Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.läßt," sagte K. und zog, ohne den Prügler nochmals anzusehn - solche Geschäfte werden beiderseits mit niedergeschlagenen Augen am besten abgewickelt - seine Brieftasche hervor. "Du willst wohl dann auch mich anzeigen," sagte der Prügler, "und auch noch mir Prügel verschaffen. Nein, nein!" "Sei doch vernünftig," sagte K., "wenn ich gewollt hätte, daß diese zwei bestraft werden, würde ich sie doch jetzt nicht loskaufen wollen. Ich könnte einfach die Tür hier zuschlagen, nichts weiter sehn und hören wollen und nach Hause gehn; nun tue ich das aber nicht, vielmehr liegt mir ernstlich daran, sie zu befreien; hätte ich geahnt, daß sie bestraft werden sollen oder auch nur bestraft werden können, hätte ich ihre Namen nie genannt. Ich halte sie nämlich gar nicht für schuldig, schuldig ist die Organisation, schuldig sind die hohen Beamten." "So ist es," riefen die Wächter und bekamen sofort einen Hieb über ihren schon entkleideten Rücken. "Hättest du hier unter deiner Rute einen hohen Richter," sagte K. und drückte, während er sprach, die Rute, die sich schon wieder erheben wollte, nieder, "ich würde dich wahrhaftig nicht hindern, loszuschlagen, läßt,“ sagte K. und zog, ohne den Prügler nochmals anzusehn – solche Geschäfte werden beiderseits mit niedergeschlagenen Augen am besten abgewickelt – seine Brieftasche hervor. „Du willst wohl dann auch mich anzeigen,“ sagte der Prügler, „und auch noch mir Prügel verschaffen. Nein, nein!“ „Sei doch vernünftig,“ sagte K., „wenn ich gewollt hätte, daß diese zwei bestraft werden, würde ich sie doch jetzt nicht loskaufen wollen. Ich könnte einfach die Tür hier zuschlagen, nichts weiter sehn und hören wollen und nach Hause gehn; nun tue ich das aber nicht, vielmehr liegt mir ernstlich daran, sie zu befreien; hätte ich geahnt, daß sie bestraft werden sollen oder auch nur bestraft werden können, hätte ich ihre Namen nie genannt. Ich halte sie nämlich gar nicht für schuldig, schuldig ist die Organisation, schuldig sind die hohen Beamten.“ „So ist es,“ riefen die Wächter und bekamen sofort einen Hieb über ihren schon entkleideten Rücken. „Hättest du hier unter deiner Rute einen hohen Richter,“ sagte K. und drückte, während er sprach, die Rute, die sich schon wieder erheben wollte, nieder, „ich würde dich wahrhaftig nicht hindern, loszuschlagen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="148"/> läßt,“ sagte K. und zog, ohne den Prügler nochmals anzusehn – solche Geschäfte werden beiderseits mit niedergeschlagenen Augen am besten abgewickelt – seine Brieftasche hervor. „Du willst wohl dann auch mich anzeigen,“ sagte der Prügler, „und auch noch mir Prügel verschaffen. Nein, nein!“ „Sei doch vernünftig,“ sagte K., „wenn ich gewollt hätte, daß diese zwei bestraft werden, würde ich sie doch jetzt nicht loskaufen wollen. Ich könnte einfach die Tür hier zuschlagen, nichts weiter sehn und hören wollen und nach Hause gehn; nun tue ich das aber nicht, vielmehr liegt mir ernstlich daran, sie zu befreien; hätte ich geahnt, daß sie bestraft werden sollen oder auch nur bestraft werden können, hätte ich ihre Namen nie genannt. Ich halte sie nämlich gar nicht für schuldig, schuldig ist die Organisation, schuldig sind die hohen Beamten.“ „So ist es,“ riefen die Wächter und bekamen sofort einen Hieb über ihren schon entkleideten Rücken. „Hättest du hier unter deiner Rute einen hohen Richter,“ sagte K. und drückte, während er sprach, die Rute, die sich schon wieder erheben wollte, nieder, „ich würde dich wahrhaftig nicht hindern, loszuschlagen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0150]
läßt,“ sagte K. und zog, ohne den Prügler nochmals anzusehn – solche Geschäfte werden beiderseits mit niedergeschlagenen Augen am besten abgewickelt – seine Brieftasche hervor. „Du willst wohl dann auch mich anzeigen,“ sagte der Prügler, „und auch noch mir Prügel verschaffen. Nein, nein!“ „Sei doch vernünftig,“ sagte K., „wenn ich gewollt hätte, daß diese zwei bestraft werden, würde ich sie doch jetzt nicht loskaufen wollen. Ich könnte einfach die Tür hier zuschlagen, nichts weiter sehn und hören wollen und nach Hause gehn; nun tue ich das aber nicht, vielmehr liegt mir ernstlich daran, sie zu befreien; hätte ich geahnt, daß sie bestraft werden sollen oder auch nur bestraft werden können, hätte ich ihre Namen nie genannt. Ich halte sie nämlich gar nicht für schuldig, schuldig ist die Organisation, schuldig sind die hohen Beamten.“ „So ist es,“ riefen die Wächter und bekamen sofort einen Hieb über ihren schon entkleideten Rücken. „Hättest du hier unter deiner Rute einen hohen Richter,“ sagte K. und drückte, während er sprach, die Rute, die sich schon wieder erheben wollte, nieder, „ich würde dich wahrhaftig nicht hindern, loszuschlagen,
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