Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.Grammatik muß also bey Sprachen immer in etwas vorausgehen. Wir müssen nun aber auch einen systematischen Begriff von dem ganzen Zwecke der Erziehung, und der Art, wie er zu erreichen ist, geben. 1) Die allgemeine Kultur der Gemüthskräfte, unterschieden von der besondern. Sie geht auf Geschicklichkeit und Vervollkommnung, nicht daß man den Zögling besonders worin informire, sondern seine Gemüthskräfte stärke. Sie ist a) entweder phisisch. Hier beruht alles auf Uebung und Disciplin, ohne daß die Kinder Maximen kennen dürfen. Sie ist passiv für den Lehrling, er muß der Leitung eines Andern folgsam seyn. Andere denken für ihn. b) oder moralisch. Sie beruht dann nicht auf Disciplin, sondern auf Maximen. Alles wird verdorben, wenn man sie auf Exempel, Drohungen, Strafen u. s. w. gründen will. Sie wäre dann blos Disciplin. Man muß dahin sehen, daß der Zögling aus eignen Maximen, nicht aus Gewohnheit, gut handle, daß er nicht blos das Gute thue, sondern es darum thue, weil es gut ist. Denn der ganze moralische Werth der Handlungen besteht in den Maximen des Guten. Die physische Erziehung unterscheidet sich darin von der moralischen, daß jene passiv für den Zögling, Grammatik muß also bey Sprachen immer in etwas vorausgehen. Wir müssen nun aber auch einen systematischen Begriff von dem ganzen Zwecke der Erziehung, und der Art, wie er zu erreichen ist, geben. 1) Die allgemeine Kultur der Gemüthskräfte, unterschieden von der besondern. Sie geht auf Geschicklichkeit und Vervollkommnung, nicht daß man den Zögling besonders worin informire, sondern seine Gemüthskräfte stärke. Sie ist a) entweder phisisch. Hier beruht alles auf Uebung und Disciplin, ohne daß die Kinder Maximen kennen dürfen. Sie ist passiv für den Lehrling, er muß der Leitung eines Andern folgsam seyn. Andere denken für ihn. b) oder moralisch. Sie beruht dann nicht auf Disciplin, sondern auf Maximen. Alles wird verdorben, wenn man sie auf Exempel, Drohungen, Strafen u. s. w. gründen will. Sie wäre dann blos Disciplin. Man muß dahin sehen, daß der Zögling aus eignen Maximen, nicht aus Gewohnheit, gut handle, daß er nicht blos das Gute thue, sondern es darum thue, weil es gut ist. Denn der ganze moralische Werth der Handlungen besteht in den Maximen des Guten. Die physische Erziehung unterscheidet sich darin von der moralischen, daß jene passiv für den Zögling, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0062" n="62"/> Grammatik muß also bey Sprachen immer in etwas vorausgehen.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p> Wir müssen nun aber auch einen systematischen Begriff von dem ganzen Zwecke der Erziehung, und der Art, wie er zu erreichen ist, geben.</p> <p>1) <hi rendition="#g">Die allgemeine Kultur der Gemüthskräfte</hi>, unterschieden von der besondern. Sie geht auf Geschicklichkeit und Vervollkommnung, nicht daß man den Zögling besonders worin informire, sondern seine Gemüthskräfte stärke. Sie ist</p> <p>a) entweder <hi rendition="#g">phisisch</hi>. Hier beruht alles auf Uebung und Disciplin, ohne daß die Kinder Maximen kennen dürfen. Sie ist <hi rendition="#g">passiv</hi> für den Lehrling, er muß der Leitung eines Andern folgsam seyn. Andere denken für ihn.</p> <p>b) oder <hi rendition="#g">moralisch</hi>. Sie beruht dann nicht auf Disciplin, sondern auf Maximen. Alles wird verdorben, wenn man sie auf Exempel, Drohungen, Strafen u. s. w. gründen will. Sie wäre dann blos Disciplin. Man muß dahin sehen, daß der Zögling aus eignen Maximen, nicht aus Gewohnheit, gut handle, daß er nicht blos das Gute thue, sondern es darum thue, weil es gut ist. Denn der ganze moralische Werth der Handlungen besteht in den Maximen des Guten. Die physische Erziehung unterscheidet sich darin von der moralischen, daß jene passiv für den Zögling, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0062]
Grammatik muß also bey Sprachen immer in etwas vorausgehen.
Wir müssen nun aber auch einen systematischen Begriff von dem ganzen Zwecke der Erziehung, und der Art, wie er zu erreichen ist, geben.
1) Die allgemeine Kultur der Gemüthskräfte, unterschieden von der besondern. Sie geht auf Geschicklichkeit und Vervollkommnung, nicht daß man den Zögling besonders worin informire, sondern seine Gemüthskräfte stärke. Sie ist
a) entweder phisisch. Hier beruht alles auf Uebung und Disciplin, ohne daß die Kinder Maximen kennen dürfen. Sie ist passiv für den Lehrling, er muß der Leitung eines Andern folgsam seyn. Andere denken für ihn.
b) oder moralisch. Sie beruht dann nicht auf Disciplin, sondern auf Maximen. Alles wird verdorben, wenn man sie auf Exempel, Drohungen, Strafen u. s. w. gründen will. Sie wäre dann blos Disciplin. Man muß dahin sehen, daß der Zögling aus eignen Maximen, nicht aus Gewohnheit, gut handle, daß er nicht blos das Gute thue, sondern es darum thue, weil es gut ist. Denn der ganze moralische Werth der Handlungen besteht in den Maximen des Guten. Die physische Erziehung unterscheidet sich darin von der moralischen, daß jene passiv für den Zögling,
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