das bei den Sinesern und Japanern sehr häufig gebraucht wird.
von Wayd gefärbt seyn mus, bei epileptischen Personen das Uebel weit sichrer vertreibe, als eben diese Leinwand, wenn sie noch weis oder mit andrer Materie gefärbt ist. Wirklich habe ich auch bei meiner eignen chirurgischen Erfahrung in Jndien es allemal sehr nüzlich befunden, bei dem Verbinden der entzündeten Theile die mit Wayd gefärbte Leinwand jeder andern vorzuziehen.
Die Brachmanen (welche die Griechen Gymnosophisten nennen, diese Weisen, Theologen und Aerzte der Jndier) so wie Alle, welche ihre Kentnisse von ihnen haben, be- dienen sich nicht eines, sondern mehrerer ganz verschiedner Brenmittel nach der Verschie- denheit der Krankheiten. Denn die Ursachen derselben, sagen sie, sind oft verborgen, und jede Krankheit hat ihre ganz eigne Beschaffenheit; überdem sey auch nicht jede Gattung von Feuer für alle und jede Zufälle dienlich, sondern man müsse allemal diejenige auswäh- len, welche durch die Erfahrung als die heilsamste in jedem Fal bewiefen werde. Aber ich, als ein Fremder, habe schlechterdings nicht Gelegenheit gehabt, diese Verschiedenheit ihrer Grundsätze genauer kennen zu lernen, da es fast unmöglich ist, von diesen so eifersüch- tigen Bewahrern ihrer geheimen Künfte irgend etwas zu erfahren. Jhr gewöhnlichstes Brenmittel aber ist (die übrigen werden seltener gebraucht) das Mark eines Binsenrohrs, das sehr häufig in den Sümpfen wächst. Alle Arten von diesem Binsenrohr sind gleich gut zu diesem Zwek, wenn sie nur etwas starkes Schilf haben. Dieser wird alsdenn mit dem Oel von Leindotter, das man hier sehr häufig findet, ganz leicht angefeuchtet, und damit die Haut auf gewöhnliche Art eingebrant. Jch habe gefunden, daß auch die Malayer, Jawaner, Siamer und, wenn ich nicht irre, auch noch andre benachbarte Nationen, sich eben dieses Marks zum Verbrennen bedienen.
Wenn wir nun über den Ganges kommen, finden wir den edelsten und unter allen am meisten üblichsten Feuerzunder bei den Sinesern und Japanern. Die eben genanten Nationen sagen, er sey schon lange vor Erfindung der Medicin selbst, und ehe man noch irgend andre chirurgische Kentnisse hatte, in den ältesten Zeiten als das berühmteste Bren- mittel gebraucht worden, dessen Gebrauch sie denn endlich nach einer langen Folge von Jahr- hunderten erhalten hätten. Dieses wegen seiner herlichen Kräfte und wegen seines Alter- thums so kostbare Brenmittel ist unter dem Namen: Moxa, am gemeinsten bekant, sowohl in Sina, als unter allen durch die sinesische Weisheit aufgeklärte Nationen als den Japa- nern, Koräern, Quinamesern, Lukoniern, Formosanern, Cochinsinesern und Tunkinern. Jch habe die Absicht, hier die Geschichte der Moxa zu erzählen; der Leser wird mir aber erlauben, stat der sinesischen (die ihm vielleicht lieber wären) mich der Japanischen Be- nennungen zu bedienen, welche sowohl leichter als auch mir geläufiger sind, da ich unter den Japanern länger und mit ihnen vertrauter gelebt habe.
§. 3.
das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.
von Wayd gefaͤrbt ſeyn mus, bei epileptiſchen Perſonen das Uebel weit ſichrer vertreibe, als eben dieſe Leinwand, wenn ſie noch weis oder mit andrer Materie gefaͤrbt iſt. Wirklich habe ich auch bei meiner eignen chirurgiſchen Erfahrung in Jndien es allemal ſehr nuͤzlich befunden, bei dem Verbinden der entzuͤndeten Theile die mit Wayd gefaͤrbte Leinwand jeder andern vorzuziehen.
Die Brachmanen (welche die Griechen Gymnoſophiſten nennen, dieſe Weiſen, Theologen und Aerzte der Jndier) ſo wie Alle, welche ihre Kentniſſe von ihnen haben, be- dienen ſich nicht eines, ſondern mehrerer ganz verſchiedner Brenmittel nach der Verſchie- denheit der Krankheiten. Denn die Urſachen derſelben, ſagen ſie, ſind oft verborgen, und jede Krankheit hat ihre ganz eigne Beſchaffenheit; uͤberdem ſey auch nicht jede Gattung von Feuer fuͤr alle und jede Zufaͤlle dienlich, ſondern man muͤſſe allemal diejenige auswaͤh- len, welche durch die Erfahrung als die heilſamſte in jedem Fal bewiefen werde. Aber ich, als ein Fremder, habe ſchlechterdings nicht Gelegenheit gehabt, dieſe Verſchiedenheit ihrer Grundſaͤtze genauer kennen zu lernen, da es faſt unmoͤglich iſt, von dieſen ſo eiferſuͤch- tigen Bewahrern ihrer geheimen Kuͤnfte irgend etwas zu erfahren. Jhr gewoͤhnlichſtes Brenmittel aber iſt (die uͤbrigen werden ſeltener gebraucht) das Mark eines Binſenrohrs, das ſehr haͤufig in den Suͤmpfen waͤchſt. Alle Arten von dieſem Binſenrohr ſind gleich gut zu dieſem Zwek, wenn ſie nur etwas ſtarkes Schilf haben. Dieſer wird alsdenn mit dem Oel von Leindotter, das man hier ſehr haͤufig findet, ganz leicht angefeuchtet, und damit die Haut auf gewoͤhnliche Art eingebrant. Jch habe gefunden, daß auch die Malayer, Jawaner, Siamer und, wenn ich nicht irre, auch noch andre benachbarte Nationen, ſich eben dieſes Marks zum Verbrennen bedienen.
