unter der Bothmäßigkeit des Königs in Fisen gestanden. Kiusju, das den vierten Theil von Japan ausmacht, sol gleichfals vor Alters, wie man sagt, einen besondern Kö- nig gehabt haben.
Den 14 Februar mit anbrechendem Tage ritten wir von Sonongi oder Sinongi aus, und nach einer Stunde kamen wir bei einem wegen seiner Größe berühmten Cam- pherbaum vorbei, der dem Augenschein nach unten sechs Klaster dik, aber hohl war, und würklich nicht gemessen werden konte, weil er am Rücken eines Hügels stand. Eine Meile hievon, nachdem wir uns um den Fus des Berges Tawara gewandt, erreichten wir den Gränzpfahl von Omra oder Omura, und kamen in das kleine Gebiet Urisjino. Der Herr desselben war so vorsichtig und freigebig, daß, wenn wir hundert Mann verlangten, er uns zu mehrerer Befriedigung zweihundert darbot. Der Weg wurde vor uns her von zehn Personen gekehrt, bis wir an das Dorf gleiches Namens kamen, alwo wir frische Pferde, und bei jedem drei Aufwärter, auch einen Ober-und Unterbugjo oder Marschalle zu unserer Durchführung antrafen.
Nahe bei dem Dorfe neben einem auf hohem Grunde vorbeifließenden Bache lag ein heißes Bad, dessen Kraft in Heilung venerischer Krankheiten, der Krätze, des Glie- derwehes und in Lähmungen gerühmt wurde. Der Plaz war mit einer Bambushecke zier- lich umzäunt, auch mit einem Wächt und Lusthäuschen versehen. Die inwendige Länge umschlos unter einem Dache eine Gallerie von sechs abgetheilten Kammern mit eben so viel besonders eingemauerten Badewannen; jede Kammer hatte die Größe einer Matte, und war so eingerichtet, daß in die eine wie in die andere das Wasser sowol aus dem kalten Bache als aus dem heißen Brunnen hineingelassen, und nach eines jeden Gefallen mit ein- ander gemäßigt werden konte. Zur Seite unter einem abgesonderten Strohdache befand sich nach der Breite ein Ruheplaz. Die eben nicht tiefe Quelle dieses heißen Wassers war zwei Fus ins Gevierte, gleichfals unter einem Strohdache eingefast, und kochte von dem unterirdischen Feuer mit einem großen Geräusche, war auch dabei so heis, daß keiner das Herz hatte, einen Finger hinein zu stecken. Jch fand keinen Geruch und keinen Geschmak daran, weshalb ich kein Bedenken trug, die Kraft der bloßen Wärme zuzuschreiben. Damit wir indessen einen Beweis hätten, daß es kein gemeines Wasser wäre, so ris der, so uns führte, einen kleinen Strauch von einem überhangenden Campherbaume ab, (welcher den Umfang einer starken Eiche hatte, und der zweite war, der uns deshalb schon auf unsrer Reise merkwürdig vorgekommen) tunkte solchen in das kochende Wasser, und lies jeden ein Blat davon kauen, wovon alsbald der Speichel und der ganze Mund mit einer grüngelben Farbe bezogen war. Dicht bei der Quelle befanden sich noch zwei eingemauerte Badewannen, Tab. XXXIII. fig. 1.deren sich gemeine Leute bedienten. Den großen kalten Bach konte man auf eine gute Streckeweges rauchen sehen, das vielleicht von der Vermischung noch einiger andern heißen Quellen herrührte.
Es
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
unter der Bothmaͤßigkeit des Koͤnigs in Fiſen geſtanden. Kiuſju, das den vierten Theil von Japan ausmacht, ſol gleichfals vor Alters, wie man ſagt, einen beſondern Koͤ- nig gehabt haben.
Den 14 Februar mit anbrechendem Tage ritten wir von Sonongi oder Sinongi aus, und nach einer Stunde kamen wir bei einem wegen ſeiner Groͤße beruͤhmten Cam- pherbaum vorbei, der dem Augenſchein nach unten ſechs Klaſter dik, aber hohl war, und wuͤrklich nicht gemeſſen werden konte, weil er am Ruͤcken eines Huͤgels ſtand. Eine Meile hievon, nachdem wir uns um den Fus des Berges Tawara gewandt, erreichten wir den Graͤnzpfahl von Omra oder Omura, und kamen in das kleine Gebiet Uriſjino. Der Herr deſſelben war ſo vorſichtig und freigebig, daß, wenn wir hundert Mann verlangten, er uns zu mehrerer Befriedigung zweihundert darbot. Der Weg wurde vor uns her von zehn Perſonen gekehrt, bis wir an das Dorf gleiches Namens kamen, alwo wir friſche Pferde, und bei jedem drei Aufwaͤrter, auch einen Ober-und Unterbugjo oder Marſchalle zu unſerer Durchfuͤhrung antrafen.
