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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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wieder zurückkam, sagte sie: "Ich möchte nur im Auftrag meiner Freundin ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Sie wollte selbst kommen, aber sie fühlt sich heute ein wenig unwohl. Sie möchten sie entschuldigen und mich statt ihrer anhören. Sie hätte Ihnen auch nichts anderes sagen können, als ich Ihnen sagen werde. Im Gegenteil, ich glaube, ich kann Ihnen sogar mehr sagen, da ich doch verhältnismäßig unbeteiligt bin. Glauben Sie nicht auch?"

"Was wäre denn zu sagen?" antwortete K., der dessen müde war, die Augen des Fräulein Montag fortwährend auf seine Lippe gerichtet zu sehn. Sie maßte sich dadurch eine Herrschaft schon darüber an, was er erst sagen wollte. "Fräulein Bürstner will mir offenbar die persönliche Aussprache, um die ich sie gebeten habe, nicht bewilligen." "Das ist es," sagte Fräulein Montag, "oder vielmehr, so ist es gar nicht, Sie drücken es sonderbar scharf aus. Im allgemeinen werden doch Aussprachen weder bewilligt, noch geschieht das Gegenteil. Aber es kann geschehn, daß man Aussprachen für unnötig hält und so ist es eben hier. Jetzt, nach Ihrer Bemerkung kann ich ja offen reden. Sie haben

wieder zurückkam, sagte sie: „Ich möchte nur im Auftrag meiner Freundin ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Sie wollte selbst kommen, aber sie fühlt sich heute ein wenig unwohl. Sie möchten sie entschuldigen und mich statt ihrer anhören. Sie hätte Ihnen auch nichts anderes sagen können, als ich Ihnen sagen werde. Im Gegenteil, ich glaube, ich kann Ihnen sogar mehr sagen, da ich doch verhältnismäßig unbeteiligt bin. Glauben Sie nicht auch?“

„Was wäre denn zu sagen?“ antwortete K., der dessen müde war, die Augen des Fräulein Montag fortwährend auf seine Lippe gerichtet zu sehn. Sie maßte sich dadurch eine Herrschaft schon darüber an, was er erst sagen wollte. „Fräulein Bürstner will mir offenbar die persönliche Aussprache, um die ich sie gebeten habe, nicht bewilligen.“ „Das ist es,“ sagte Fräulein Montag, „oder vielmehr, so ist es gar nicht, Sie drücken es sonderbar scharf aus. Im allgemeinen werden doch Aussprachen weder bewilligt, noch geschieht das Gegenteil. Aber es kann geschehn, daß man Aussprachen für unnötig hält und so ist es eben hier. Jetzt, nach Ihrer Bemerkung kann ich ja offen reden. Sie haben

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[137/0139] wieder zurückkam, sagte sie: „Ich möchte nur im Auftrag meiner Freundin ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Sie wollte selbst kommen, aber sie fühlt sich heute ein wenig unwohl. Sie möchten sie entschuldigen und mich statt ihrer anhören. Sie hätte Ihnen auch nichts anderes sagen können, als ich Ihnen sagen werde. Im Gegenteil, ich glaube, ich kann Ihnen sogar mehr sagen, da ich doch verhältnismäßig unbeteiligt bin. Glauben Sie nicht auch?“ „Was wäre denn zu sagen?“ antwortete K., der dessen müde war, die Augen des Fräulein Montag fortwährend auf seine Lippe gerichtet zu sehn. Sie maßte sich dadurch eine Herrschaft schon darüber an, was er erst sagen wollte. „Fräulein Bürstner will mir offenbar die persönliche Aussprache, um die ich sie gebeten habe, nicht bewilligen.“ „Das ist es,“ sagte Fräulein Montag, „oder vielmehr, so ist es gar nicht, Sie drücken es sonderbar scharf aus. Im allgemeinen werden doch Aussprachen weder bewilligt, noch geschieht das Gegenteil. Aber es kann geschehn, daß man Aussprachen für unnötig hält und so ist es eben hier. Jetzt, nach Ihrer Bemerkung kann ich ja offen reden. Sie haben

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/139>, abgerufen am 29.03.2024.