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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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Allgemeine Naturgeschichte
Mangel der Ausübung verschlossen, zu gedenken.
Jst es nicht vielmehr anständiger, oder besser zu sa-
gen, ist es nicht nothwendig, den Jnbegriff der
Schöpfung also anzustellen, als er seyn muß, um
ein Zeugniß von derjenigen Macht zu seyn, die
durch keinen Maaßstab kan abgemessen werden?
Aus diesem Grunde ist das Feld der Offenbarung
göttlicher Eigenschaften eben so unendlich, als die-
se selber sind (*). Die Ewigkeit ist nicht hinläng-

lich,
(*) Der Begriff einer unendlichen Ausdehnung der
Welt findet unter den Metaphysikkündigern
Gegner, und hat nur neulich an dem Herrn M.
Weitenkampf einen gefunden. Wenn diese Her-
ren, wegen der angeblichen Unmöglichkeit einer
Menge ohne Zahl und Grenzen, sich zu dieser
Jdee nicht beqvemen können so wolte ich nur
vorläufig fragen: ob die künftige Folge der
Ewigkeit nicht eine wahre Unendlichkeit von Man-
nigfaltigkeiten und Veränderungen in sich fassen
wird? und ob diese unendliche Reihe nicht auf
einmal schon jetzo dem göttlichen Verstande gänz-
lich gegenwärtig sey? Wenn es nun möglich
war, daß GOtt den Begriff der Unendlichkeit,
der seinem Verstande auf einmal darstehet, in ei-
ner auf einander folgenden Reihe würklich ma-
chen kan: warum solte derselbe nicht den Begriff
einer andern Unendlichkeit in einem, dem Raume
nach, verbundenen Zusammenhange darstellen,
und dadurch den Umfang der Welt ohne Grenzen
machen können? Jndessen, daß man diese Fra-
ge wird zu beantworten suchen, so werde mich
der Gelegenheit, die sich darbieten wird, bedie-
nen, durch eine aus der Natur der Zahlen gezo-
gene

Allgemeine Naturgeſchichte
Mangel der Ausuͤbung verſchloſſen, zu gedenken.
Jſt es nicht vielmehr anſtaͤndiger, oder beſſer zu ſa-
gen, iſt es nicht nothwendig, den Jnbegriff der
Schoͤpfung alſo anzuſtellen, als er ſeyn muß, um
ein Zeugniß von derjenigen Macht zu ſeyn, die
durch keinen Maaßſtab kan abgemeſſen werden?
Aus dieſem Grunde iſt das Feld der Offenbarung
goͤttlicher Eigenſchaften eben ſo unendlich, als die-
ſe ſelber ſind (*). Die Ewigkeit iſt nicht hinlaͤng-

lich,
(*) Der Begriff einer unendlichen Ausdehnung der
Welt findet unter den Metaphyſikkuͤndigern
Gegner, und hat nur neulich an dem Herrn M.
Weitenkampf einen gefunden. Wenn dieſe Her-
ren, wegen der angeblichen Unmoͤglichkeit einer
Menge ohne Zahl und Grenzen, ſich zu dieſer
Jdee nicht beqvemen koͤnnen ſo wolte ich nur
vorlaͤufig fragen: ob die kuͤnftige Folge der
Ewigkeit nicht eine wahre Unendlichkeit von Man-
nigfaltigkeiten und Veraͤnderungen in ſich faſſen
wird? und ob dieſe unendliche Reihe nicht auf
einmal ſchon jetzo dem goͤttlichen Verſtande gaͤnz-
lich gegenwaͤrtig ſey? Wenn es nun moͤglich
war, daß GOtt den Begriff der Unendlichkeit,
der ſeinem Verſtande auf einmal darſtehet, in ei-
ner auf einander folgenden Reihe wuͤrklich ma-
chen kan: warum ſolte derſelbe nicht den Begriff
einer andern Unendlichkeit in einem, dem Raume
nach, verbundenen Zuſammenhange darſtellen,
und dadurch den Umfang der Welt ohne Grenzen
machen koͤnnen? Jndeſſen, daß man dieſe Fra-
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der Gelegenheit, die ſich darbieten wird, bedie-
nen, durch eine aus der Natur der Zahlen gezo-
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[106/0174] Allgemeine Naturgeſchichte Mangel der Ausuͤbung verſchloſſen, zu gedenken. Jſt es nicht vielmehr anſtaͤndiger, oder beſſer zu ſa- gen, iſt es nicht nothwendig, den Jnbegriff der Schoͤpfung alſo anzuſtellen, als er ſeyn muß, um ein Zeugniß von derjenigen Macht zu ſeyn, die durch keinen Maaßſtab kan abgemeſſen werden? Aus dieſem Grunde iſt das Feld der Offenbarung goͤttlicher Eigenſchaften eben ſo unendlich, als die- ſe ſelber ſind (*). Die Ewigkeit iſt nicht hinlaͤng- lich, (*) Der Begriff einer unendlichen Ausdehnung der Welt findet unter den Metaphyſikkuͤndigern Gegner, und hat nur neulich an dem Herrn M. Weitenkampf einen gefunden. Wenn dieſe Her- ren, wegen der angeblichen Unmoͤglichkeit einer Menge ohne Zahl und Grenzen, ſich zu dieſer Jdee nicht beqvemen koͤnnen ſo wolte ich nur vorlaͤufig fragen: ob die kuͤnftige Folge der Ewigkeit nicht eine wahre Unendlichkeit von Man- nigfaltigkeiten und Veraͤnderungen in ſich faſſen wird? und ob dieſe unendliche Reihe nicht auf einmal ſchon jetzo dem goͤttlichen Verſtande gaͤnz- lich gegenwaͤrtig ſey? Wenn es nun moͤglich war, daß GOtt den Begriff der Unendlichkeit, der ſeinem Verſtande auf einmal darſtehet, in ei- ner auf einander folgenden Reihe wuͤrklich ma- chen kan: warum ſolte derſelbe nicht den Begriff einer andern Unendlichkeit in einem, dem Raume nach, verbundenen Zuſammenhange darſtellen, und dadurch den Umfang der Welt ohne Grenzen machen koͤnnen? Jndeſſen, daß man dieſe Fra- ge wird zu beantworten ſuchen, ſo werde mich der Gelegenheit, die ſich darbieten wird, bedie- nen, durch eine aus der Natur der Zahlen gezo- gene

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/174>, abgerufen am 24.11.2024.