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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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III. Von der bei den Japanern üblichen Kur der Kolik
gen bestimt ist, ist mit weichem violetfarbnem Leder überzogen, damit er beim Stos nicht
von der Nadel abspringe. Die Nadeln der andern Art sind allemal von Silber, ihre Ge-
stalt aber ist wenig von der vorigen verschieden. Sie sind eben so lang und so dünn, wie eine
Saite auf einer Harfe, und die Handhabe ist ein wenig dicht, kurz und in die Länge ge-
streift. Man pflegt gemeiniglich mehrere dieser Nadeln in einer länglicht viereckigten hölzer-
nen Kapsel zu verwahren, die von außen mit Firnis und von innen mit einem ungeschornem
Tuche überzogen ist, in dessen hervorstechende Wolle man die Nadeln zu legen pflegt.

Die Namen, womit man diese verschiednen Arten von Nadeln belegt, sind fol-
gende. Beide haben den gemeinschaftlichen Namen Unts Barri d. i. eine gekrümte Na-
del.
Die von der zweiten Gattung haben den besondern Namen, Fineri Barri, der aber
eben das bedeutet; wenn bey der Operation ein kleiner Kanal von Erz bei dieser Nadel be-
vestigt wird, so heist sie Fuda Barri, d. i. eine mit einem Kanal versehene Nadel. Die-
ser Kanal ist etwa ein Drittheil eines Fingerbreits kürzer, wie seine Nadel, und wird ge-
braucht, um durch ihn genau in den bestimten Ort des Körpers ohne allen Fehler zu stechen.

Die Operation dieses Stechens selbst geschieht nun auf folgende Art. Man nimt
die Spitze der Nadel in die linke Hand zwischen dem Mittel- und Zeigefinger, der auf dem
Daum ruhet, und nähert sie alsdenn dem Orte, in den gestochen werden sol, und der vor-
her wohl ausgewählt ist, damit er von keinen Nerven berührt werde. Alsden nimt |der
Arzt den kleinen Hammer in die rechte Hand, und bringt die Nadel mit einem oder zwei
Schlägen durch die äußere, harte Haut, legt dan den Hammer weg, und dreht die Hand-
habe der Nadel zwischen den Spitzen der vordern Finger, um sie bis zu der erforderlichen
Tiefe in den Körper zu bringen, welche gemeiniglich einen halben, zuweilen, aber selten, ei-
nen ganzen Zol betragen, und in jedem Fal die Materie des Schmerzes berühren muß.
Der Arzt hält die Nadel hier feste, bis der Patient ein oder zweimal Athem geschöpft hat,
alsdenn zieht er sie aus, prest den Ort mit seinen Fingern, als wolte er den bösen Geist her-
ausdrücken. Die Nadel von der andern Art wird blos durch herumdrehn hineingebracht,
da sie der Arzt zwischen den Spitzen des Daumens und Mittelfingers hält. Diejenigen,
welche eine sehr geübte Hand haben, können durch einen Schlag des Zeigefingers, den sie
über den Mittelfinger legen und auf die Nadel drücken, die Haut eher durchstoßen, als die
Nadel umdrehen. Andre bedienen sich einer kleinen Röhre, wie ich sie vorher beschrieben
habe, und welche verhindert, daß die Nadel durch einen starken Schlag nicht zu tief in die
Haut eindringe.

Die Regeln dieser Punktirkunst sind ausnehmend mannichfaltig, und haben
besonders Beziehung auf die Blähungen als die Ursache des Uebels, nach welchen die be-
rührenden Aerzte sowohl die Tiefe als den Ort des Stichs sehr genau bestimmen müssen. Man
hält dafür, daß dieses Stechen in allen den Krankheiten helfe, wo auch das Brennen ge-

