern. A. d. H.

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/99>, abgerufen am 28.04.2024.