Nahe bei dem Dorfe neben einem auf hohem Grunde vorbeifließenden Bache lag ein heißes Bad, deſſen Kraft in Heilung veneriſcher Krankheiten, der Kraͤtze, des Glie- derwehes und in Laͤhmungen geruͤhmt wurde. Der Plaz war mit einer Bambushecke zier- lich umzaͤunt, auch mit einem Waͤcht und Luſthaͤuschen verſehen. Die inwendige Laͤnge umſchlos unter einem Dache eine Gallerie von ſechs abgetheilten Kammern mit eben ſo viel beſonders eingemauerten Badewannen; jede Kammer hatte die Groͤße einer Matte, und war ſo eingerichtet, daß in die eine wie in die andere das Waſſer ſowol aus dem kalten Bache als aus dem heißen Brunnen hineingelaſſen, und nach eines jeden Gefallen mit ein- ander gemaͤßigt werden konte. Zur Seite unter einem abgeſonderten Strohdache befand ſich nach der Breite ein Ruheplaz. Die eben nicht tiefe Quelle dieſes heißen Waſſers war zwei Fus ins Gevierte, gleichfals unter einem Strohdache eingefaſt, und kochte von dem unterirdiſchen Feuer mit einem großen Geraͤuſche, war auch dabei ſo heis, daß keiner das Herz hatte, einen Finger hinein zu ſtecken. Jch fand keinen Geruch und keinen Geſchmak daran, weshalb ich kein Bedenken trug, die Kraft der bloßen Waͤrme zuzuſchreiben. Damit wir indeſſen einen Beweis haͤtten, daß es kein gemeines Waſſer waͤre, ſo ris der, ſo uns fuͤhrte, einen kleinen Strauch von einem uͤberhangenden Campherbaume ab, (welcher den Umfang einer ſtarken Eiche hatte, und der zweite war, der uns deshalb ſchon auf unſrer Reiſe merkwuͤrdig vorgekommen) tunkte ſolchen in das kochende Waſſer, und lies jeden ein Blat davon kauen, wovon alsbald der Speichel und der ganze Mund mit einer gruͤngelben Farbe bezogen war. Dicht bei der Quelle befanden ſich noch zwei eingemauerte Badewannen, Tab. XXXIII. fig. 1.deren ſich gemeine Leute bedienten. Den großen kalten Bach konte man auf eine gute Streckeweges rauchen ſehen, das vielleicht von der Vermiſchung noch einiger andern heißen Quellen herruͤhrte.
Es
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[202/0222]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
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Theil von Japan ausmacht, ſol gleichfals vor Alters, wie man ſagt, einen beſondern Koͤ-
nig gehabt haben.
Den 14 Februar mit anbrechendem Tage ritten wir von Sonongi oder Sinongi
aus, und nach einer Stunde kamen wir bei einem wegen ſeiner Groͤße beruͤhmten Cam-
pherbaum vorbei, der dem Augenſchein nach unten ſechs Klaſter dik, aber hohl war, und
wuͤrklich nicht gemeſſen werden konte, weil er am Ruͤcken eines Huͤgels ſtand. Eine Meile
hievon, nachdem wir uns um den Fus des Berges Tawara gewandt, erreichten wir den
Graͤnzpfahl von Omra oder Omura, und kamen in das kleine Gebiet Uriſjino. Der
Herr deſſelben war ſo vorſichtig und freigebig, daß, wenn wir hundert Mann verlangten,
er uns zu mehrerer Befriedigung zweihundert darbot. Der Weg wurde vor uns her von
zehn Perſonen gekehrt, bis wir an das Dorf gleiches Namens kamen, alwo wir friſche
Pferde, und bei jedem drei Aufwaͤrter, auch einen Ober-und Unterbugjo oder Marſchalle
zu unſerer Durchfuͤhrung antrafen.
Nahe bei dem Dorfe neben einem auf hohem Grunde vorbeifließenden Bache lag
ein heißes Bad, deſſen Kraft in Heilung veneriſcher Krankheiten, der Kraͤtze, des Glie-
derwehes und in Laͤhmungen geruͤhmt wurde. Der Plaz war mit einer Bambushecke zier-
lich umzaͤunt, auch mit einem Waͤcht und Luſthaͤuschen verſehen. Die inwendige Laͤnge
umſchlos unter einem Dache eine Gallerie von ſechs abgetheilten Kammern mit eben ſo viel
beſonders eingemauerten Badewannen; jede Kammer hatte die Groͤße einer Matte, und
war ſo eingerichtet, daß in die eine wie in die andere das Waſſer ſowol aus dem kalten
Bache als aus dem heißen Brunnen hineingelaſſen, und nach eines jeden Gefallen mit ein-
ander gemaͤßigt werden konte. Zur Seite unter einem abgeſonderten Strohdache befand
ſich nach der Breite ein Ruheplaz. Die eben nicht tiefe Quelle dieſes heißen Waſſers war
zwei Fus ins Gevierte, gleichfals unter einem Strohdache eingefaſt, und kochte von dem
unterirdiſchen Feuer mit einem großen Geraͤuſche, war auch dabei ſo heis, daß keiner das
Herz hatte, einen Finger hinein zu ſtecken. Jch fand keinen Geruch und keinen Geſchmak
daran, weshalb ich kein Bedenken trug, die Kraft der bloßen Waͤrme zuzuſchreiben.
Damit wir indeſſen einen Beweis haͤtten, daß es kein gemeines Waſſer waͤre, ſo ris der,
ſo uns fuͤhrte, einen kleinen Strauch von einem uͤberhangenden Campherbaume ab, (welcher
den Umfang einer ſtarken Eiche hatte, und der zweite war, der uns deshalb ſchon auf unſrer
Reiſe merkwuͤrdig vorgekommen) tunkte ſolchen in das kochende Waſſer, und lies jeden ein
Blat davon kauen, wovon alsbald der Speichel und der ganze Mund mit einer gruͤngelben
Farbe bezogen war. Dicht bei der Quelle befanden ſich noch zwei eingemauerte Badewannen,
deren ſich gemeine Leute bedienten. Den großen kalten Bach konte man auf eine gute Streckeweges
rauchen ſehen, das vielleicht von der Vermiſchung noch einiger andern heißen Quellen herruͤhrte.
Tab.
XXXIII.
fig. 1.
Es
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/222>, abgerufen am 21.11.2024.
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