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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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und Theorie des Himmels.
wenn sie sich nicht so genau auf eine gemeinschaftli-
Fläche bezögen.

Noch mehr, als alle diese Analogien, zeiget sich
das deutlichste Merkmaal von der Hand der Natur,
an dem Mangel der genauesten Bestimmung, in den-
jenigen Verhältnissen, die sie zu erreichen besirebt
gewesen. Wenn es am besten wäre, daß die Pla-
netenkreise beynahe auf eine gemeinschaftliche Fläche
gestellet wären, warum sind sie es nicht ganz genau?
und warum ist ein Theil derjenigen Abweichung
übrig geblieben, welche hat vermieden werden sol-
len? Wenn darum die der Laufbahne der Sönne
nahen Planeten, die der Attraction das Gleichge-
wicht haltende Grösse der Schwungskraft empfan-
gen haben, warum fehlet noch etwas an dieser völ-
ligen Gleichheit? und woher sind ihre Umläufe nicht
vollkommen Zirkelrund, wenn bloß die weiseste Ab-
sicht, durch das größte Vermögen unterstützet, die-
se Bestimmung hervorzubringen, getrachtet hat?
Jst es nicht klar einzusehen, daß diejenige Ursache,
welche die Laufbahnen der Himmelskörper gestellet
hat, indem sie selbige auf eine gemeinschaftliche Flä-
che zu bringen bestrebt gewesen, es nicht völlig hat
ausrichten können; ingleichen, daß die Kraft,
welche den Himmelsraum beherrschete, als alle Ma-
terie, die nunmehro in Kugeln gebildet ist, ihre
Umschwungsgeschwindigkeiten erhielt, sie zwar
nahe beym Mittelpunkte in ein Gleichgewicht mit
der senkenden Gewalt zu bringen getrachtet hat;
aber die völlige Genauheit nicht hat erreichen kön-

nen.
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und Theorie des Himmels.
wenn ſie ſich nicht ſo genau auf eine gemeinſchaftli-
Flaͤche bezoͤgen.

Noch mehr, als alle dieſe Analogien, zeiget ſich
das deutlichſte Merkmaal von der Hand der Natur,
an dem Mangel der genaueſten Beſtimmung, in den-
jenigen Verhaͤltniſſen, die ſie zu erreichen beſirebt
geweſen. Wenn es am beſten waͤre, daß die Pla-
netenkreiſe beynahe auf eine gemeinſchaftliche Flaͤche
geſtellet waͤren, warum ſind ſie es nicht ganz genau?
und warum iſt ein Theil derjenigen Abweichung
uͤbrig geblieben, welche hat vermieden werden ſol-
len? Wenn darum die der Laufbahne der Soͤnne
nahen Planeten, die der Attraction das Gleichge-
wicht haltende Groͤſſe der Schwungskraft empfan-
gen haben, warum fehlet noch etwas an dieſer voͤl-
ligen Gleichheit? und woher ſind ihre Umlaͤufe nicht
vollkommen Zirkelrund, wenn bloß die weiſeſte Ab-
ſicht, durch das groͤßte Vermoͤgen unterſtuͤtzet, die-
ſe Beſtimmung hervorzubringen, getrachtet hat?
Jſt es nicht klar einzuſehen, daß diejenige Urſache,
welche die Laufbahnen der Himmelskoͤrper geſtellet
hat, indem ſie ſelbige auf eine gemeinſchaftliche Flaͤ-
che zu bringen beſtrebt geweſen, es nicht voͤllig hat
ausrichten koͤnnen; ingleichen, daß die Kraft,
welche den Himmelsraum beherrſchete, als alle Ma-
terie, die nunmehro in Kugeln gebildet iſt, ihre
Umſchwungsgeſchwindigkeiten erhielt, ſie zwar
nahe beym Mittelpunkte in ein Gleichgewicht mit
der ſenkenden Gewalt zu bringen getrachtet hat;
aber die voͤllige Genauheit nicht hat erreichen koͤn-

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[153/0221] und Theorie des Himmels. wenn ſie ſich nicht ſo genau auf eine gemeinſchaftli- Flaͤche bezoͤgen. Noch mehr, als alle dieſe Analogien, zeiget ſich das deutlichſte Merkmaal von der Hand der Natur, an dem Mangel der genaueſten Beſtimmung, in den- jenigen Verhaͤltniſſen, die ſie zu erreichen beſirebt geweſen. Wenn es am beſten waͤre, daß die Pla- netenkreiſe beynahe auf eine gemeinſchaftliche Flaͤche geſtellet waͤren, warum ſind ſie es nicht ganz genau? und warum iſt ein Theil derjenigen Abweichung uͤbrig geblieben, welche hat vermieden werden ſol- len? Wenn darum die der Laufbahne der Soͤnne nahen Planeten, die der Attraction das Gleichge- wicht haltende Groͤſſe der Schwungskraft empfan- gen haben, warum fehlet noch etwas an dieſer voͤl- ligen Gleichheit? und woher ſind ihre Umlaͤufe nicht vollkommen Zirkelrund, wenn bloß die weiſeſte Ab- ſicht, durch das groͤßte Vermoͤgen unterſtuͤtzet, die- ſe Beſtimmung hervorzubringen, getrachtet hat? Jſt es nicht klar einzuſehen, daß diejenige Urſache, welche die Laufbahnen der Himmelskoͤrper geſtellet hat, indem ſie ſelbige auf eine gemeinſchaftliche Flaͤ- che zu bringen beſtrebt geweſen, es nicht voͤllig hat ausrichten koͤnnen; ingleichen, daß die Kraft, welche den Himmelsraum beherrſchete, als alle Ma- terie, die nunmehro in Kugeln gebildet iſt, ihre Umſchwungsgeſchwindigkeiten erhielt, ſie zwar nahe beym Mittelpunkte in ein Gleichgewicht mit der ſenkenden Gewalt zu bringen getrachtet hat; aber die voͤllige Genauheit nicht hat erreichen koͤn- nen. K 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/221>, abgerufen am 23.11.2024.