Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.und Theorie des Himmels. lich, die Zeugnisse des höchsten Wesens zu fassen,wo sie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes ver- bunden wird. Es ist wahr, die Ausbildung, die Form, die Schönheit und Vollkommenheit, sind Beziehungen der Grundstücke und der Substan- zen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und man bemerket es an den Anstalten, die die Weis- heit GOttes noch zu aller Zeit trifft; es ist ihr auch am gemässesten, daß sie sich, aus dieser ihren einge- pflanzten allgemeinen Gesetzen, durch eine ungezwun- gene Folge herauswickeln. Und daher kan man mit gutem Grunde setzen, daß die Anordnung und Ein- richtung der Weltgebäude, aus dem Vorrathe des erschaffenen Naturstoffes, in einer Folge der Zeit, nach und nach geschehe; allein, die Grundmate- rie selber, deren Eigenschaften und Kräfte allen Veränderungen zum Grunde liegen, ist eine un- mittelbare Folge des göttlichen Daseyns: selbige muß also auf einmal so reich, so vollständig seyn, daß die Entwickelung ihrer Zusammensetzungen in dem Abflusse der Ewigkeit sich über einen Plan aus- breiten könne, der alles in sich schliesset, was seyn kan, der kein Maaß annimmt, kurz, der unend- lich ist. Wenn gene Erläuterung, die vermeinte Schwierigkeit zu
heben, woferne man, bey genauer Erwegung, es noch als eine einer Erörterung bedürftige Fra- ge ansehen kan: ob dasjenige, was eine durch die höchste Weisheit begleitete Macht hervorge- bracht hat, sich zu offenbaren, zu demjenigen, was sie hat hervorbringen können, sich wie ei- ne Differenzialgrösse verhalte? und Theorie des Himmels. lich, die Zeugniſſe des hoͤchſten Weſens zu faſſen,wo ſie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes ver- bunden wird. Es iſt wahr, die Ausbildung, die Form, die Schoͤnheit und Vollkommenheit, ſind Beziehungen der Grundſtuͤcke und der Subſtan- zen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und man bemerket es an den Anſtalten, die die Weis- heit GOttes noch zu aller Zeit trifft; es iſt ihr auch am gemaͤſſeſten, daß ſie ſich, aus dieſer ihren einge- pflanzten allgemeinen Geſetzen, durch eine ungezwun- gene Folge herauswickeln. Und daher kan man mit gutem Grunde ſetzen, daß die Anordnung und Ein- richtung der Weltgebaͤude, aus dem Vorrathe des erſchaffenen Naturſtoffes, in einer Folge der Zeit, nach und nach geſchehe; allein, die Grundmate- rie ſelber, deren Eigenſchaften und Kraͤfte allen Veraͤnderungen zum Grunde liegen, iſt eine un- mittelbare Folge des goͤttlichen Daſeyns: ſelbige muß alſo auf einmal ſo reich, ſo vollſtaͤndig ſeyn, daß die Entwickelung ihrer Zuſammenſetzungen in dem Abfluſſe der Ewigkeit ſich uͤber einen Plan aus- breiten koͤnne, der alles in ſich ſchlieſſet, was ſeyn kan, der kein Maaß annimmt, kurz, der unend- lich iſt. Wenn gene Erlaͤuterung, die vermeinte Schwierigkeit zu
heben, woferne man, bey genauer Erwegung, es noch als eine einer Eroͤrterung beduͤrftige Fra- ge anſehen kan: ob dasjenige, was eine durch die hoͤchſte Weisheit begleitete Macht hervorge- bracht hat, ſich zu offenbaren, zu demjenigen, was ſie hat hervorbringen koͤnnen, ſich wie ei- ne Differenzialgroͤſſe verhalte? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0175" n="107"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi></fw><lb/> lich, die Zeugniſſe des hoͤchſten Weſens zu faſſen,<lb/> wo ſie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes ver-<lb/> bunden wird. Es iſt wahr, die Ausbildung, die<lb/> Form, die Schoͤnheit und Vollkommenheit, ſind<lb/> Beziehungen der Grundſtuͤcke und der Subſtan-<lb/> zen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und<lb/> man bemerket es an den Anſtalten, die die Weis-<lb/> heit GOttes noch zu aller Zeit trifft; es iſt ihr auch<lb/> am gemaͤſſeſten, daß ſie ſich, aus dieſer ihren einge-<lb/> pflanzten allgemeinen Geſetzen, durch eine ungezwun-<lb/> gene Folge herauswickeln. Und daher kan man mit<lb/> gutem Grunde ſetzen, daß die Anordnung und Ein-<lb/> richtung der Weltgebaͤude, aus dem Vorrathe des<lb/> erſchaffenen Naturſtoffes, in einer Folge der Zeit,<lb/> nach und nach geſchehe; allein, die Grundmate-<lb/> rie ſelber, deren Eigenſchaften und Kraͤfte allen<lb/> Veraͤnderungen zum Grunde liegen, iſt eine un-<lb/> mittelbare Folge des goͤttlichen Daſeyns: ſelbige<lb/> muß alſo auf einmal ſo reich, ſo vollſtaͤndig ſeyn,<lb/> daß die Entwickelung ihrer Zuſammenſetzungen in<lb/> dem Abfluſſe der Ewigkeit ſich uͤber einen Plan aus-<lb/> breiten koͤnne, der alles in ſich ſchlieſſet, was ſeyn<lb/> kan, der kein Maaß annimmt, kurz, der unend-<lb/> lich iſt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="(*)">gene Erlaͤuterung, die vermeinte Schwierigkeit zu<lb/> heben, woferne man, bey genauer Erwegung,<lb/> es noch als eine einer Eroͤrterung beduͤrftige Fra-<lb/> ge anſehen kan: ob dasjenige, was eine durch<lb/> die hoͤchſte Weisheit begleitete Macht <hi rendition="#fr">hervorge-<lb/> bracht hat,</hi> ſich zu offenbaren, zu demjenigen,<lb/> was ſie hat <hi rendition="#fr">hervorbringen koͤnnen,</hi> ſich wie ei-<lb/> ne Differenzialgroͤſſe verhalte?</note> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0175]
und Theorie des Himmels.
lich, die Zeugniſſe des hoͤchſten Weſens zu faſſen,
wo ſie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes ver-
bunden wird. Es iſt wahr, die Ausbildung, die
Form, die Schoͤnheit und Vollkommenheit, ſind
Beziehungen der Grundſtuͤcke und der Subſtan-
zen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und
man bemerket es an den Anſtalten, die die Weis-
heit GOttes noch zu aller Zeit trifft; es iſt ihr auch
am gemaͤſſeſten, daß ſie ſich, aus dieſer ihren einge-
pflanzten allgemeinen Geſetzen, durch eine ungezwun-
gene Folge herauswickeln. Und daher kan man mit
gutem Grunde ſetzen, daß die Anordnung und Ein-
richtung der Weltgebaͤude, aus dem Vorrathe des
erſchaffenen Naturſtoffes, in einer Folge der Zeit,
nach und nach geſchehe; allein, die Grundmate-
rie ſelber, deren Eigenſchaften und Kraͤfte allen
Veraͤnderungen zum Grunde liegen, iſt eine un-
mittelbare Folge des goͤttlichen Daſeyns: ſelbige
muß alſo auf einmal ſo reich, ſo vollſtaͤndig ſeyn,
daß die Entwickelung ihrer Zuſammenſetzungen in
dem Abfluſſe der Ewigkeit ſich uͤber einen Plan aus-
breiten koͤnne, der alles in ſich ſchlieſſet, was ſeyn
kan, der kein Maaß annimmt, kurz, der unend-
lich iſt.
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(*) gene Erlaͤuterung, die vermeinte Schwierigkeit zu
heben, woferne man, bey genauer Erwegung,
es noch als eine einer Eroͤrterung beduͤrftige Fra-
ge anſehen kan: ob dasjenige, was eine durch
die hoͤchſte Weisheit begleitete Macht hervorge-
bracht hat, ſich zu offenbaren, zu demjenigen,
was ſie hat hervorbringen koͤnnen, ſich wie ei-
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Zitationshilfe: | Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/175>, abgerufen am 15.08.2024. |