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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungshäutchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte. K. merkte im Dunkel nicht gleich, was sie ihm zeigen wollte, sie führte deshalb seine Hand hin, damit er es abtaste. "Was für ein Naturspiel," sagte K. und fügte, als er die ganze Hand überblickt hatte, hinzu. "Was für eine hübsche Kralle!" Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schließlich flüchtig küßte und losließ. "Oh!" rief sie aber sofort, "Sie haben mich geküßt!" Eilig, mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen Schoß, K. sah fast bestürzt zu ihr auf, jetzt, da sie ihm so nahe war, ging ein bitterer anfeurender Geruch wie von Pfeffer von ihr aus, sie nahm seinen Kopf an sich, beugte sich über ihn hinweg und biß und küßte seinen Hals, biß selbst in seine Haare. "Sie haben mich eingetauscht," rief sie von Zeit zu Zeit, "sehen Sie, nun haben Sie mich doch eingetauscht!" Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfaßte sie, um sie noch zu halten, und wurde

ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungshäutchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte. K. merkte im Dunkel nicht gleich, was sie ihm zeigen wollte, sie führte deshalb seine Hand hin, damit er es abtaste. „Was für ein Naturspiel,“ sagte K. und fügte, als er die ganze Hand überblickt hatte, hinzu. „Was für eine hübsche Kralle!“ Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schließlich flüchtig küßte und losließ. „Oh!“ rief sie aber sofort, „Sie haben mich geküßt!“ Eilig, mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen Schoß, K. sah fast bestürzt zu ihr auf, jetzt, da sie ihm so nahe war, ging ein bitterer anfeurender Geruch wie von Pfeffer von ihr aus, sie nahm seinen Kopf an sich, beugte sich über ihn hinweg und biß und küßte seinen Hals, biß selbst in seine Haare. „Sie haben mich eingetauscht,“ rief sie von Zeit zu Zeit, „sehen Sie, nun haben Sie mich doch eingetauscht!“ Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfaßte sie, um sie noch zu halten, und wurde

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[191/0193] ihrer rechten Hand auseinander, zwischen denen das Verbindungshäutchen fast bis zum obersten Gelenk der kurzen Finger reichte. K. merkte im Dunkel nicht gleich, was sie ihm zeigen wollte, sie führte deshalb seine Hand hin, damit er es abtaste. „Was für ein Naturspiel,“ sagte K. und fügte, als er die ganze Hand überblickt hatte, hinzu. „Was für eine hübsche Kralle!“ Mit einer Art Stolz sah Leni zu, wie K. staunend immer wieder ihre zwei Finger auseinanderzog und zusammenlegte, bis er sie schließlich flüchtig küßte und losließ. „Oh!“ rief sie aber sofort, „Sie haben mich geküßt!“ Eilig, mit offenem Mund erkletterte sie mit den Knien seinen Schoß, K. sah fast bestürzt zu ihr auf, jetzt, da sie ihm so nahe war, ging ein bitterer anfeurender Geruch wie von Pfeffer von ihr aus, sie nahm seinen Kopf an sich, beugte sich über ihn hinweg und biß und küßte seinen Hals, biß selbst in seine Haare. „Sie haben mich eingetauscht,“ rief sie von Zeit zu Zeit, „sehen Sie, nun haben Sie mich doch eingetauscht!“ Da glitt ihr Knie aus, mit einem kleinen Schrei fiel sie fast auf den Teppich, K. umfaßte sie, um sie noch zu halten, und wurde

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/193>, abgerufen am 23.04.2024.