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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Fünftes Kap. Von dem Gewimmel der Menschen, etc.
ihre armseligen Waaren aufbetteln, als: allerlei Gebakwerk, worin der Zucker kaum zu
schmecken ist, Mehlkuchen, Soccani und allerhand in Wasser abgesottene Wurzeln, gedrukte
Wegweiser oder Reisebücher, Strohschuhe für Menschen und Pferde, Seile und Stricke,
Zahnstöcher und andere nach Gelegenheit des Qrts aus Stroh, Bisam, Bambus und
Holz gemachte Kleinigkeiten. So stehen auch vieler Orten in und ohnweit den Dörfern eine
Partie Träger mit Cangos oder Sänften, auch Knechte mit nachläßig und schlecht gesattel-
ten Pferden bereit, welche sie dem ermüdeten Fusgänger bis zur nächsten Post, oder so weit
sie wollen, vor einen geringen Lohn anbieten. Es sind dieses gemeiniglich Leute, die etwas
auf eine Station gebracht haben, und leer wieder zurückkehren.

Schlieslich gehören noch die unzüchtigen Weibspersonen in den großen und kleinen
Herbergen, Theebuden und Garküchen in den Dörfern und Flecken der großen Jnsel Nipon
hieher, weil sie, so bald sie gegen den Mittag gekleidet und geschmükt sind, den Reisenden
von dem Sitze der Gallerie vor ihren Häusern stets entgegen schauen, sie, die eine hier die
andere dort, mit einem weteifernden liebkosenden Geschrei zur Einkehr einladen, und ihnen
die Ohren volschwatzen. Jn den Sjuku oder Postflecken, alwo verschiedene Herbergen
neben einander stehen, ist es in diesem Stücke am ärgsten, wie z. E. vorzüglich in den zweien
nahe beisammen liegenden Flecken Akasaki und Goy, worinnen sich fast lauter Herbergen,
und in jeder drei bis sieben solcher Menscher befinden, daher sie auch den Beinamen, der
Japanische Hurenstapel, und die algemeine Schleifmühle, scherzweise überkommen haben,
zumalen die Japaner selten hierdurch passiren, ohne mit diesem Gesindel Gemeinschaft zu
machen, von welchem sie öfters ein Denkmahl zu ihrem großen Verdrusse mit nach Hause
zurükbringen. Caron in seiner Beschreibung von Japan geht in der Vertheidigung der Ehre
des Japanischen schönen Geschlechts (vermuthlich aus Hochachtung gegen seine ehrliche Frau,
die selbst eine gebohrne Japanerin war) zu weit, wenn er leugnet, daß, außer den privilegirten
öffentlichen Bordels einiger Städte, diese Nahrungsart in Japan getrieben werde; es ist
vielmehr unleugbar, daß eine jede öffentliche Herberge auf Nipon auch ein öffentliches
Bordel sey, da, im Fal in der einen der Gäste zu viel sind, andere Wirthe ihre Dirnen
gern hinleihen, weil sie davon einen unfehlbaren Verdienst haben; es gründet sich dieses auch
auf keine neue, sondern schon alte Gewohnheit, die der kriegerische und erste weltliche Kaiser
Joritomo bereits vor einigen Jahrhunderten zu dem Ende eingeführt hat, damit seine Sol-
daten bei den langwierigen Feldzügen nicht verdrüslich würden, sondern in dem Verlangen
nach ihren Weibern, durch dergleichen allenthalben vorzufindende Mittel, möchten gemäßigt
werden. Aus welcher Ursache dann die Sinesen dieses Reich nicht unbillig das Bordel von
Sina genant haben, weil in diesem Reich unter schweren Strafen schändliche Häuser und
Lebensart verboten sind, daher die jungen Sinesen oft nach Japan zu reisen pflegen, ihre
Begierden abzukühlen, und ihr Geld anzulegen.

