Sechst. Kap. Von der Verfas. der Holländer in Japan überhaupt.
Dieser Ottona ist wegen seines Amts und seiner Strenge desselben, doch noch mehr wegen der Verrätherey, die er gegen seinen Herrn ausgeübt, *) unter uns sehr ver- hast. Es sey nun, daß er sich gebessert, oder (wie man mich gewis hat versichern wollen) zu seinem Verfahren sehr gute Gründe gehabt, so habe ich ihn als einen klugen Mann, von keinem falschen oder niederträchtigen Gemüth gefunden, der auch besonders in der Lehre des Koosj oder Confucius, den väterlichen Sitten, der Geschichte und Religion sehr wohl erfahren ist, so daß man ihm auch die Chronik von Fisen zu schreiben anvertrauet hat. Unwissende und brutale Leute konte er nicht vertragen.
Jn Ausübung seines Amts steht zunächst unter ihm ein Nitzi Josi oder Bote, der täglich die Schlösser der Wasserpforten, wie auch die Waarenhäuser und die Arbeit der Zimmer- und Bauleute besichtigen und untersuchen mus.
Nach diesem solgen verschiedne Fisja oder Schreiber, die eines jeden Holländers Vermögen und Sachen, die nur irgend zu Gelde gemacht werden könten, auf das genaueste protokollirt, sie versiegelt und in Verwahrung behält. Ausser diesen giebt es noch verschiedne andre Bediente, die auf seinen Befehl dem Ottona hülfliche Hand leisten müssen. Er wird wie der Oberdolmetscher von unsrer edlen Kompagnie besoldet, und hat auch wie dieser seinen Antheil an unserm Handel. Außer dem hat er noch viele besondre Vortheile von sei- ner Gasse in der Stadt, auch von den Wirthen in unsrer Jnsel und selbst von der Vermie- thung unsrer Wohnungen, weil er beinahe den dritten Theil der hiesigen Häuser nach und nach käuflich an sich gebracht hat. Sein gröster Vortheil aber besteht doch noch in den holländi- schen Waaren, die er durch andre und unter fremden Namen an sich bringt, und alsdenn wieder mit ausnehmendem Gewin verhandelt.
Unter diesem Ottona stehn die Desima Disjoonin oder die 24 Wirthe und Ei- genthümer unsrer Häuser, die zur Handelszeit, die übrige Zeit seltner, sich bei ihm zeigen müssen, und verbunden sind nicht nur auf den Zustand ihrer Häuser, sondern auch auf das Betragen der Einwohner von weitem Acht zu haben; auch bei dem Jnventarisiren der ein- und ausgehenden Sachen, Hausrath und aller Geräthe der Holländer behülflich zu seyn. Nach Landesgebrauch müssen sie in allen außerordentlichen Fällen, für das, was in ihrem Hause geschieht, stehn und die Verantwortung übernehmen.
Das gröste und vornehmste Collegium der Holländischen Bedienten machen aus die sämtlichen Hollanda Tsjuusi oder holländische Dolmetscher, deren Zahl gewöhnlich und gesezmäßig aus 150 besteht, bei meiner Anwesenheit aber nur aus 123 bestand. Diese sind deswegen angestelt, damit allen Fremden, denen erlaubt worden, dies Reich zu besuchen,
nicht
*) So steht in meinen Handschriften; die englische Uebersetzung aber sagt, daß er diese Verrätherei an den Holländern ausgeübt habe.
Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.
Dieſer Ottona iſt wegen ſeines Amts und ſeiner Strenge deſſelben, doch noch mehr wegen der Verraͤtherey, die er gegen ſeinen Herrn ausgeuͤbt, *) unter uns ſehr ver- haſt. Es ſey nun, daß er ſich gebeſſert, oder (wie man mich gewis hat verſichern wollen) zu ſeinem Verfahren ſehr gute Gruͤnde gehabt, ſo habe ich ihn als einen klugen Mann, von keinem falſchen oder niedertraͤchtigen Gemuͤth gefunden, der auch beſonders in der Lehre des Kooſj oder Confucius, den vaͤterlichen Sitten, der Geſchichte und Religion ſehr wohl erfahren iſt, ſo daß man ihm auch die Chronik von Fiſen zu ſchreiben anvertrauet hat. Unwiſſende und brutale Leute konte er nicht vertragen.
Jn Ausuͤbung ſeines Amts ſteht zunaͤchſt unter ihm ein Nitzi Joſi oder Bote, der taͤglich die Schloͤſſer der Waſſerpforten, wie auch die Waarenhaͤuſer und die Arbeit der Zimmer- und Bauleute beſichtigen und unterſuchen mus.
Nach dieſem ſolgen verſchiedne Fisja oder Schreiber, die eines jeden Hollaͤnders Vermoͤgen und Sachen, die nur irgend zu Gelde gemacht werden koͤnten, auf das genaueſte protokollirt, ſie verſiegelt und in Verwahrung behaͤlt. Auſſer dieſen giebt es noch verſchiedne andre Bediente, die auf ſeinen Befehl dem Ottona huͤlfliche Hand leiſten muͤſſen. Er wird wie der Oberdolmetſcher von unſrer edlen Kompagnie beſoldet, und hat auch wie dieſer ſeinen Antheil an unſerm Handel. Außer dem hat er noch viele beſondre Vortheile von ſei- ner Gaſſe in der Stadt, auch von den Wirthen in unſrer Jnſel und ſelbſt von der Vermie- thung unſrer Wohnungen, weil er beinahe den dritten Theil der hieſigen Haͤuſer nach und nach kaͤuflich an ſich gebracht hat. Sein groͤſter Vortheil aber beſteht doch noch in den hollaͤndi- ſchen Waaren, die er durch andre und unter fremden Namen an ſich bringt, und alsdenn wieder mit ausnehmendem Gewin verhandelt.
Unter dieſem Ottona ſtehn die Deſima Diſjoonin oder die 24 Wirthe und Ei- genthuͤmer unſrer Haͤuſer, die zur Handelszeit, die uͤbrige Zeit ſeltner, ſich bei ihm zeigen muͤſſen, und verbunden ſind nicht nur auf den Zuſtand ihrer Haͤuſer, ſondern auch auf das Betragen der Einwohner von weitem Acht zu haben; auch bei dem Jnventariſiren der ein- und ausgehenden Sachen, Hausrath und aller Geraͤthe der Hollaͤnder behuͤlflich zu ſeyn. Nach Landesgebrauch muͤſſen ſie in allen außerordentlichen Faͤllen, fuͤr das, was in ihrem Hauſe geſchieht, ſtehn und die Verantwortung uͤbernehmen.
Das groͤſte und vornehmſte Collegium der Hollaͤndiſchen Bedienten machen aus die ſaͤmtlichen Hollanda Tſjuuſi oder hollaͤndiſche Dolmetſcher, deren Zahl gewoͤhnlich und geſezmaͤßig aus 150 beſteht, bei meiner Anweſenheit aber nur aus 123 beſtand. Dieſe ſind deswegen angeſtelt, damit allen Fremden, denen erlaubt worden, dies Reich zu beſuchen,
nicht
*) So ſteht in meinen Handſchriften; die engliſche Ueberſetzung aber ſagt, daß er dieſe Verraͤtherei an den Hollaͤndern ausgeuͤbt habe.
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haſt. Es ſey nun, daß er ſich gebeſſert, oder (wie man mich gewis hat verſichern wollen)
zu ſeinem Verfahren ſehr gute Gruͤnde gehabt, ſo habe ich ihn als einen klugen Mann, von
keinem falſchen oder niedertraͤchtigen Gemuͤth gefunden, der auch beſonders in der Lehre des
Kooſj oder Confucius, den vaͤterlichen Sitten, der Geſchichte und Religion ſehr wohl erfahren
iſt, ſo daß man ihm auch die Chronik von Fiſen zu ſchreiben anvertrauet hat. Unwiſſende
und brutale Leute konte er nicht vertragen.
Jn Ausuͤbung ſeines Amts ſteht zunaͤchſt unter ihm ein Nitzi Joſi oder Bote,
der taͤglich die Schloͤſſer der Waſſerpforten, wie auch die Waarenhaͤuſer und die Arbeit der
Zimmer- und Bauleute beſichtigen und unterſuchen mus.
Nach dieſem ſolgen verſchiedne Fisja oder Schreiber, die eines jeden Hollaͤnders
Vermoͤgen und Sachen, die nur irgend zu Gelde gemacht werden koͤnten, auf das genaueſte
protokollirt, ſie verſiegelt und in Verwahrung behaͤlt. Auſſer dieſen giebt es noch verſchiedne
andre Bediente, die auf ſeinen Befehl dem Ottona huͤlfliche Hand leiſten muͤſſen. Er
wird wie der Oberdolmetſcher von unſrer edlen Kompagnie beſoldet, und hat auch wie dieſer
ſeinen Antheil an unſerm Handel. Außer dem hat er noch viele beſondre Vortheile von ſei-
ner Gaſſe in der Stadt, auch von den Wirthen in unſrer Jnſel und ſelbſt von der Vermie-
thung unſrer Wohnungen, weil er beinahe den dritten Theil der hieſigen Haͤuſer nach und nach
kaͤuflich an ſich gebracht hat. Sein groͤſter Vortheil aber beſteht doch noch in den hollaͤndi-
ſchen Waaren, die er durch andre und unter fremden Namen an ſich bringt, und alsdenn
wieder mit ausnehmendem Gewin verhandelt.
Unter dieſem Ottona ſtehn die Deſima Diſjoonin oder die 24 Wirthe und Ei-
genthuͤmer unſrer Haͤuſer, die zur Handelszeit, die uͤbrige Zeit ſeltner, ſich bei ihm zeigen
muͤſſen, und verbunden ſind nicht nur auf den Zuſtand ihrer Haͤuſer, ſondern auch auf das
Betragen der Einwohner von weitem Acht zu haben; auch bei dem Jnventariſiren der ein-
und ausgehenden Sachen, Hausrath und aller Geraͤthe der Hollaͤnder behuͤlflich zu ſeyn.
Nach Landesgebrauch muͤſſen ſie in allen außerordentlichen Faͤllen, fuͤr das, was in ihrem
Hauſe geſchieht, ſtehn und die Verantwortung uͤbernehmen.
Das groͤſte und vornehmſte Collegium der Hollaͤndiſchen Bedienten machen aus die
ſaͤmtlichen Hollanda Tſjuuſi oder hollaͤndiſche Dolmetſcher, deren Zahl gewoͤhnlich und
geſezmaͤßig aus 150 beſteht, bei meiner Anweſenheit aber nur aus 123 beſtand. Dieſe ſind
deswegen angeſtelt, damit allen Fremden, denen erlaubt worden, dies Reich zu beſuchen,
nicht
*) So ſteht in meinen Handſchriften; die engliſche Ueberſetzung aber ſagt, daß er dieſe Verraͤtherei
an den Hollaͤndern ausgeuͤbt habe.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/93>, abgerufen am 22.07.2024.
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