braucht

III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolik
gen beſtimt iſt, iſt mit weichem violetfarbnem Leder uͤberzogen, damit er beim Stos nicht
von der Nadel abſpringe. Die Nadeln der andern Art ſind allemal von Silber, ihre Ge-
ſtalt aber iſt wenig von der vorigen verſchieden. Sie ſind eben ſo lang und ſo duͤnn, wie eine
Saite auf einer Harfe, und die Handhabe iſt ein wenig dicht, kurz und in die Laͤnge ge-
ſtreift. Man pflegt gemeiniglich mehrere dieſer Nadeln in einer laͤnglicht viereckigten hoͤlzer-
nen Kapſel zu verwahren, die von außen mit Firnis und von innen mit einem ungeſchornem
Tuche uͤberzogen iſt, in deſſen hervorſtechende Wolle man die Nadeln zu legen pflegt.

Die Namen, womit man dieſe verſchiednen Arten von Nadeln belegt, ſind fol-
gende. Beide haben den gemeinſchaftlichen Namen Unts Barri d. i. eine gekruͤmte Na-
del.
Die von der zweiten Gattung haben den beſondern Namen, Fineri Barri, der aber
eben das bedeutet; wenn bey der Operation ein kleiner Kanal von Erz bei dieſer Nadel be-
veſtigt wird, ſo heiſt ſie Fuda Barri, d. i. eine mit einem Kanal verſehene Nadel. Die-
ſer Kanal iſt etwa ein Drittheil eines Fingerbreits kuͤrzer, wie ſeine Nadel, und wird ge-
braucht, um durch ihn genau in den beſtimten Ort des Koͤrpers ohne allen Fehler zu ſtechen.

Die Operation dieſes Stechens ſelbſt geſchieht nun auf folgende Art. Man nimt
die Spitze der Nadel in die linke Hand zwiſchen dem Mittel- und Zeigefinger, der auf dem
Daum ruhet, und naͤhert ſie alsdenn dem Orte, in den geſtochen werden ſol, und der vor-
her wohl ausgewaͤhlt iſt, damit er von keinen Nerven beruͤhrt werde. Alsden nimt |der
Arzt den kleinen Hammer in die rechte Hand, und bringt die Nadel mit einem oder zwei
Schlaͤgen durch die aͤußere, harte Haut, legt dan den Hammer weg, und dreht die Hand-
habe der Nadel zwiſchen den Spitzen der vordern Finger, um ſie bis zu der erforderlichen
Tiefe in den Koͤrper zu bringen, welche gemeiniglich einen halben, zuweilen, aber ſelten, ei-
nen ganzen Zol betragen, und in jedem Fal die Materie des Schmerzes beruͤhren muß.
Der Arzt haͤlt die Nadel hier feſte, bis der Patient ein oder zweimal Athem geſchoͤpft hat,
alsdenn zieht er ſie aus, preſt den Ort mit ſeinen Fingern, als wolte er den boͤſen Geiſt her-
ausdruͤcken. Die Nadel von der andern Art wird blos durch herumdrehn hineingebracht,
da ſie der Arzt zwiſchen den Spitzen des Daumens und Mittelfingers haͤlt. Diejenigen,
welche eine ſehr geuͤbte Hand haben, koͤnnen durch einen Schlag des Zeigefingers, den ſie
uͤber den Mittelfinger legen und auf die Nadel druͤcken, die Haut eher durchſtoßen, als die
Nadel umdrehen. Andre bedienen ſich einer kleinen Roͤhre, wie ich ſie vorher beſchrieben
habe, und welche verhindert, daß die Nadel durch einen ſtarken Schlag nicht zu tief in die
Haut eindringe.

