Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch. stehender ungeheurer Rosenkranz, der von Alten und Jungen sitzend angefaßt, und in ei-nem Zirkel herum durch aller Hände gezogen, auch jedesmal mit einem jauchzenden Na- manda beschrien wird, dient bei solchen Umständen zu eben der Absicht, zu geschweigen, daß man die Cerimonie damit auch wol in den Tempeln anstelt, wenn das grassirende Ue- bel etwa überhand genommen. Am 22 Junius war ein feierlicher Gedächtnistag wegen dem Absterben des Kai- Am 23 Junius brachte man in Erfahrung, daß die Sinesen seit verwichenem Am 24 Junius wurde den ganzen Tag Fiak man ben gehalten. Jn der Gasse Am 26 Junius besahen wir in Begleitung der gewöhnlichen Dolmetscher samt 1) Tsaktsjudira, oder besser Fukusai. Dieser ist ein Sinesischer Tempel, zu dem man auf 50 Treppentritten durch ein rundes Thor gelangt. Vor demselben stand gegen über eine Kapelle des mit einem Schwerdt versehenen Götzen Jtaten, der für den Hüter der bösen Geister gehalten wird. Der Tempel selbst ruhete auf Pfeilern, war gefirnisset und viereckigt in drei Plätze abgetheilt, hatte in der Mitten ein Quanwon oder Saka, zur Rechten das Bild eines Sinesischen Kaisers mit drei Trabanten, zur Linken einen sehr natürlich gekleideten Jüngling mit einer Krone und einigen Sinesen hinter ihm; vor jeder dieser drei Hauptfiguren brante eine auf eine gewisse Zeit abgemessene Zunderlunte von Baumrin- de, die fast gar keinen Rauch machte, und des Wohlgeruchs halber mit kleinen Räucher- kerzen besezt war; es brante während unserer Anwesenheit nur eine von den dreien. Auf den mit Baksteinen belegten Fusboden befanden sich runde Strohküssen, auf welchen die Pfaffen saßen. Noch ein anderer Tempel in diesem Bezirk war nicht minder schön. Die Häuser der
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſtehender ungeheurer Roſenkranz, der von Alten und Jungen ſitzend angefaßt, und in ei-nem Zirkel herum durch aller Haͤnde gezogen, auch jedesmal mit einem jauchzenden Na- manda beſchrien wird, dient bei ſolchen Umſtaͤnden zu eben der Abſicht, zu geſchweigen, daß man die Cerimonie damit auch wol in den Tempeln anſtelt, wenn das graſſirende Ue- bel etwa uͤberhand genommen. Am 22 Junius war ein feierlicher Gedaͤchtnistag wegen dem Abſterben des Kai- Am 23 Junius brachte man in Erfahrung, daß die Sineſen ſeit verwichenem Am 24 Junius wurde den ganzen Tag Fiak man ben gehalten. Jn der Gaſſe Am 26 Junius beſahen wir in Begleitung der gewoͤhnlichen Dolmetſcher ſamt 1) Tſaktſjudira, oder beſſer Fukuſai. Dieſer iſt ein Sineſiſcher Tempel, zu dem man auf 50 Treppentritten durch ein rundes Thor gelangt. Vor demſelben ſtand gegen uͤber eine Kapelle des mit einem Schwerdt verſehenen Goͤtzen Jtaten, der fuͤr den Huͤter der boͤſen Geiſter gehalten wird. Der Tempel ſelbſt ruhete auf Pfeilern, war gefirniſſet und viereckigt in drei Plaͤtze abgetheilt, hatte in der Mitten ein Quanwon oder Saka, zur Rechten das Bild eines Sineſiſchen Kaiſers mit drei Trabanten, zur Linken einen ſehr natuͤrlich gekleideten Juͤngling mit einer Krone und einigen Sineſen hinter ihm; vor jeder dieſer drei Hauptfiguren brante eine auf eine gewiſſe Zeit abgemeſſene Zunderlunte von Baumrin- de, die faſt gar keinen Rauch machte, und des Wohlgeruchs halber mit kleinen Raͤucher- kerzen beſezt war; es brante waͤhrend unſerer Anweſenheit nur eine von den dreien. Auf den mit Bakſteinen belegten Fusboden befanden ſich runde Strohkuͤſſen, auf welchen die Pfaffen ſaßen. Noch ein anderer Tempel in dieſem Bezirk war nicht minder ſchoͤn. Die Haͤuſer der
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
ſtehender ungeheurer Roſenkranz, der von Alten und Jungen ſitzend angefaßt, und in ei-
nem Zirkel herum durch aller Haͤnde gezogen, auch jedesmal mit einem jauchzenden Na-
manda beſchrien wird, dient bei ſolchen Umſtaͤnden zu eben der Abſicht, zu geſchweigen,
daß man die Cerimonie damit auch wol in den Tempeln anſtelt, wenn das graſſirende Ue-
bel etwa uͤberhand genommen.