Wenn wir nun uͤber den Ganges kommen, finden wir den edelſten und unter allen am meiſten uͤblichſten Feuerzunder bei den Sineſern und Japanern. Die eben genanten Nationen ſagen, er ſey ſchon lange vor Erfindung der Medicin ſelbſt, und ehe man noch irgend andre chirurgiſche Kentniſſe hatte, in den aͤlteſten Zeiten als das beruͤhmteſte Bren- mittel gebraucht worden, deſſen Gebrauch ſie denn endlich nach einer langen Folge von Jahr- hunderten erhalten haͤtten. Dieſes wegen ſeiner herlichen Kraͤfte und wegen ſeines Alter- thums ſo koſtbare Brenmittel iſt unter dem Namen: Moxa, am gemeinſten bekant, ſowohl in Sina, als unter allen durch die ſineſiſche Weisheit aufgeklaͤrte Nationen als den Japa- nern, Koraͤern, Quinameſern, Lukoniern, Formoſanern, Cochinſineſern und Tunkinern. Jch habe die Abſicht, hier die Geſchichte der Moxa zu erzaͤhlen; der Leſer wird mir aber erlauben, ſtat der ſineſiſchen (die ihm vielleicht lieber waͤren) mich der Japaniſchen Be- nennungen zu bedienen, welche ſowohl leichter als auch mir gelaͤufiger ſind, da ich unter den Japanern laͤnger und mit ihnen vertrauter gelebt habe.
§. 3.
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das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.
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als eben dieſe Leinwand, wenn ſie noch weis oder mit andrer Materie gefaͤrbt iſt. Wirklich
habe ich auch bei meiner eignen chirurgiſchen Erfahrung in Jndien es allemal ſehr nuͤzlich
befunden, bei dem Verbinden der entzuͤndeten Theile die mit Wayd gefaͤrbte Leinwand
jeder andern vorzuziehen.
Die Brachmanen (welche die Griechen Gymnoſophiſten nennen, dieſe Weiſen,
Theologen und Aerzte der Jndier) ſo wie Alle, welche ihre Kentniſſe von ihnen haben, be-
dienen ſich nicht eines, ſondern mehrerer ganz verſchiedner Brenmittel nach der Verſchie-
denheit der Krankheiten. Denn die Urſachen derſelben, ſagen ſie, ſind oft verborgen, und
jede Krankheit hat ihre ganz eigne Beſchaffenheit; uͤberdem ſey auch nicht jede Gattung
von Feuer fuͤr alle und jede Zufaͤlle dienlich, ſondern man muͤſſe allemal diejenige auswaͤh-
len, welche durch die Erfahrung als die heilſamſte in jedem Fal bewiefen werde. Aber
ich, als ein Fremder, habe ſchlechterdings nicht Gelegenheit gehabt, dieſe Verſchiedenheit
ihrer Grundſaͤtze genauer kennen zu lernen, da es faſt unmoͤglich iſt, von dieſen ſo eiferſuͤch-
tigen Bewahrern ihrer geheimen Kuͤnfte irgend etwas zu erfahren. Jhr gewoͤhnlichſtes
Brenmittel aber iſt (die uͤbrigen werden ſeltener gebraucht) das Mark eines Binſenrohrs,
das ſehr haͤufig in den Suͤmpfen waͤchſt. Alle Arten von dieſem Binſenrohr ſind gleich gut
zu dieſem Zwek, wenn ſie nur etwas ſtarkes Schilf haben. Dieſer wird alsdenn mit dem
Oel von Leindotter, das man hier ſehr haͤufig findet, ganz leicht angefeuchtet, und damit
die Haut auf gewoͤhnliche Art eingebrant. Jch habe gefunden, daß auch die Malayer,
Jawaner, Siamer und, wenn ich nicht irre, auch noch andre benachbarte Nationen, ſich
eben dieſes Marks zum Verbrennen bedienen.
Wenn wir nun uͤber den Ganges kommen, finden wir den edelſten und unter allen
am meiſten uͤblichſten Feuerzunder bei den Sineſern und Japanern. Die eben genanten
Nationen ſagen, er ſey ſchon lange vor Erfindung der Medicin ſelbſt, und ehe man noch
irgend andre chirurgiſche Kentniſſe hatte, in den aͤlteſten Zeiten als das beruͤhmteſte Bren-
mittel gebraucht worden, deſſen Gebrauch ſie denn endlich nach einer langen Folge von Jahr-
hunderten erhalten haͤtten. Dieſes wegen ſeiner herlichen Kraͤfte und wegen ſeines Alter-
thums ſo koſtbare Brenmittel iſt unter dem Namen: Moxa, am gemeinſten bekant, ſowohl
in Sina, als unter allen durch die ſineſiſche Weisheit aufgeklaͤrte Nationen als den Japa-
nern, Koraͤern, Quinameſern, Lukoniern, Formoſanern, Cochinſineſern und Tunkinern.
Jch habe die Abſicht, hier die Geſchichte der Moxa zu erzaͤhlen; der Leſer wird mir aber
erlauben, ſtat der ſineſiſchen (die ihm vielleicht lieber waͤren) mich der Japaniſchen Be-
nennungen zu bedienen, welche ſowohl leichter als auch mir gelaͤufiger ſind, da ich unter
den Japanern laͤnger und mit ihnen vertrauter gelebt habe.
§. 3.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/489>, abgerufen am 22.07.2024.
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