Sech-
A a 2

Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc.
ihre armſeligen Waaren aufbetteln, als: allerlei Gebakwerk, worin der Zucker kaum zu
ſchmecken iſt, Mehlkuchen, Soccani und allerhand in Waſſer abgeſottene Wurzeln, gedrukte
Wegweiſer oder Reiſebuͤcher, Strohſchuhe fuͤr Menſchen und Pferde, Seile und Stricke,
Zahnſtoͤcher und andere nach Gelegenheit des Qrts aus Stroh, Biſam, Bambus und
Holz gemachte Kleinigkeiten. So ſtehen auch vieler Orten in und ohnweit den Doͤrfern eine
Partie Traͤger mit Cangos oder Saͤnften, auch Knechte mit nachlaͤßig und ſchlecht geſattel-
ten Pferden bereit, welche ſie dem ermuͤdeten Fusgaͤnger bis zur naͤchſten Poſt, oder ſo weit
ſie wollen, vor einen geringen Lohn anbieten. Es ſind dieſes gemeiniglich Leute, die etwas
auf eine Station gebracht haben, und leer wieder zuruͤckkehren.

Schlieslich gehoͤren noch die unzuͤchtigen Weibsperſonen in den großen und kleinen
Herbergen, Theebuden und Garkuͤchen in den Doͤrfern und Flecken der großen Jnſel Nipon
hieher, weil ſie, ſo bald ſie gegen den Mittag gekleidet und geſchmuͤkt ſind, den Reiſenden
von dem Sitze der Gallerie vor ihren Haͤuſern ſtets entgegen ſchauen, ſie, die eine hier die
andere dort, mit einem weteifernden liebkoſenden Geſchrei zur Einkehr einladen, und ihnen
die Ohren volſchwatzen. Jn den Sjuku oder Poſtflecken, alwo verſchiedene Herbergen
neben einander ſtehen, iſt es in dieſem Stuͤcke am aͤrgſten, wie z. E. vorzuͤglich in den zweien
nahe beiſammen liegenden Flecken Akaſaki und Goy, worinnen ſich faſt lauter Herbergen,
und in jeder drei bis ſieben ſolcher Menſcher befinden, daher ſie auch den Beinamen, der
Japaniſche Hurenſtapel, und die algemeine Schleifmuͤhle, ſcherzweiſe uͤberkommen haben,
zumalen die Japaner ſelten hierdurch paſſiren, ohne mit dieſem Geſindel Gemeinſchaft zu
machen, von welchem ſie oͤfters ein Denkmahl zu ihrem großen Verdruſſe mit nach Hauſe
zuruͤkbringen. Caron in ſeiner Beſchreibung von Japan geht in der Vertheidigung der Ehre
des Japaniſchen ſchoͤnen Geſchlechts (vermuthlich aus Hochachtung gegen ſeine ehrliche Frau,
die ſelbſt eine gebohrne Japanerin war) zu weit, wenn er leugnet, daß, außer den privilegirten
oͤffentlichen Bordels einiger Staͤdte, dieſe Nahrungsart in Japan getrieben werde; es iſt
vielmehr unleugbar, daß eine jede oͤffentliche Herberge auf Nipon auch ein oͤffentliches
Bordel ſey, da, im Fal in der einen der Gaͤſte zu viel ſind, andere Wirthe ihre Dirnen
gern hinleihen, weil ſie davon einen unfehlbaren Verdienſt haben; es gruͤndet ſich dieſes auch
auf keine neue, ſondern ſchon alte Gewohnheit, die der kriegeriſche und erſte weltliche Kaiſer
Joritomo bereits vor einigen Jahrhunderten zu dem Ende eingefuͤhrt hat, damit ſeine Sol-
daten bei den langwierigen Feldzuͤgen nicht verdruͤslich wuͤrden, ſondern in dem Verlangen
nach ihren Weibern, durch dergleichen allenthalben vorzufindende Mittel, moͤchten gemaͤßigt
werden. Aus welcher Urſache dann die Sineſen dieſes Reich nicht unbillig das Bordel von
Sina genant haben, weil in dieſem Reich unter ſchweren Strafen ſchaͤndliche Haͤuſer und
Lebensart verboten ſind, daher die jungen Sineſen oft nach Japan zu reiſen pflegen, ihre
