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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. "Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?" fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. "Leni hat es mir eingeräumt," antwortete der Kaufmann, "es ist sehr vorteilhaft." K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. "Bring ihn doch ins Bett," rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: "Herr Prokurist," K. wandte sich mit bösem Gesichte um. "Sie haben Ihr Versprechen vergessen," sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. "Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. "Wahrhaftig," sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, "also hören

ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. „Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?“ fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. „Leni hat es mir eingeräumt,“ antwortete der Kaufmann, „es ist sehr vorteilhaft.“ K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. „Bring ihn doch ins Bett,“ rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: „Herr Prokurist,“ K. wandte sich mit bösem Gesichte um. „Sie haben Ihr Versprechen vergessen,“ sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. „Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. „Wahrhaftig,“ sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, „also hören

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[319/0321] ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. „Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?“ fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. „Leni hat es mir eingeräumt,“ antwortete der Kaufmann, „es ist sehr vorteilhaft.“ K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. „Bring ihn doch ins Bett,“ rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: „Herr Prokurist,“ K. wandte sich mit bösem Gesichte um. „Sie haben Ihr Versprechen vergessen,“ sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. „Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. „Wahrhaftig,“ sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, „also hören

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/321>, abgerufen am 03.05.2024.