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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reise nach Hofe.
Vorzug, mir zuerst nach der Puls zu fühlen; als ich es ihnen that, beurtheilte ich sie
überhaupt beide gesunder, den ersteren jedoch kalter Natur, und der zu dem Umlaufe sei-
nes Geblüts zuweilen einen Trunk Brandwein nöthig haben möchte, hingegen den andern
eines sehr hitzigen Temperaments und mit Kopfschwachheiten beladen, das man ihm auch
wol ansehen konte. Der fürnehmste von ihnen that die Fragen an mich: wann die Ge-
schwüre gefährlich wären? wann oder in welchen Krankheiten unsere Aerzte eine Aderlas
verordneten? Von den Europäischen Pflastern wolte er einige Kentnis haben, und als er
die Namen davon nicht recht heraus bringen konte, half ich ihm auf verstümmelt Japanisch
zurechte; durch welche halb Lateinische und halb Japanische Benennungen aber unsere
Sprache so unverständlich ausfiel, daß der Kaiser fragte, was wir mit einander redeten,
und besonders in was für einer Sprache ich, der Holländer, redete; man sagte ihm, es
wäre verdorben Japanisch. Nach Endigung dieser Auftritte wies man uns vor der dritten
Matte gegen den Kaiser über einen Plaz an; vor jedem wurde eine kleine Bank oder Tisch
gesezt, der mit folgenden Essachen belegt war: 1) zwei kleinen hohlen mit Sesam bestreue-
ten Brodten; 2) einem Stük weiß gestrieften Raffinatzucker; 3) fünf Stücken überzogenen
Kai no ki, oder Kernen des Baums Kai, welche mit unsern Mandeln viel ähnliches haben;
4) einem Stük vierkantigen kleinen Kuchen; 5) zwei Trichterförmig aufgerolleten braunen
und dicken, aber etwas zähen Honigkuchen, die auf der einen runden Seite mit einer Son-
nen-oder Rosenfigur, auf der andern aber mit des Dairi Tsiap oder Wapen, nämlich mit
einem Blat und dreifacher Blüte vom Kiribaum bedrükt waren; 6) zwei braunrothen vier-
eckichten bröckelichten Schnitten von Bohnenmehl und Zucker; 7) zweien von Reismehl ge-
backenenen aber auch zähen Stücken von gelber Farbe; 8) noch zweien viereckigten eben so ge-
backenen und zerschnittenen Stücken Kuchen, die in der Mitte von einem andern weichen
klebrigten Taige gemacht waren; 9) einem mit braunen Bohnenzucker gekochten Mange,
damit ein großes Gefäs, wie mit Theriak, angefült; 10) zweien dergleichen, aber kleiner
und von gewöhnlicher Größe. Wir genossen von allem diesem ein weniges, und muste der
Dolmetscher das übrige für jeden aufheben, wozu man ihm dickes weißes Papier und Rie-
men hergab. Derselbe nahm also diese seine Ladung zu sich, und wir wurden geheißen, die
Mäntel umzuhängen und einer nach dem andern vor die Matten zu treten, um unser Ab-
schiedskompliment in der gehörigen Unterthänigkeit zu machen. Als solches geschehen, wur-
den wir von zween Herren, deren einer der unterste Reichsrath war, bis außer den Gang
geführt, wo die andern Herren des Hofs vom vierten und fünften Range, aus jedem 18
Personen, in der Ordnung saßen, und von da uns die herzu gekommenen Kommissarien
und Gouverneurs weiter brachten, bis wir zulezt blos in Begleitung der Dolmetscher, die
zu ihrem Nachfolgen unter der Last der geschenkten Speisen Mühe anwenden musten, den
Wartesaal erreichten, vor welchem der Gouverneur Abschied nahm, der uns nebst andern

über
Zweiter Band. Y y

Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.
