Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.und Theorie des Himmels. als gebilliget werden. "Diejenigen Creaturen,"spricht er, "welche die Wälder auf dem Kopfe ei- "nes Bettlers bewohnen, hatten schon lange ihren "Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und sich "selber, als das Meisterstück der Schöpfung, ange- "sehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit "einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fon- "tenelle seines Geschlechts, den Kopf eines Edel- "manns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief "er alle witzige Köpfe seines Quartiers zusammen, "und sagte ihnen mit Entzückung: wir sind nicht "die einzigen belebten Wesen der ganzen Natur: sehet "hier ein neues Land, hie wohnen mehr Läuse." Wenn der Ausgang dieses Schlusses ein Lachen er- wecket; so geschicht es nicht um deswillen, weil er von der Menschen Art, zu urtheilen, weit abgehet; sondern, weil eben derselbe Jrrthum, der bey dem Menschen eine gleiche Ursache zum Grunde hat, bey diesen mehr Entschuldigung zu verdienen scheinet. Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieses weit M
und Theorie des Himmels. als gebilliget werden. „Diejenigen Creaturen,‟ſpricht er, „welche die Waͤlder auf dem Kopfe ei- „nes Bettlers bewohnen, hatten ſchon lange ihren „Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und ſich „ſelber, als das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung, ange- „ſehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit „einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fon- „tenelle ſeines Geſchlechts, den Kopf eines Edel- „manns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief „er alle witzige Koͤpfe ſeines Quartiers zuſammen, „und ſagte ihnen mit Entzuͤckung: wir ſind nicht „die einzigen belebten Weſen der ganzen Natur: ſehet „hier ein neues Land, hie wohnen mehr Laͤuſe.„ Wenn der Ausgang dieſes Schluſſes ein Lachen er- wecket; ſo geſchicht es nicht um deswillen, weil er von der Menſchen Art, zu urtheilen, weit abgehet; ſondern, weil eben derſelbe Jrrthum, der bey dem Menſchen eine gleiche Urſache zum Grunde hat, bey dieſen mehr Entſchuldigung zu verdienen ſcheinet. Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieſes weit M
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0245" n="177"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi></fw><lb/> als gebilliget werden. „Diejenigen Creaturen,‟<lb/><hi rendition="#fr">ſpricht er,</hi> „welche die Waͤlder auf dem Kopfe ei-<lb/> „nes Bettlers bewohnen, hatten ſchon lange ihren<lb/> „Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und ſich<lb/> „ſelber, als das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung, ange-<lb/> „ſehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit<lb/> „einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner <hi rendition="#fr">Fon-<lb/> „tenelle</hi> ſeines Geſchlechts, den Kopf eines Edel-<lb/> „manns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief<lb/> „er alle witzige Koͤpfe ſeines Quartiers zuſammen,<lb/> „und ſagte ihnen mit Entzuͤckung: wir ſind nicht<lb/> „die einzigen belebten Weſen der ganzen Natur: ſehet<lb/> „hier ein neues Land, <hi rendition="#fr">hie wohnen mehr Laͤuſe.„</hi><lb/> Wenn der Ausgang dieſes Schluſſes ein Lachen er-<lb/> wecket; ſo geſchicht es nicht um deswillen, weil er<lb/> von der Menſchen Art, zu urtheilen, weit abgehet;<lb/> ſondern, weil eben derſelbe Jrrthum, der bey dem<lb/> Menſchen eine gleiche Urſache zum Grunde hat, bey<lb/> dieſen mehr Entſchuldigung zu verdienen ſcheinet.</p><lb/> <p>Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieſes<lb/> Jnſekt, welches, ſowohl ſeiner Art zu leben, als<lb/> auch ſeiner Nichtswuͤrdigkeit nach, die Beſchaffen-<lb/> heit der meiſten Menſchen ſehr wohl ausdruͤckt, kan<lb/> mit gutem Fuge zu einer ſolchen Vergleichung ge-<lb/> braucht werden. Weil, ſeiner Einbildung nach,<lb/> der Natur an ſeinem Daſeyn unendlich viel gelegen<lb/> iſt: ſo haͤlt es die ganze uͤbrige Schoͤpfung vor ver-<lb/> geblich, die nicht eine genaue Abzielung auf ſein<lb/> Geſchlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit<lb/> ſich fuͤhret. Der Menſch, welcher gleich unendlich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M</fw><fw place="bottom" type="catch">weit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0245]
und Theorie des Himmels.
als gebilliget werden. „Diejenigen Creaturen,‟
ſpricht er, „welche die Waͤlder auf dem Kopfe ei-
„nes Bettlers bewohnen, hatten ſchon lange ihren
„Aufenthalt vor eine unermeßliche Kugel, und ſich
„ſelber, als das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung, ange-
„ſehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit
„einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner Fon-
„tenelle ſeines Geſchlechts, den Kopf eines Edel-
„manns unvermuthet gewahr ward. Alsbald rief
„er alle witzige Koͤpfe ſeines Quartiers zuſammen,
„und ſagte ihnen mit Entzuͤckung: wir ſind nicht
„die einzigen belebten Weſen der ganzen Natur: ſehet
„hier ein neues Land, hie wohnen mehr Laͤuſe.„
Wenn der Ausgang dieſes Schluſſes ein Lachen er-
wecket; ſo geſchicht es nicht um deswillen, weil er
von der Menſchen Art, zu urtheilen, weit abgehet;
ſondern, weil eben derſelbe Jrrthum, der bey dem
Menſchen eine gleiche Urſache zum Grunde hat, bey
dieſen mehr Entſchuldigung zu verdienen ſcheinet.
Laßt uns ohne Vorurtheil urtheilen. Dieſes
Jnſekt, welches, ſowohl ſeiner Art zu leben, als
auch ſeiner Nichtswuͤrdigkeit nach, die Beſchaffen-
heit der meiſten Menſchen ſehr wohl ausdruͤckt, kan
mit gutem Fuge zu einer ſolchen Vergleichung ge-
braucht werden. Weil, ſeiner Einbildung nach,
der Natur an ſeinem Daſeyn unendlich viel gelegen
iſt: ſo haͤlt es die ganze uͤbrige Schoͤpfung vor ver-
geblich, die nicht eine genaue Abzielung auf ſein
Geſchlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit
ſich fuͤhret. Der Menſch, welcher gleich unendlich
weit
M
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |