Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.V. Geschichte des Japanischen Thees. Pflanzen zu ersorschen *). Die geistvollen Brachmanen verstehen diese Kun stbesser. Siewissen aus der Datura, dem Mohn (dessen edlen Saft unsre Rechtsgelehrten den Giften beizählen, S. Gothosr. ad L. 3 ff. ad Leg. Corn. de Sic.) und andre solche Pflanzen ihres Bodens die heilsamsten Mittel zu bereiten, um eine angenehme Vergessenheit zu be- wirken, Traurigkeit aus der Seele zu bannen, und alle und jede schöne Jdeen in derselben entstehen zu machen. Und diese Kunst ist durch eine lange Erfahrung bei ihnen bewährt gefunden. Sie pflegen diese Säfte auch oft in Form einer Latwerge zu geben. Als schädliche Eigenschaften des Thees werden von den Japanern folgende ange- Ein alter sinesischer Arzt sagte mir von den Fehlern des Thees folgendes: Wer den Toxica *) Es ist bekant, daß dieser Vorwurf die Aerzte unsrer Zeit nicht mehr trift.
V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. Pflanzen zu erſorſchen *). Die geiſtvollen Brachmanen verſtehen dieſe Kun ſtbeſſer. Siewiſſen aus der Datura, dem Mohn (deſſen edlen Saft unſre Rechtsgelehrten den Giften beizaͤhlen, S. Gothoſr. ad L. 3 ff. ad Leg. Corn. de Sic.) und andre ſolche Pflanzen ihres Bodens die heilſamſten Mittel zu bereiten, um eine angenehme Vergeſſenheit zu be- wirken, Traurigkeit aus der Seele zu bannen, und alle und jede ſchoͤne Jdeen in derſelben entſtehen zu machen. Und dieſe Kunſt iſt durch eine lange Erfahrung bei ihnen bewaͤhrt gefunden. Sie pflegen dieſe Saͤfte auch oft in Form einer Latwerge zu geben. Als ſchaͤdliche Eigenſchaften des Thees werden von den Japanern folgende ange- Ein alter ſineſiſcher Arzt ſagte mir von den Fehlern des Thees folgendes: Wer den Toxica *) Es iſt bekant, daß dieſer Vorwurf die Aerzte unſrer Zeit nicht mehr trift.
<TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0522" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Geſchichte des Japaniſchen Thees.</hi></fw><lb/> Pflanzen zu erſorſchen <note place="foot" n="*)">Es iſt bekant, daß dieſer Vorwurf die Aerzte unſrer Zeit nicht mehr trift.</note>. Die geiſtvollen Brachmanen verſtehen dieſe Kun ſtbeſſer. Sie<lb/> wiſſen aus der <hi rendition="#fr">Datura,</hi> dem Mohn (deſſen edlen Saft unſre Rechtsgelehrten den Giften<lb/> beizaͤhlen, S. <hi rendition="#aq">Gothoſr. ad L. 3 ff. ad Leg. Corn. de Sic.</hi>) und andre ſolche Pflanzen<lb/> ihres Bodens die heilſamſten Mittel zu bereiten, um eine angenehme Vergeſſenheit zu be-<lb/> wirken, Traurigkeit aus der Seele zu bannen, und alle und jede ſchoͤne Jdeen in derſelben<lb/> entſtehen zu machen. Und dieſe Kunſt iſt durch eine lange Erfahrung bei ihnen bewaͤhrt<lb/> gefunden. Sie pflegen dieſe Saͤfte auch oft in Form einer Latwerge zu geben.</p><lb/> <p>Als ſchaͤdliche Eigenſchaften des Thees werden von den Japanern folgende ange-<lb/> fuͤhrt: Der Genus des Thees ſchwaͤcht allemal die Wirkung der Arzneimittel. Bei ende-<lb/> miſchen Koliken iſt er beſonders ſchaͤdlich und ſehr zu vermeiden. Ganz junger Thee beun-<lb/> ruhigt und verlezt allemal das Gehirn, und nach gewiſſer Erfahrung iſt er beſonders in Au-<lb/> genkrankheiten hoͤchſiſchaͤdlich.</p><lb/> <p>Ein alter ſineſiſcher Arzt ſagte mir von den Fehlern des Thees folgendes: Wer den<lb/> ganzen Tag einen ſtark abgezogenen Thee trinken wolte, der wuͤrde die Grundkraft ſeines Le-<lb/> bens angreifen, die in dem gehoͤrigen Verhaͤltnis der warmen und ſeuchten Theile beſteht.<lb/> Eben dieſes wuͤrde, aber gerade aus dem entgegengeſezten Grunde, derjenige thun, der zu<lb/> viel fette Sachen und beſonders Schweinefleiſch (das Hauptgericht des ſineſiſchen Tiſches)<lb/> taͤglich genießen wolte. Beides zu verbinden iſt dagegen gar nicht ſchaͤdlich, ſondern viel-<lb/> mehr das zuverlaͤſſigſte Mittel, Leben und Geſundheit zu erhalten. Dieſes zu erlaͤutern,<lb/> erzaͤhlt man ein Geſchichtchen von einer Frau, die eines unvermoͤgenden Mannes uͤberdruͤ-<lb/> ßig war, und deshalb einen Arzt um Rath bath, ſeiner loszuwerden. Dieſer rieth ihr,<lb/> den Mann beſtaͤndig mit Schweinefleiſch und allen moͤglichen fetten Sachen zu futtern, und<lb/> verſicherte, daß ſie hiedurch zuverlaͤßig fein Lebenslicht binnen Jahrsfriſt verloͤſchen wuͤrde.<lb/> Die verraͤtheriſche Frau begnuͤgte ſich indes mit <hi rendition="#fr">einem</hi> Rathe nicht, ſondern holte auch noch<lb/> die Meinung eines andern Arztes ein. Dieſer rieth ihr, dem Mann ſehr ſtarken Thee<lb/> haͤufig zu geben, und verſprach gleichfals nach einem Jahr die gewuͤnſchte Wirkung. Dieſe<lb/> aber erfolgte durch die Verbindung beider Mittel ſo wenig, daß vielmehr der gute Mann<lb/> wieder viel geſuͤnder wurde, als er vorher war, und ſeine verlohrne Kraͤfte volkommen wie-<lb/> der bekam. Da ich dieſes ſchreibe, faͤlt mir ein aͤhnliches Beiſpiel ein, wie auch eine boͤſe<lb/> Frau, die ihren Mann umbringen wolte, ihm zuerſt Gift, und hernach um die Kraft deſ-<lb/> ſelben zu verdoppeln, Quekſilber gab. Der Poet <hi rendition="#fr">Auſonius</hi> hat dieſe Geſchichte in einem<lb/> kleinen Gedicht ſo ſchoͤn erzaͤhlt, daß mir der Leſer es gewis verzeihen wird, wenn ich es hie-<lb/> her ſetze:</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Toxica</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </back> </text> </TEI> [458/0522]
V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.
Pflanzen zu erſorſchen *). Die geiſtvollen Brachmanen verſtehen dieſe Kun ſtbeſſer. Sie
wiſſen aus der Datura, dem Mohn (deſſen edlen Saft unſre Rechtsgelehrten den Giften
beizaͤhlen, S. Gothoſr. ad L. 3 ff. ad Leg. Corn. de Sic.) und andre ſolche Pflanzen
ihres Bodens die heilſamſten Mittel zu bereiten, um eine angenehme Vergeſſenheit zu be-
wirken, Traurigkeit aus der Seele zu bannen, und alle und jede ſchoͤne Jdeen in derſelben
entſtehen zu machen. Und dieſe Kunſt iſt durch eine lange Erfahrung bei ihnen bewaͤhrt
gefunden. Sie pflegen dieſe Saͤfte auch oft in Form einer Latwerge zu geben.
Als ſchaͤdliche Eigenſchaften des Thees werden von den Japanern folgende ange-
fuͤhrt: Der Genus des Thees ſchwaͤcht allemal die Wirkung der Arzneimittel. Bei ende-
miſchen Koliken iſt er beſonders ſchaͤdlich und ſehr zu vermeiden. Ganz junger Thee beun-
ruhigt und verlezt allemal das Gehirn, und nach gewiſſer Erfahrung iſt er beſonders in Au-
genkrankheiten hoͤchſiſchaͤdlich.
Ein alter ſineſiſcher Arzt ſagte mir von den Fehlern des Thees folgendes: Wer den
ganzen Tag einen ſtark abgezogenen Thee trinken wolte, der wuͤrde die Grundkraft ſeines Le-
bens angreifen, die in dem gehoͤrigen Verhaͤltnis der warmen und ſeuchten Theile beſteht.
Eben dieſes wuͤrde, aber gerade aus dem entgegengeſezten Grunde, derjenige thun, der zu
viel fette Sachen und beſonders Schweinefleiſch (das Hauptgericht des ſineſiſchen Tiſches)
taͤglich genießen wolte. Beides zu verbinden iſt dagegen gar nicht ſchaͤdlich, ſondern viel-
mehr das zuverlaͤſſigſte Mittel, Leben und Geſundheit zu erhalten. Dieſes zu erlaͤutern,
erzaͤhlt man ein Geſchichtchen von einer Frau, die eines unvermoͤgenden Mannes uͤberdruͤ-
ßig war, und deshalb einen Arzt um Rath bath, ſeiner loszuwerden. Dieſer rieth ihr,
den Mann beſtaͤndig mit Schweinefleiſch und allen moͤglichen fetten Sachen zu futtern, und
verſicherte, daß ſie hiedurch zuverlaͤßig fein Lebenslicht binnen Jahrsfriſt verloͤſchen wuͤrde.
Die verraͤtheriſche Frau begnuͤgte ſich indes mit einem Rathe nicht, ſondern holte auch noch
die Meinung eines andern Arztes ein. Dieſer rieth ihr, dem Mann ſehr ſtarken Thee
haͤufig zu geben, und verſprach gleichfals nach einem Jahr die gewuͤnſchte Wirkung. Dieſe
aber erfolgte durch die Verbindung beider Mittel ſo wenig, daß vielmehr der gute Mann
wieder viel geſuͤnder wurde, als er vorher war, und ſeine verlohrne Kraͤfte volkommen wie-
der bekam. Da ich dieſes ſchreibe, faͤlt mir ein aͤhnliches Beiſpiel ein, wie auch eine boͤſe
Frau, die ihren Mann umbringen wolte, ihm zuerſt Gift, und hernach um die Kraft deſ-
ſelben zu verdoppeln, Quekſilber gab. Der Poet Auſonius hat dieſe Geſchichte in einem
kleinen Gedicht ſo ſchoͤn erzaͤhlt, daß mir der Leſer es gewis verzeihen wird, wenn ich es hie-
her ſetze:
Toxica
*) Es iſt bekant, daß dieſer Vorwurf die Aerzte unſrer Zeit nicht mehr trift.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |