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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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Allgemeine Naturgeschichte
Natur wäre dieses, in Ansehung der Unermeßlich-
keit der ganzen Schöpfung? Und wäre es nicht
vielmehr ein Zeichen der Armuth, als des Ueber-
flusses derselben, wenn sie in jedem Punkte des Rau-
mes so sorgfältig seyn solte, alle ihre Reichthümer
aufzuzeigen?

Allein, man kan noch mit mehr Befriedigung
vermuthen, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt
ist, er dennoch es dereinst werden wird, wenn die
Periode seiner Bildung wird vollendet seyn. Viel-
leicht ist unsere Erde tausend oder mehr Jahre vor-
handen gewesen, ehe sie sich in Verfassung befun-
den hat, Menschen, Thiere und Gewächse unter-
halten zu können. Daß ein Planet nun einige
tausend Jahre später zu dieser Vollkommenheit
kommt, das thut dem Zwecke seines Daseyns kei-
nen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins
zukünftige länger in der Vollkommenheit seiner
Verfassung, wenn er sie einmal erreichet hat, ver-
bleiben; denn es ist einmal ein gewisses Naturge-
setz: alles, was einen Anfang hat, nähert sich be-
ständig seinem Untergange, und ist demselben um
so viel näher, je mehr es sich von dem Punkte seines
Anfanges entfernet hat.

Die satyrische Vorstellung jenes witzigen
Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anfüh-
rung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d.
Wissenschaften, die Einbildung von der nothwendi-
gen Bevölkerung aller Weltkörper, auf der lächer-
lichen Seite vorzustellen wuste, kan nicht anders,

als

Allgemeine Naturgeſchichte
Natur waͤre dieſes, in Anſehung der Unermeßlich-
keit der ganzen Schoͤpfung? Und waͤre es nicht
vielmehr ein Zeichen der Armuth, als des Ueber-
fluſſes derſelben, wenn ſie in jedem Punkte des Rau-
mes ſo ſorgfaͤltig ſeyn ſolte, alle ihre Reichthuͤmer
aufzuzeigen?

Allein, man kan noch mit mehr Befriedigung
vermuthen, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt
iſt, er dennoch es dereinſt werden wird, wenn die
Periode ſeiner Bildung wird vollendet ſeyn. Viel-
leicht iſt unſere Erde tauſend oder mehr Jahre vor-
handen geweſen, ehe ſie ſich in Verfaſſung befun-
den hat, Menſchen, Thiere und Gewaͤchſe unter-
halten zu koͤnnen. Daß ein Planet nun einige
tauſend Jahre ſpaͤter zu dieſer Vollkommenheit
kommt, das thut dem Zwecke ſeines Daſeyns kei-
nen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins
zukuͤnftige laͤnger in der Vollkommenheit ſeiner
Verfaſſung, wenn er ſie einmal erreichet hat, ver-
bleiben; denn es iſt einmal ein gewiſſes Naturge-
ſetz: alles, was einen Anfang hat, naͤhert ſich be-
ſtaͤndig ſeinem Untergange, und iſt demſelben um
ſo viel naͤher, je mehr es ſich von dem Punkte ſeines
Anfanges entfernet hat.

Die ſatyriſche Vorſtellung jenes witzigen
Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anfuͤh-
rung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d.
Wiſſenſchaften, die Einbildung von der nothwendi-
gen Bevoͤlkerung aller Weltkoͤrper, auf der laͤcher-
lichen Seite vorzuſtellen wuſte, kan nicht anders,

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[176/0244] Allgemeine Naturgeſchichte Natur waͤre dieſes, in Anſehung der Unermeßlich- keit der ganzen Schoͤpfung? Und waͤre es nicht vielmehr ein Zeichen der Armuth, als des Ueber- fluſſes derſelben, wenn ſie in jedem Punkte des Rau- mes ſo ſorgfaͤltig ſeyn ſolte, alle ihre Reichthuͤmer aufzuzeigen? Allein, man kan noch mit mehr Befriedigung vermuthen, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt iſt, er dennoch es dereinſt werden wird, wenn die Periode ſeiner Bildung wird vollendet ſeyn. Viel- leicht iſt unſere Erde tauſend oder mehr Jahre vor- handen geweſen, ehe ſie ſich in Verfaſſung befun- den hat, Menſchen, Thiere und Gewaͤchſe unter- halten zu koͤnnen. Daß ein Planet nun einige tauſend Jahre ſpaͤter zu dieſer Vollkommenheit kommt, das thut dem Zwecke ſeines Daſeyns kei- nen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins zukuͤnftige laͤnger in der Vollkommenheit ſeiner Verfaſſung, wenn er ſie einmal erreichet hat, ver- bleiben; denn es iſt einmal ein gewiſſes Naturge- ſetz: alles, was einen Anfang hat, naͤhert ſich be- ſtaͤndig ſeinem Untergange, und iſt demſelben um ſo viel naͤher, je mehr es ſich von dem Punkte ſeines Anfanges entfernet hat. Die ſatyriſche Vorſtellung jenes witzigen Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anfuͤh- rung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d. Wiſſenſchaften, die Einbildung von der nothwendi- gen Bevoͤlkerung aller Weltkoͤrper, auf der laͤcher- lichen Seite vorzuſtellen wuſte, kan nicht anders, als

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/244>, abgerufen am 23.11.2024.