Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie," rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, "es sind Freunde des Herrn Advokaten." "Der Herr Advokat ist krank," flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: "Krank? Sie sagen, er ist krank?" und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. "Man hat schon geöffnet," sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen - K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder - stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. "Nächstens öffnen Sie früher," sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. "Komm, Josef," sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. "Der Herr Advokat ist krank," sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

Sie,“ rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, „es sind Freunde des Herrn Advokaten.“ „Der Herr Advokat ist krank,“ flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: „Krank? Sie sagen, er ist krank?“ und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. „Man hat schon geöffnet,“ sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder – stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. „Nächstens öffnen Sie früher,“ sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. „Komm, Josef,“ sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. „Der Herr Advokat ist krank,“ sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="171"/>
Sie,&#x201C; rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, &#x201E;es sind Freunde des Herrn Advokaten.&#x201C; &#x201E;Der Herr Advokat ist krank,&#x201C; flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: &#x201E;Krank? Sie sagen, er ist krank?&#x201C; und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. &#x201E;Man hat schon geöffnet,&#x201C; sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen &#x2013; K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder &#x2013; stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. &#x201E;Nächstens öffnen Sie früher,&#x201C; sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. &#x201E;Komm, Josef,&#x201C; sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. &#x201E;Der Herr Advokat ist krank,&#x201C; sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0173] Sie,“ rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, „es sind Freunde des Herrn Advokaten.“ „Der Herr Advokat ist krank,“ flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: „Krank? Sie sagen, er ist krank?“ und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. „Man hat schon geöffnet,“ sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder – stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. „Nächstens öffnen Sie früher,“ sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. „Komm, Josef,“ sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. „Der Herr Advokat ist krank,“ sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/173
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/173>, abgerufen am 28.03.2024.