Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.der Seele kommt doch darin überein, daß man ein Verderbniß bey ihrer beyderseitigen Bildung abzuhalten sucht, und daß die Kunst dann noch etwas bey jenem, wie bey dieser hinzusetzt. Man kann die bildung der Seele also gewissermaßen eben so gut physisch nennen, als die Bildung des Körpers. Diese physische Bildung des Geistes unterscheidet sich aber von der moralischen darin, daß diese nur auf die Freyheit, jene nur auf die Natur abzielt. Ein Mensch kann physisch sehr kultivirt seyn; er kann einen sehr ausgebildeten Geist haben, aber dabey schlecht moralisch kultivirt, doch dabey ein böses Geschöpf seyn. Die physische Kultur aber muß von der praktischen unterschieden werden, welche letztere pragmatisch oder moralisch ist. Im letztern Falle ist es die Moralisirung, nicht Kultivirung. Die physische Kultur des Geistes theilen wir ein in die freye und die scholastische. Die freye ist gleichsam nur ein Spiel, die scholastische dagegen macht ein Geschäfte aus, die freye ist die, die immer bey dem Zöglinge beobachtet werden muß: bey der scholastischen aber wird der Zögling wie unter dem Zwange betrachtet. Man kann beschäftiget seyn im Spiele, das nennt man in der Muße beschäftiget seyn; aber man kann auch beschäftiget seyn im Zwange, und das nennt man arbeiten. Die scholastische Bildung soll für das Kind Arbeit, die freye soll Spiel seyn. Man hat verschiedene Erziehungspläne entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche der Seele kommt doch darin überein, daß man ein Verderbniß bey ihrer beyderseitigen Bildung abzuhalten sucht, und daß die Kunst dann noch etwas bey jenem, wie bey dieser hinzusetzt. Man kann die bildung der Seele also gewissermaßen eben so gut physisch nennen, als die Bildung des Körpers. Diese physische Bildung des Geistes unterscheidet sich aber von der moralischen darin, daß diese nur auf die Freyheit, jene nur auf die Natur abzielt. Ein Mensch kann physisch sehr kultivirt seyn; er kann einen sehr ausgebildeten Geist haben, aber dabey schlecht moralisch kultivirt, doch dabey ein böses Geschöpf seyn. Die physische Kultur aber muß von der praktischen unterschieden werden, welche letztere pragmatisch oder moralisch ist. Im letztern Falle ist es die Moralisirung, nicht Kultivirung. Die physische Kultur des Geistes theilen wir ein in die freye und die scholastische. Die freye ist gleichsam nur ein Spiel, die scholastische dagegen macht ein Geschäfte aus, die freye ist die, die immer bey dem Zöglinge beobachtet werden muß: bey der scholastischen aber wird der Zögling wie unter dem Zwange betrachtet. Man kann beschäftiget seyn im Spiele, das nennt man in der Muße beschäftiget seyn; aber man kann auch beschäftiget seyn im Zwange, und das nennt man arbeiten. Die scholastische Bildung soll für das Kind Arbeit, die freye soll Spiel seyn. Man hat verschiedene Erziehungspläne entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0053" n="53"/> der Seele kommt doch darin überein, daß man ein Verderbniß bey ihrer beyderseitigen Bildung abzuhalten sucht, und daß die Kunst dann noch etwas bey jenem, wie bey dieser hinzusetzt. Man kann die bildung der Seele also gewissermaßen eben so gut physisch nennen, als die Bildung des Körpers.</p> <p>Diese physische Bildung des Geistes unterscheidet sich aber von der moralischen darin, daß diese nur auf die Freyheit, jene nur auf die Natur abzielt. Ein Mensch kann physisch sehr kultivirt seyn; er kann einen sehr ausgebildeten Geist haben, aber dabey schlecht moralisch kultivirt, doch dabey ein böses Geschöpf seyn.</p> <p>Die <hi rendition="#g">physische</hi> Kultur aber muß von der <hi rendition="#g">praktischen</hi> unterschieden werden, welche letztere <hi rendition="#g">pragmatisch</hi> oder <hi rendition="#g">moralisch</hi> ist. Im letztern Falle ist es die <hi rendition="#g">Moralisirung</hi>, nicht <hi rendition="#g">Kultivirung</hi>.</p> <p>Die <hi rendition="#g">physische</hi> Kultur des Geistes theilen wir ein in die <hi rendition="#g">freye</hi> und die <hi rendition="#g">scholastische</hi>. Die <hi rendition="#g">freye</hi> ist gleichsam nur ein Spiel, die <hi rendition="#g">scholastische</hi> dagegen macht ein Geschäfte aus, die <hi rendition="#g">freye</hi> ist die, die immer bey dem Zöglinge beobachtet werden muß: bey der <hi rendition="#g">scholastischen</hi> aber wird der Zögling wie unter dem Zwange betrachtet. Man kann beschäftiget seyn im Spiele, das nennt man in der Muße beschäftiget seyn; aber man kann auch beschäftiget seyn im Zwange, und das nennt man arbeiten. Die scholastische Bildung soll für das Kind Arbeit, die freye soll Spiel seyn.</p> <p>Man hat verschiedene Erziehungspläne entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0053]
der Seele kommt doch darin überein, daß man ein Verderbniß bey ihrer beyderseitigen Bildung abzuhalten sucht, und daß die Kunst dann noch etwas bey jenem, wie bey dieser hinzusetzt. Man kann die bildung der Seele also gewissermaßen eben so gut physisch nennen, als die Bildung des Körpers.
Diese physische Bildung des Geistes unterscheidet sich aber von der moralischen darin, daß diese nur auf die Freyheit, jene nur auf die Natur abzielt. Ein Mensch kann physisch sehr kultivirt seyn; er kann einen sehr ausgebildeten Geist haben, aber dabey schlecht moralisch kultivirt, doch dabey ein böses Geschöpf seyn.
Die physische Kultur aber muß von der praktischen unterschieden werden, welche letztere pragmatisch oder moralisch ist. Im letztern Falle ist es die Moralisirung, nicht Kultivirung.
Die physische Kultur des Geistes theilen wir ein in die freye und die scholastische. Die freye ist gleichsam nur ein Spiel, die scholastische dagegen macht ein Geschäfte aus, die freye ist die, die immer bey dem Zöglinge beobachtet werden muß: bey der scholastischen aber wird der Zögling wie unter dem Zwange betrachtet. Man kann beschäftiget seyn im Spiele, das nennt man in der Muße beschäftiget seyn; aber man kann auch beschäftiget seyn im Zwange, und das nennt man arbeiten. Die scholastische Bildung soll für das Kind Arbeit, die freye soll Spiel seyn.
Man hat verschiedene Erziehungspläne entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche
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