Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Eilftes Kap. Reise von Famma matz bis zur Residenz Jedo. ganz artigen Gebäuden versehen. Die Straßen sind sauber und schnurgerade, und dereneine in der Mitte besonders sehr breit. Mit Jnbegrif der Vorstädte kan man sie in keiner halben Stunde durchkommen. Die Häuser, etwa 1000 an der Zahl, sind zwar kleiu, jedoch net und meistens weis angestrichen, auch viele auf viereckigten Plätzen mit kleinen Lustgär- ten angelegt. Die mit einem dreimal gefachten weißen neuen Thurm pralende Residenz und Kastel des Landesherrn liegt nebst den am Berge hangenden Tempeln in dem Norder- theile der Stadt. Einen Beweis, wie sehr dieser Ort, der nahen See öhnerachtet, von Handel und Manufakturen entblößet ist, schienen die leeren Krambuden zu geben; man bereitet alhier jedoch den wohlriechenden Catechu (oder Japanische Erde) und formirt dar- aus Pillen, Bilder, Blumen und vielerlei Figuren, die man in kleine Schachteln zum Verkauf thut; besenders das Frauenzimmer macht davon einen täglichen Gebrauch, weil damit neben Befestigung der Zähne ein guter Geruch aus dem Munde zuwege gebracht wird. Die Holländer und Sinesen bringen diesen verdikten Saft roh nach Japan, und wenn er zu Miaco oder Odoware gereinigt und mit Ambra, Borneischem Campher und an- dern Sachen angesezt worden, kaufen sie ihn wieder ein und führen ihn aus dem Lande. An der netten Kleidung und dem anständigen Wesen der Bürger, sonderlich der galanten Aufführung des Frauenzimmers, lies es sich genugsam erkennen, daß nur vornehme reiche Leute hier wohnten, die keinesweges von der Handlung, sondern von ihren Renten zu leben brauchten, und sich blos wegen der gesunden Luft und der angenehmen Lage des Orts hier- selbst niedergelassen hatten. Die hiesigen jungen Buben waren hingegen wie in Fackona sehr muthwillig, und zeugten, bei uns wenigstens, durch ihr unbändiges Nachschreien von einer schlechten Erziehung. Vor diesem gehörte die Stadt und Herrschaft dem Hause Mino sama, und war Jnaba Mino no Cami der lezte Besitzer, der jetzige aber hinge- gen der Kaiserliche Oberreichsrath Cango Sama. Wir fertigten von hier aus an unsern Wirth in Jedo eine Post ab, um ihm unsere Ankunft zu benachrichtigen. Den 12 März, Montags, gieng unsere Vormittagsreise, die bis Fusi Sawa, oder Zweiter Band. L l
Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. ganz artigen Gebaͤuden verſehen. Die Straßen ſind ſauber und ſchnurgerade, und dereneine in der Mitte beſonders ſehr breit. Mit Jnbegrif der Vorſtaͤdte kan man ſie in keiner halben Stunde durchkommen. Die Haͤuſer, etwa 1000 an der Zahl, ſind zwar kleiu, jedoch net und meiſtens weis angeſtrichen, auch viele auf viereckigten Plaͤtzen mit kleinen Luſtgaͤr- ten angelegt. Die mit einem dreimal gefachten weißen neuen Thurm pralende Reſidenz und Kaſtel des Landesherrn liegt nebſt den am Berge hangenden Tempeln in dem Norder- theile der Stadt. Einen Beweis, wie ſehr dieſer Ort, der nahen See oͤhnerachtet, von Handel und Manufakturen entbloͤßet iſt, ſchienen die leeren Krambuden zu geben; man bereitet alhier jedoch den wohlriechenden Catechu (oder Japaniſche Erde) und formirt dar- aus Pillen, Bilder, Blumen und vielerlei Figuren, die man in kleine Schachteln zum Verkauf thut; beſenders das Frauenzimmer macht davon einen taͤglichen Gebrauch, weil damit neben Befeſtigung der Zaͤhne ein guter Geruch aus dem Munde zuwege gebracht wird. Die Hollaͤnder und Sineſen bringen dieſen verdikten Saft roh nach Japan, und wenn er zu Miaco oder Odoware gereinigt und mit Ambra, Borneiſchem Campher und an- dern Sachen angeſezt worden, kaufen ſie ihn wieder ein und fuͤhren ihn aus dem Lande. An der netten Kleidung und dem anſtaͤndigen Weſen der Buͤrger, ſonderlich der galanten Auffuͤhrung des Frauenzimmers, lies es ſich genugſam erkennen, daß nur vornehme reiche Leute hier wohnten, die keinesweges von der Handlung, ſondern von ihren Renten zu leben brauchten, und ſich blos wegen der geſunden Luft und der angenehmen Lage des Orts hier- ſelbſt niedergelaſſen hatten. Die hieſigen jungen Buben waren hingegen wie in Fackona ſehr muthwillig, und zeugten, bei uns wenigſtens, durch ihr unbaͤndiges Nachſchreien von einer ſchlechten Erziehung. Vor dieſem gehoͤrte die Stadt und Herrſchaft dem Hauſe Mino ſama, und war Jnaba Mino no Cami der lezte Beſitzer, der jetzige aber hinge- gen der Kaiſerliche Oberreichsrath Cango Sama. Wir fertigten von hier aus an unſern Wirth in Jedo eine Poſt ab, um ihm unſere Ankunft zu benachrichtigen. Den 12 Maͤrz, Montags, gieng unſere Vormittagsreiſe, die bis Fuſi Sawa, oder Zweiter Band. L l
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Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo.