Vorzug, mir zuerſt nach der Puls zu fuͤhlen; als ich es ihnen that, beurtheilte ich ſie
uͤberhaupt beide geſunder, den erſteren jedoch kalter Natur, und der zu dem Umlaufe ſei-
nes Gebluͤts zuweilen einen Trunk Brandwein noͤthig haben moͤchte, hingegen den andern
eines ſehr hitzigen Temperaments und mit Kopfſchwachheiten beladen, das man ihm auch
wol anſehen konte. Der fuͤrnehmſte von ihnen that die Fragen an mich: wann die Ge-
ſchwuͤre gefaͤhrlich waͤren? wann oder in welchen Krankheiten unſere Aerzte eine Aderlas
verordneten? Von den Europaͤiſchen Pflaſtern wolte er einige Kentnis haben, und als er
die Namen davon nicht recht heraus bringen konte, half ich ihm auf verſtuͤmmelt Japaniſch
zurechte; durch welche halb Lateiniſche und halb Japaniſche Benennungen aber unſere
Sprache ſo unverſtaͤndlich ausfiel, daß der Kaiſer fragte, was wir mit einander redeten,
und beſonders in was fuͤr einer Sprache ich, der Hollaͤnder, redete; man ſagte ihm, es
waͤre verdorben Japaniſch. Nach Endigung dieſer Auftritte wies man uns vor der dritten
Matte gegen den Kaiſer uͤber einen Plaz an; vor jedem wurde eine kleine Bank oder Tiſch
geſezt, der mit folgenden Esſachen belegt war: 1) zwei kleinen hohlen mit Seſam beſtreue-
ten Brodten; 2) einem Stuͤk weiß geſtrieften Raffinatzucker; 3) fuͤnf Stuͤcken uͤberzogenen
Kai no ki, oder Kernen des Baums Kai, welche mit unſern Mandeln viel aͤhnliches haben;
4) einem Stuͤk vierkantigen kleinen Kuchen; 5) zwei Trichterfoͤrmig aufgerolleten braunen
und dicken, aber etwas zaͤhen Honigkuchen, die auf der einen runden Seite mit einer Son-
nen-oder Roſenfigur, auf der andern aber mit des Dairi Tſiap oder Wapen, naͤmlich mit
einem Blat und dreifacher Bluͤte vom Kiribaum bedruͤkt waren; 6) zwei braunrothen vier-
eckichten broͤckelichten Schnitten von Bohnenmehl und Zucker; 7) zweien von Reismehl ge-
backenenen aber auch zaͤhen Stuͤcken von gelber Farbe; 8) noch zweien viereckigten eben ſo ge-
backenen und zerſchnittenen Stuͤcken Kuchen, die in der Mitte von einem andern weichen
klebrigten Taige gemacht waren; 9) einem mit braunen Bohnenzucker gekochten Mange,
damit ein großes Gefaͤs, wie mit Theriak, angefuͤlt; 10) zweien dergleichen, aber kleiner
und von gewoͤhnlicher Groͤße. Wir genoſſen von allem dieſem ein weniges, und muſte der
Dolmetſcher das uͤbrige fuͤr jeden aufheben, wozu man ihm dickes weißes Papier und Rie-
men hergab. Derſelbe nahm alſo dieſe ſeine Ladung zu ſich, und wir wurden geheißen, die
Maͤntel umzuhaͤngen und einer nach dem andern vor die Matten zu treten, um unſer Ab-
ſchiedskompliment in der gehoͤrigen Unterthaͤnigkeit zu machen. Als ſolches geſchehen, wur-
den wir von zween Herren, deren einer der unterſte Reichsrath war, bis außer den Gang
gefuͤhrt, wo die andern Herren des Hofs vom vierten und fuͤnften Range, aus jedem 18
Perſonen, in der Ordnung ſaßen, und von da uns die herzu gekommenen Kommiſſarien
und Gouverneurs weiter brachten, bis wir zulezt blos in Begleitung der Dolmetſcher, die
zu ihrem Nachfolgen unter der Laſt der geſchenkten Speiſen Muͤhe anwenden muſten, den
Warteſaal erreichten, vor welchem der Gouverneur Abſchied nahm, der uns nebſt andern

uͤber
Zweiter Band. Y y
