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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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und behält nachher auch diese Form. Die Kinder lernen bey dergleichen Hülfsmitteln auch nicht so sicher gehen, als wenn sie dies von selbst lernen. Am besten ist es, wenn man sie auf der Erde herumkriechen läßt, bis sie nach und nach von selbst anfangen zu gehen. Zur Vorsicht kann man die Stube mit wollenen Decken ausschlagen, damit sie sich nicht Splitter einreißen, auch nicht so hart fallen.

Man sagt gemeinhin, daß Kinder sehr schwer fallen. Außerdem aber, daß Kinder nicht einmal schwer fallen können, so schadet es ihnen auch nicht, wenn sie einmal fallen. Sie lernen nur, sich desto besser das Gleichgewicht geben, und sich so zu wenden, daß ihnen der Fall nicht schadet. Man setzt ihnen gewöhnlich die sogenannten Butzmützen auf, die so weit vorstehen, daß das Kind nie auf das Gesicht fallen kann. Das ist aber eben eine negative Erziehung, wenn man künstliche Instrumente anwendet, da, wo das Kind natürliche hat. Hier sind die natürlichen Werkzeuge die Hände, die sich das Kind bey dem Fallen schon vorhalten wird. Je mehrere künstliche Werkzeuge man gebraucht, desto abhängiger wird der Mensch von Instrumenten.

Ueberhaupt wäre es besser, wenn man im Anfange weniger Instrumente gebrauchte, und die Kinder mehr von selbst lernen ließe, sie möchten dann manches viel gründlicher lernen. So wäre es z. B. wohl möglich, daß das Kind von selbst schreiben lernte. Denn Jemand hat es doch einmal erfunden, und die Erfindung ist nicht so sehr groß. Man dürfte nur z. E., wenn das Kind Brod will, sagen: Kannst du es auch wohl mahlen? Das Kind würde dann eine ovale

und behält nachher auch diese Form. Die Kinder lernen bey dergleichen Hülfsmitteln auch nicht so sicher gehen, als wenn sie dies von selbst lernen. Am besten ist es, wenn man sie auf der Erde herumkriechen läßt, bis sie nach und nach von selbst anfangen zu gehen. Zur Vorsicht kann man die Stube mit wollenen Decken ausschlagen, damit sie sich nicht Splitter einreißen, auch nicht so hart fallen.

Man sagt gemeinhin, daß Kinder sehr schwer fallen. Außerdem aber, daß Kinder nicht einmal schwer fallen können, so schadet es ihnen auch nicht, wenn sie einmal fallen. Sie lernen nur, sich desto besser das Gleichgewicht geben, und sich so zu wenden, daß ihnen der Fall nicht schadet. Man setzt ihnen gewöhnlich die sogenannten Butzmützen auf, die so weit vorstehen, daß das Kind nie auf das Gesicht fallen kann. Das ist aber eben eine negative Erziehung, wenn man künstliche Instrumente anwendet, da, wo das Kind natürliche hat. Hier sind die natürlichen Werkzeuge die Hände, die sich das Kind bey dem Fallen schon vorhalten wird. Je mehrere künstliche Werkzeuge man gebraucht, desto abhängiger wird der Mensch von Instrumenten.

Ueberhaupt wäre es besser, wenn man im Anfange weniger Instrumente gebrauchte, und die Kinder mehr von selbst lernen ließe, sie möchten dann manches viel gründlicher lernen. So wäre es z. B. wohl möglich, daß das Kind von selbst schreiben lernte. Denn Jemand hat es doch einmal erfunden, und die Erfindung ist nicht so sehr groß. Man dürfte nur z. E., wenn das Kind Brod will, sagen: Kannst du es auch wohl mahlen? Das Kind würde dann eine ovale

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[40/0040] und behält nachher auch diese Form. Die Kinder lernen bey dergleichen Hülfsmitteln auch nicht so sicher gehen, als wenn sie dies von selbst lernen. Am besten ist es, wenn man sie auf der Erde herumkriechen läßt, bis sie nach und nach von selbst anfangen zu gehen. Zur Vorsicht kann man die Stube mit wollenen Decken ausschlagen, damit sie sich nicht Splitter einreißen, auch nicht so hart fallen. Man sagt gemeinhin, daß Kinder sehr schwer fallen. Außerdem aber, daß Kinder nicht einmal schwer fallen können, so schadet es ihnen auch nicht, wenn sie einmal fallen. Sie lernen nur, sich desto besser das Gleichgewicht geben, und sich so zu wenden, daß ihnen der Fall nicht schadet. Man setzt ihnen gewöhnlich die sogenannten Butzmützen auf, die so weit vorstehen, daß das Kind nie auf das Gesicht fallen kann. Das ist aber eben eine negative Erziehung, wenn man künstliche Instrumente anwendet, da, wo das Kind natürliche hat. Hier sind die natürlichen Werkzeuge die Hände, die sich das Kind bey dem Fallen schon vorhalten wird. Je mehrere künstliche Werkzeuge man gebraucht, desto abhängiger wird der Mensch von Instrumenten. Ueberhaupt wäre es besser, wenn man im Anfange weniger Instrumente gebrauchte, und die Kinder mehr von selbst lernen ließe, sie möchten dann manches viel gründlicher lernen. So wäre es z. B. wohl möglich, daß das Kind von selbst schreiben lernte. Denn Jemand hat es doch einmal erfunden, und die Erfindung ist nicht so sehr groß. Man dürfte nur z. E., wenn das Kind Brod will, sagen: Kannst du es auch wohl mahlen? Das Kind würde dann eine ovale

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/40>, abgerufen am 28.03.2024.