Am 22 Junius war ein feierlicher Gedaͤchtnistag wegen dem Abſterben des Kai-
ſers, an welchem, dem Gebrauche nach, ſechs Diebſtahls halber gefangen geſeſſene Miſ-
ſethaͤter erloͤſet und ihnen das Leben geſchenkt, jedoch auf 10 Meilen weit verwieſen
wurden.
Am 23 Junius brachte man in Erfahrung, daß die Sineſen ſeit verwichenem
Jahre fuͤnf Kiſten Silber, und zwar groͤßtentheils in Oſacka, heimlich verkauft haͤtten;
wie es denn auch andem iſt, daß unter drei Jonken kaum eine ihre Waaren wuͤrklich wie-
der mit aus Japan wegnimt, weil ihnen die Japaner heimlich nachſetzen, und ihnen ihre
Reſte abhandeln.
Am 24 Junius wurde den ganzen Tag Fiak man ben gehalten. Jn der Gaſſe
bei Deſima, waren bei den Haͤuſern, worin das hitzige Fieber wuͤthete, Charaktere aufge-
hangen, und der Ort, wo die Cerimonie mit dem Hundert Tauſend herum vor ſich
gieng, vor der Sonnenhitze geſchuͤzt. Das Toben und Laͤrmen des Volks iſt unbeſchreib-
lich, nichts weniger als andaͤchtig, und ein jeder ſchreiet was er wil.
Am 26 Junius beſahen wir in Begleitung der gewoͤhnlichen Dolmetſcher ſamt
ihren Lehrlingen, der Stadt Buͤrgermeiſters und anderer Perſonen, folgende Nagaſacki-
ſche Tempel:
1) Tſaktſjudira, oder beſſer Fukuſai. Dieſer iſt ein Sineſiſcher Tempel, zu
dem man auf 50 Treppentritten durch ein rundes Thor gelangt. Vor demſelben ſtand gegen
uͤber eine Kapelle des mit einem Schwerdt verſehenen Goͤtzen Jtaten, der fuͤr den Huͤter
der boͤſen Geiſter gehalten wird. Der Tempel ſelbſt ruhete auf Pfeilern, war gefirniſſet
und viereckigt in drei Plaͤtze abgetheilt, hatte in der Mitten ein Quanwon oder Saka, zur
Rechten das Bild eines Sineſiſchen Kaiſers mit drei Trabanten, zur Linken einen ſehr
natuͤrlich gekleideten Juͤngling mit einer Krone und einigen Sineſen hinter ihm; vor jeder dieſer
drei Hauptfiguren brante eine auf eine gewiſſe Zeit abgemeſſene Zunderlunte von Baumrin-
de, die faſt gar keinen Rauch machte, und des Wohlgeruchs halber mit kleinen Raͤucher-
kerzen beſezt war; es brante waͤhrend unſerer Anweſenheit nur eine von den dreien. Auf den
mit Bakſteinen belegten Fusboden befanden ſich runde Strohkuͤſſen, auf welchen die Pfaffen
ſaßen. Noch ein anderer Tempel in dieſem Bezirk war nicht minder ſchoͤn. Die Haͤuſer
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Zitationshilfe: | Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/428>, abgerufen am 16.02.2025. |