nicht die Mühe gemacht würde, die Landessprache zu lernen, und damit sie also auch von allem, was die innere Einrichtung des Handels, die Verfassung der Provinzen des Reichs betrift, und überhaupt was im Reiche vorgeht, schlechterdings keine Kentnis sich erwerben können, und alles glauben müssen, was ihnen gesagt wird.
Man hat eine so große Zahl von diesen Dolmetschern angestelt, theils um dadurch desto mehr Japaner auf unsre Kosten zu unterhalten, theils auch um uns desto genauer in der Handelszeit beobachten zu können. Die genaue Prüfung dieser Geselschaft ist ein Mu- ster andrer eben sowohl eingerichteter Zünfte im Lande, weswegen ich sie auch hernach mit- theilen werde. Jch verspare auch bis ins folgende Kapitel, wegen der nähern Verbindung mit der Materie vom jährlichen Handel, von den Desima Fisja d. i. Schreiber von Desima; Tsijetzki oder Aufsehern der Tagelöhner, wie auch von den Cannaba Nakama oder den Geldkammerbedienten zu reden.
Aber außer den bisher beschriebnen Bedienten gehören nun noch hieher, eine andre beschworne Zunft der Kai mono tskai oder auf halb portugiesisch der Compra Nakama, welches ihr gewöhnlichster Name ist. Diese Zunft besteht aus den siebzehn Bürgern oder Familien, die Alles, was zu täglicher Kost, Trank, Hausrath, auch zu allen andern Din- gen unnöthig und nicht erlaubt ist, anschaffen müssen. Jedem andern ist es schlechterdings verboten uns das Mindeste auf irgend eine Art zuzubringen; wir müssen also von dieser Zunft alle unsre Bedürfnisse zwei- oder dreimal theurer kaufen, als der jedesmalige Markt- preis ist. Auch unsre Tugend und Religion vergessende junge Leute pflegen das Vergnügen einer Nacht von dieser Zunft mit fünf Thalern zu bezahlen, und zwar für Subjecte, die jeden Andern vor zwei bis drei Maas bedienen. Der Hurenwirth zieht nur eine Sjümome d. i. ein Drittheil von dem Gewin, das Uebrige fält der algemeinen Casse der Zunft zu, theils als Vortheil, theils um einige Knechte zu unterhalten, welche die Braut zum Tanz führen.
Hierauf folgen die Daidokoro no mono oder Küchenbediente. Sie bestehn in drei Köchen, welche monatlich mit ihrer Aufwartung alterniren, mit 24 Sjumome be- lohnt werden, und zween gemeinen Küchenknechten, welchen dann noch ein oder mehr Lehrlinge, (die gemeiniglich Söhne der vorigen und ihre künftige Nachfolger sind) Wasserträger und Knechte behülflich sind. Außer der Handelszeit sind hier also mehr Köche als holländische Esser, und die Tafel kostet hier weit mehr zu unterhalten, als in Europa. Diese Küch- einrichtung darf auch ohne Erlaubnis des Gouverneurs nicht verändert und mit unsern eignen Leuten bestelt werden. Ehemals bekamen diese Köche ihren Sold monatlich, nemlich der erste sechs, der zweite vier, der dritte drei Tails. Seit 1674 aber hat man ihnen einen jährlichen Sold bestimmen müssen und zwar dem ältesten 150, dem zweiten 130, dem dritten 100 Tails.
Außer
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
nicht die Muͤhe gemacht wuͤrde, die Landesſprache zu lernen, und damit ſie alſo auch von allem, was die innere Einrichtung des Handels, die Verfaſſung der Provinzen des Reichs betrift, und uͤberhaupt was im Reiche vorgeht, ſchlechterdings keine Kentnis ſich erwerben koͤnnen, und alles glauben muͤſſen, was ihnen geſagt wird.
Man hat eine ſo große Zahl von dieſen Dolmetſchern angeſtelt, theils um dadurch deſto mehr Japaner auf unſre Koſten zu unterhalten, theils auch um uns deſto genauer in der Handelszeit beobachten zu koͤnnen. Die genaue Pruͤfung dieſer Geſelſchaft iſt ein Mu- ſter andrer eben ſowohl eingerichteter Zuͤnfte im Lande, weswegen ich ſie auch hernach mit- theilen werde. Jch verſpare auch bis ins folgende Kapitel, wegen der naͤhern Verbindung mit der Materie vom jaͤhrlichen Handel, von den Deſima Fisja d. i. Schreiber von Deſima; Tſijetzki oder Aufſehern der Tageloͤhner, wie auch von den Cannaba Nakama oder den Geldkammerbedienten zu reden.
Aber außer den bisher beſchriebnen Bedienten gehoͤren nun noch hieher, eine andre beſchworne Zunft der Kai mono tſkai oder auf halb portugieſiſch der Compra Nakama, welches ihr gewoͤhnlichſter Name iſt. Dieſe Zunft beſteht aus den ſiebzehn Buͤrgern oder Familien, die Alles, was zu taͤglicher Koſt, Trank, Hausrath, auch zu allen andern Din- gen unnoͤthig und nicht erlaubt iſt, anſchaffen muͤſſen. Jedem andern iſt es ſchlechterdings verboten uns das Mindeſte auf irgend eine Art zuzubringen; wir muͤſſen alſo von dieſer Zunft alle unſre Beduͤrfniſſe zwei- oder dreimal theurer kaufen, als der jedesmalige Markt- preis iſt. Auch unſre Tugend und Religion vergeſſende junge Leute pflegen das Vergnuͤgen einer Nacht von dieſer Zunft mit fuͤnf Thalern zu bezahlen, und zwar fuͤr Subjecte, die jeden Andern vor zwei bis drei Maas bedienen. Der Hurenwirth zieht nur eine Sjuͤmome d. i. ein Drittheil von dem Gewin, das Uebrige faͤlt der algemeinen Caſſe der Zunft zu, theils als Vortheil, theils um einige Knechte zu unterhalten, welche die Braut zum Tanz fuͤhren.
Hierauf folgen die Daidokoro no mono oder Kuͤchenbediente. Sie beſtehn in drei Koͤchen, welche monatlich mit ihrer Aufwartung alterniren, mit 24 Sjumome be- lohnt werden, und zween gemeinen Kuͤchenknechten, welchen dann noch ein oder mehr Lehrlinge, (die gemeiniglich Soͤhne der vorigen und ihre kuͤnftige Nachfolger ſind) Waſſertraͤger und Knechte behuͤlflich ſind. Außer der Handelszeit ſind hier alſo mehr Koͤche als hollaͤndiſche Eſſer, und die Tafel koſtet hier weit mehr zu unterhalten, als in Europa. Dieſe Kuͤch- einrichtung darf auch ohne Erlaubnis des Gouverneurs nicht veraͤndert und mit unſern eignen Leuten beſtelt werden. Ehemals bekamen dieſe Koͤche ihren Sold monatlich, nemlich der erſte ſechs, der zweite vier, der dritte drei Tails. Seit 1674 aber hat man ihnen einen jaͤhrlichen Sold beſtimmen muͤſſen und zwar dem aͤlteſten 150, dem zweiten 130, dem dritten 100 Tails.
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[80/0094]
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betrift, und uͤberhaupt was im Reiche vorgeht, ſchlechterdings keine Kentnis ſich erwerben
koͤnnen, und alles glauben muͤſſen, was ihnen geſagt wird.
Man hat eine ſo große Zahl von dieſen Dolmetſchern angeſtelt, theils um dadurch
deſto mehr Japaner auf unſre Koſten zu unterhalten, theils auch um uns deſto genauer in
der Handelszeit beobachten zu koͤnnen. Die genaue Pruͤfung dieſer Geſelſchaft iſt ein Mu-
ſter andrer eben ſowohl eingerichteter Zuͤnfte im Lande, weswegen ich ſie auch hernach mit-
theilen werde. Jch verſpare auch bis ins folgende Kapitel, wegen der naͤhern Verbindung
mit der Materie vom jaͤhrlichen Handel, von den Deſima Fisja d. i. Schreiber von
Deſima; Tſijetzki oder Aufſehern der Tageloͤhner, wie auch von den Cannaba Nakama
oder den Geldkammerbedienten zu reden.
Aber außer den bisher beſchriebnen Bedienten gehoͤren nun noch hieher, eine andre
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welches ihr gewoͤhnlichſter Name iſt. Dieſe Zunft beſteht aus den ſiebzehn Buͤrgern oder
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gen unnoͤthig und nicht erlaubt iſt, anſchaffen muͤſſen. Jedem andern iſt es ſchlechterdings
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Zunft alle unſre Beduͤrfniſſe zwei- oder dreimal theurer kaufen, als der jedesmalige Markt-
preis iſt. Auch unſre Tugend und Religion vergeſſende junge Leute pflegen das Vergnuͤgen
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jeden Andern vor zwei bis drei Maas bedienen. Der Hurenwirth zieht nur eine Sjuͤmome
d. i. ein Drittheil von dem Gewin, das Uebrige faͤlt der algemeinen Caſſe der Zunft zu,
theils als Vortheil, theils um einige Knechte zu unterhalten, welche die Braut zum
Tanz fuͤhren.
Hierauf folgen die Daidokoro no mono oder Kuͤchenbediente. Sie beſtehn
in drei Koͤchen, welche monatlich mit ihrer Aufwartung alterniren, mit 24 Sjumome be-
lohnt werden, und zween gemeinen Kuͤchenknechten, welchen dann noch ein oder mehr Lehrlinge,
(die gemeiniglich Soͤhne der vorigen und ihre kuͤnftige Nachfolger ſind) Waſſertraͤger und
Knechte behuͤlflich ſind. Außer der Handelszeit ſind hier alſo mehr Koͤche als hollaͤndiſche
Eſſer, und die Tafel koſtet hier weit mehr zu unterhalten, als in Europa. Dieſe Kuͤch-
einrichtung darf auch ohne Erlaubnis des Gouverneurs nicht veraͤndert und mit unſern eignen
Leuten beſtelt werden. Ehemals bekamen dieſe Koͤche ihren Sold monatlich, nemlich der
erſte ſechs, der zweite vier, der dritte drei Tails. Seit 1674 aber hat man ihnen
einen jaͤhrlichen Sold beſtimmen muͤſſen und zwar dem aͤlteſten 150, dem zweiten 130, dem
dritten 100 Tails.
Außer
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/94>, abgerufen am 22.07.2024.
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