Die Regeln dieſer Punktirkunſt ſind ausnehmend mannichfaltig, und haben
beſonders Beziehung auf die Blaͤhungen als die Urſache des Uebels, nach welchen die be-
ruͤhrenden Aerzte ſowohl die Tiefe als den Ort des Stichs ſehr genau beſtimmen muͤſſen. Man
haͤlt dafuͤr, daß dieſes Stechen in allen den Krankheiten helfe, wo auch das Brennen ge-

braucht
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[426/0482] III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolik gen beſtimt iſt, iſt mit weichem violetfarbnem Leder uͤberzogen, damit er beim Stos nicht von der Nadel abſpringe. Die Nadeln der andern Art ſind allemal von Silber, ihre Ge- ſtalt aber iſt wenig von der vorigen verſchieden. Sie ſind eben ſo lang und ſo duͤnn, wie eine Saite auf einer Harfe, und die Handhabe iſt ein wenig dicht, kurz und in die Laͤnge ge- ſtreift. Man pflegt gemeiniglich mehrere dieſer Nadeln in einer laͤnglicht viereckigten hoͤlzer- nen Kapſel zu verwahren, die von außen mit Firnis und von innen mit einem ungeſchornem Tuche uͤberzogen iſt, in deſſen hervorſtechende Wolle man die Nadeln zu legen pflegt. Die Namen, womit man dieſe verſchiednen Arten von Nadeln belegt, ſind fol- gende. Beide haben den gemeinſchaftlichen Namen Unts Barri d. i. eine gekruͤmte Na- del. Die von der zweiten Gattung haben den beſondern Namen, Fineri Barri, der aber eben das bedeutet; wenn bey der Operation ein kleiner Kanal von Erz bei dieſer Nadel be- veſtigt wird, ſo heiſt ſie Fuda Barri, d. i. eine mit einem Kanal verſehene Nadel. Die- ſer Kanal iſt etwa ein Drittheil eines Fingerbreits kuͤrzer, wie ſeine Nadel, und wird ge- braucht, um durch ihn genau in den beſtimten Ort des Koͤrpers ohne allen Fehler zu ſtechen. Die Operation dieſes Stechens ſelbſt geſchieht nun auf folgende Art. Man nimt die Spitze der Nadel in die linke Hand zwiſchen dem Mittel- und Zeigefinger, der auf dem Daum ruhet, und naͤhert ſie alsdenn dem Orte, in den geſtochen werden ſol, und der vor- her wohl ausgewaͤhlt iſt, damit er von keinen Nerven beruͤhrt werde. Alsden nimt |der Arzt den kleinen Hammer in die rechte Hand, und bringt die Nadel mit einem oder zwei Schlaͤgen durch die aͤußere, harte Haut, legt dan den Hammer weg, und dreht die Hand- habe der Nadel zwiſchen den Spitzen der vordern Finger, um ſie bis zu der erforderlichen Tiefe in den Koͤrper zu bringen, welche gemeiniglich einen halben, zuweilen, aber ſelten, ei- nen ganzen Zol betragen, und in jedem Fal die Materie des Schmerzes beruͤhren muß. Der Arzt haͤlt die Nadel hier feſte, bis der Patient ein oder zweimal Athem geſchoͤpft hat, alsdenn zieht er ſie aus, preſt den Ort mit ſeinen Fingern, als wolte er den boͤſen Geiſt her- ausdruͤcken. Die Nadel von der andern Art wird blos durch herumdrehn hineingebracht, da ſie der Arzt zwiſchen den Spitzen des Daumens und Mittelfingers haͤlt. Diejenigen, welche eine ſehr geuͤbte Hand haben, koͤnnen durch einen Schlag des Zeigefingers, den ſie uͤber den Mittelfinger legen und auf die Nadel druͤcken, die Haut eher durchſtoßen, als die Nadel umdrehen. Andre bedienen ſich einer kleinen Roͤhre, wie ich ſie vorher beſchrieben habe, und welche verhindert, daß die Nadel durch einen ſtarken Schlag nicht zu tief in die Haut eindringe. Die Regeln dieſer Punktirkunſt ſind ausnehmend mannichfaltig, und haben beſonders Beziehung auf die Blaͤhungen als die Urſache des Uebels, nach welchen die be- ruͤhrenden Aerzte ſowohl die Tiefe als den Ort des Stichs ſehr genau beſtimmen muͤſſen. Man haͤlt dafuͤr, daß dieſes Stechen in allen den Krankheiten helfe, wo auch das Brennen ge- braucht

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/482>, abgerufen am 24.11.2024.