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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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Sie," rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, "es sind Freunde des Herrn Advokaten." "Der Herr Advokat ist krank," flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: "Krank? Sie sagen, er ist krank?" und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. "Man hat schon geöffnet," sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen - K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder - stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. "Nächstens öffnen Sie früher," sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. "Komm, Josef," sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. "Der Herr Advokat ist krank," sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

Sie,“ rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, „es sind Freunde des Herrn Advokaten.“ „Der Herr Advokat ist krank,“ flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: „Krank? Sie sagen, er ist krank?“ und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. „Man hat schon geöffnet,“ sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder – stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. „Nächstens öffnen Sie früher,“ sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. „Komm, Josef,“ sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. „Der Herr Advokat ist krank,“ sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

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[171/0173] Sie,“ rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die Tür, „es sind Freunde des Herrn Advokaten.“ „Der Herr Advokat ist krank,“ flüsterte es hinter ihnen. In einer Tür am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit äußerst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens wütend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: „Krank? Sie sagen, er ist krank?“ und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. „Man hat schon geöffnet,“ sagte der Herr, zeigte auf die Tür des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die Tür war wirklich geöffnet worden, ein junges Mädchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgewälzten Augen wieder – stand in langer weißer Schürze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. „Nächstens öffnen Sie früher,“ sagte der Onkel statt einer Begrüßung, während das Mädchen einen kleinen Knix machte. „Komm, Josef,“ sagte er dann zu K., der sich langsam an dem Mädchen vorüberschob. „Der Herr Advokat ist krank,“ sagte das Mädchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine Tür zueilte. K. staunte

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/173>, abgerufen am 22.11.2024.