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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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fest zusammengehaltenes, rötliches Haar. Er glaubte, sie werde ihm den Blick zuwenden, aber sie sagte in unveränderter Haltung: "Verzeihen Sie, ich bin durch das plötzliche Klopfen erschreckt worden, nicht so sehr durch die Folgen, die die Anwesenheit des Hauptmanns haben könnte. Es war so still nach Ihrem Schrei und da klopfte es, deshalb bin ich so erschrocken, ich saß auch in der Nähe der Tür, es klopfte fast neben mir. Für Ihre Vorschläge danke ich, aber ich nehme sie nicht an. Ich kann für alles, was in meinem Zimmer geschieht, die Verantwortung tragen, und zwar gegenüber jedem. Ich wundere mich, daß Sie nicht merken, was für eine Beleidigung für mich in Ihren Vorschlägen liegt, neben den guten Absichten natürlich, die ich gewiß anerkenne. Aber nun gehen Sie, lassen Sie mich allein, ich habe es jetzt noch nötiger als früher. Aus den paar Minuten, um die Sie gebeten haben, ist nun eine halbe Stunde und mehr geworden." K. faßte sie bei der Hand und dann beim Handgelenk: "Sie sind mir aber nicht böse?" sagte er. Sie streifte seine Hand ab und antwortete: "Nein, nein, ich bin niemals und niemandem böse." Er faßte wieder

fest zusammengehaltenes, rötliches Haar. Er glaubte, sie werde ihm den Blick zuwenden, aber sie sagte in unveränderter Haltung: „Verzeihen Sie, ich bin durch das plötzliche Klopfen erschreckt worden, nicht so sehr durch die Folgen, die die Anwesenheit des Hauptmanns haben könnte. Es war so still nach Ihrem Schrei und da klopfte es, deshalb bin ich so erschrocken, ich saß auch in der Nähe der Tür, es klopfte fast neben mir. Für Ihre Vorschläge danke ich, aber ich nehme sie nicht an. Ich kann für alles, was in meinem Zimmer geschieht, die Verantwortung tragen, und zwar gegenüber jedem. Ich wundere mich, daß Sie nicht merken, was für eine Beleidigung für mich in Ihren Vorschlägen liegt, neben den guten Absichten natürlich, die ich gewiß anerkenne. Aber nun gehen Sie, lassen Sie mich allein, ich habe es jetzt noch nötiger als früher. Aus den paar Minuten, um die Sie gebeten haben, ist nun eine halbe Stunde und mehr geworden.“ K. faßte sie bei der Hand und dann beim Handgelenk: „Sie sind mir aber nicht böse?“ sagte er. Sie streifte seine Hand ab und antwortete: „Nein, nein, ich bin niemals und niemandem böse.“ Er faßte wieder

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[51/0053] fest zusammengehaltenes, rötliches Haar. Er glaubte, sie werde ihm den Blick zuwenden, aber sie sagte in unveränderter Haltung: „Verzeihen Sie, ich bin durch das plötzliche Klopfen erschreckt worden, nicht so sehr durch die Folgen, die die Anwesenheit des Hauptmanns haben könnte. Es war so still nach Ihrem Schrei und da klopfte es, deshalb bin ich so erschrocken, ich saß auch in der Nähe der Tür, es klopfte fast neben mir. Für Ihre Vorschläge danke ich, aber ich nehme sie nicht an. Ich kann für alles, was in meinem Zimmer geschieht, die Verantwortung tragen, und zwar gegenüber jedem. Ich wundere mich, daß Sie nicht merken, was für eine Beleidigung für mich in Ihren Vorschlägen liegt, neben den guten Absichten natürlich, die ich gewiß anerkenne. Aber nun gehen Sie, lassen Sie mich allein, ich habe es jetzt noch nötiger als früher. Aus den paar Minuten, um die Sie gebeten haben, ist nun eine halbe Stunde und mehr geworden.“ K. faßte sie bei der Hand und dann beim Handgelenk: „Sie sind mir aber nicht böse?“ sagte er. Sie streifte seine Hand ab und antwortete: „Nein, nein, ich bin niemals und niemandem böse.“ Er faßte wieder

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/53>, abgerufen am 19.04.2024.