ganz artigen Gebaͤuden verſehen. Die Straßen ſind ſauber und ſchnurgerade, und deren
eine in der Mitte beſonders ſehr breit. Mit Jnbegrif der Vorſtaͤdte kan man ſie in keiner halben
Stunde durchkommen. Die Haͤuſer, etwa 1000 an der Zahl, ſind zwar kleiu, jedoch
net und meiſtens weis angeſtrichen, auch viele auf viereckigten Plaͤtzen mit kleinen Luſtgaͤr-
ten angelegt. Die mit einem dreimal gefachten weißen neuen Thurm pralende Reſidenz
und Kaſtel des Landesherrn liegt nebſt den am Berge hangenden Tempeln in dem Norder-
theile der Stadt. Einen Beweis, wie ſehr dieſer Ort, der nahen See oͤhnerachtet, von
Handel und Manufakturen entbloͤßet iſt, ſchienen die leeren Krambuden zu geben; man
bereitet alhier jedoch den wohlriechenden Catechu (oder Japaniſche Erde) und formirt dar-
aus Pillen, Bilder, Blumen und vielerlei Figuren, die man in kleine Schachteln zum
Verkauf thut; beſenders das Frauenzimmer macht davon einen taͤglichen Gebrauch, weil
damit neben Befeſtigung der Zaͤhne ein guter Geruch aus dem Munde zuwege gebracht
wird. Die Hollaͤnder und Sineſen bringen dieſen verdikten Saft roh nach Japan, und
wenn er zu Miaco oder Odoware gereinigt und mit Ambra, Borneiſchem Campher und an-
dern Sachen angeſezt worden, kaufen ſie ihn wieder ein und fuͤhren ihn aus dem Lande.
An der netten Kleidung und dem anſtaͤndigen Weſen der Buͤrger, ſonderlich der galanten
Auffuͤhrung des Frauenzimmers, lies es ſich genugſam erkennen, daß nur vornehme reiche
Leute hier wohnten, die keinesweges von der Handlung, ſondern von ihren Renten zu leben
brauchten, und ſich blos wegen der geſunden Luft und der angenehmen Lage des Orts hier-
ſelbſt niedergelaſſen hatten. Die hieſigen jungen Buben waren hingegen wie in Fackona
ſehr muthwillig, und zeugten, bei uns wenigſtens, durch ihr unbaͤndiges Nachſchreien von
einer ſchlechten Erziehung. Vor dieſem gehoͤrte die Stadt und Herrſchaft dem Hauſe
Mino ſama, und war Jnaba Mino no Cami der lezte Beſitzer, der jetzige aber hinge-
gen der Kaiſerliche Oberreichsrath Cango Sama. Wir fertigten von hier aus an unſern
Wirth in Jedo eine Poſt ab, um ihm unſere Ankunft zu benachrichtigen.
Den 12 Maͤrz, Montags, gieng unſere Vormittagsreiſe, die bis Fuſi Sawa,
acht Meilen, beſtimt war, fruͤh vor ſich. So bald wir Odowara hinter uns hatten, ka-
men wir an den Flus Sakava, welcher zwar zum hoͤchſten nur drei Fus tief, jedoch und
fuͤrnemlich bei angeſchwollenem Waſſer ſo gewaltig ſtrenge iſt, daß man die Ufer mit Daͤm-
men erhoͤhet, und wider das Einbrechen mit Buſchwerk und Steinen belegt hatte. Wir
ſezten mit platten Schiffen hinuͤber, und paſſirten nach einander die Doͤrfer Kakawa und
Kooſi, beide von etwa hundert, Mejigawa und Miſawa von etwa 200 Haͤuſern, auch
vor lezterem eine 50 Schrit lange Bruͤcke. Eine Stunde darnach folgte das Staͤdtchen Oyſa
von etlichen hundert, und eine halbe Meile weiter der Flecken Firatzka von mehr denn 300
Haͤufern, in den uns eine uͤber den Flus ſelbigen Namens befindliche Bruͤcke von hundert
Schritten fuͤhrte. Wiederum nach einer halben Meile erreichten wir das Dorf Banrju
oder
Zweiter Band. L l
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