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[353/0399] Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. Vorzug, mir zuerſt nach der Puls zu fuͤhlen; als ich es ihnen that, beurtheilte ich ſie uͤberhaupt beide geſunder, den erſteren jedoch kalter Natur, und der zu dem Umlaufe ſei- nes Gebluͤts zuweilen einen Trunk Brandwein noͤthig haben moͤchte, hingegen den andern eines ſehr hitzigen Temperaments und mit Kopfſchwachheiten beladen, das man ihm auch wol anſehen konte. Der fuͤrnehmſte von ihnen that die Fragen an mich: wann die Ge- ſchwuͤre gefaͤhrlich waͤren? wann oder in welchen Krankheiten unſere Aerzte eine Aderlas verordneten? Von den Europaͤiſchen Pflaſtern wolte er einige Kentnis haben, und als er die Namen davon nicht recht heraus bringen konte, half ich ihm auf verſtuͤmmelt Japaniſch zurechte; durch welche halb Lateiniſche und halb Japaniſche Benennungen aber unſere Sprache ſo unverſtaͤndlich ausfiel, daß der Kaiſer fragte, was wir mit einander redeten, und beſonders in was fuͤr einer Sprache ich, der Hollaͤnder, redete; man ſagte ihm, es waͤre verdorben Japaniſch. Nach Endigung dieſer Auftritte wies man uns vor der dritten Matte gegen den Kaiſer uͤber einen Plaz an; vor jedem wurde eine kleine Bank oder Tiſch geſezt, der mit folgenden Esſachen belegt war: 1) zwei kleinen hohlen mit Seſam beſtreue- ten Brodten; 2) einem Stuͤk weiß geſtrieften Raffinatzucker; 3) fuͤnf Stuͤcken uͤberzogenen Kai no ki, oder Kernen des Baums Kai, welche mit unſern Mandeln viel aͤhnliches haben; 4) einem Stuͤk vierkantigen kleinen Kuchen; 5) zwei Trichterfoͤrmig aufgerolleten braunen und dicken, aber etwas zaͤhen Honigkuchen, die auf der einen runden Seite mit einer Son- nen-oder Roſenfigur, auf der andern aber mit des Dairi Tſiap oder Wapen, naͤmlich mit einem Blat und dreifacher Bluͤte vom Kiribaum bedruͤkt waren; 6) zwei braunrothen vier- eckichten broͤckelichten Schnitten von Bohnenmehl und Zucker; 7) zweien von Reismehl ge- backenenen aber auch zaͤhen Stuͤcken von gelber Farbe; 8) noch zweien viereckigten eben ſo ge- backenen und zerſchnittenen Stuͤcken Kuchen, die in der Mitte von einem andern weichen klebrigten Taige gemacht waren; 9) einem mit braunen Bohnenzucker gekochten Mange, damit ein großes Gefaͤs, wie mit Theriak, angefuͤlt; 10) zweien dergleichen, aber kleiner und von gewoͤhnlicher Groͤße. Wir genoſſen von allem dieſem ein weniges, und muſte der Dolmetſcher das uͤbrige fuͤr jeden aufheben, wozu man ihm dickes weißes Papier und Rie- men hergab. Derſelbe nahm alſo dieſe ſeine Ladung zu ſich, und wir wurden geheißen, die Maͤntel umzuhaͤngen und einer nach dem andern vor die Matten zu treten, um unſer Ab- ſchiedskompliment in der gehoͤrigen Unterthaͤnigkeit zu machen. Als ſolches geſchehen, wur- den wir von zween Herren, deren einer der unterſte Reichsrath war, bis außer den Gang gefuͤhrt, wo die andern Herren des Hofs vom vierten und fuͤnften Range, aus jedem 18 Perſonen, in der Ordnung ſaßen, und von da uns die herzu gekommenen Kommiſſarien und Gouverneurs weiter brachten, bis wir zulezt blos in Begleitung der Dolmetſcher, die zu ihrem Nachfolgen unter der Laſt der geſchenkten Speiſen Muͤhe anwenden muſten, den Warteſaal erreichten, vor welchem der Gouverneur Abſchied nahm, der uns nebſt andern uͤber Zweiter Band. Y y

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/399>, abgerufen am 28.11.2024.