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[187/0205] Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. ihre armſeligen Waaren aufbetteln, als: allerlei Gebakwerk, worin der Zucker kaum zu ſchmecken iſt, Mehlkuchen, Soccani und allerhand in Waſſer abgeſottene Wurzeln, gedrukte Wegweiſer oder Reiſebuͤcher, Strohſchuhe fuͤr Menſchen und Pferde, Seile und Stricke, Zahnſtoͤcher und andere nach Gelegenheit des Qrts aus Stroh, Biſam, Bambus und Holz gemachte Kleinigkeiten. So ſtehen auch vieler Orten in und ohnweit den Doͤrfern eine Partie Traͤger mit Cangos oder Saͤnften, auch Knechte mit nachlaͤßig und ſchlecht geſattel- ten Pferden bereit, welche ſie dem ermuͤdeten Fusgaͤnger bis zur naͤchſten Poſt, oder ſo weit ſie wollen, vor einen geringen Lohn anbieten. Es ſind dieſes gemeiniglich Leute, die etwas auf eine Station gebracht haben, und leer wieder zuruͤckkehren. Schlieslich gehoͤren noch die unzuͤchtigen Weibsperſonen in den großen und kleinen Herbergen, Theebuden und Garkuͤchen in den Doͤrfern und Flecken der großen Jnſel Nipon hieher, weil ſie, ſo bald ſie gegen den Mittag gekleidet und geſchmuͤkt ſind, den Reiſenden von dem Sitze der Gallerie vor ihren Haͤuſern ſtets entgegen ſchauen, ſie, die eine hier die andere dort, mit einem weteifernden liebkoſenden Geſchrei zur Einkehr einladen, und ihnen die Ohren volſchwatzen. Jn den Sjuku oder Poſtflecken, alwo verſchiedene Herbergen neben einander ſtehen, iſt es in dieſem Stuͤcke am aͤrgſten, wie z. E. vorzuͤglich in den zweien nahe beiſammen liegenden Flecken Akaſaki und Goy, worinnen ſich faſt lauter Herbergen, und in jeder drei bis ſieben ſolcher Menſcher befinden, daher ſie auch den Beinamen, der Japaniſche Hurenſtapel, und die algemeine Schleifmuͤhle, ſcherzweiſe uͤberkommen haben, zumalen die Japaner ſelten hierdurch paſſiren, ohne mit dieſem Geſindel Gemeinſchaft zu machen, von welchem ſie oͤfters ein Denkmahl zu ihrem großen Verdruſſe mit nach Hauſe zuruͤkbringen. Caron in ſeiner Beſchreibung von Japan geht in der Vertheidigung der Ehre des Japaniſchen ſchoͤnen Geſchlechts (vermuthlich aus Hochachtung gegen ſeine ehrliche Frau, die ſelbſt eine gebohrne Japanerin war) zu weit, wenn er leugnet, daß, außer den privilegirten oͤffentlichen Bordels einiger Staͤdte, dieſe Nahrungsart in Japan getrieben werde; es iſt vielmehr unleugbar, daß eine jede oͤffentliche Herberge auf Nipon auch ein oͤffentliches Bordel ſey, da, im Fal in der einen der Gaͤſte zu viel ſind, andere Wirthe ihre Dirnen gern hinleihen, weil ſie davon einen unfehlbaren Verdienſt haben; es gruͤndet ſich dieſes auch auf keine neue, ſondern ſchon alte Gewohnheit, die der kriegeriſche und erſte weltliche Kaiſer Joritomo bereits vor einigen Jahrhunderten zu dem Ende eingefuͤhrt hat, damit ſeine Sol- daten bei den langwierigen Feldzuͤgen nicht verdruͤslich wuͤrden, ſondern in dem Verlangen nach ihren Weibern, durch dergleichen allenthalben vorzufindende Mittel, moͤchten gemaͤßigt werden. Aus welcher Urſache dann die Sineſen dieſes Reich nicht unbillig das Bordel von Sina genant haben, weil in dieſem Reich unter ſchweren Strafen ſchaͤndliche Haͤuſer und Lebensart verboten ſind, daher die jungen Sineſen oft nach Japan zu reiſen pflegen, ihre Begierden abzukuͤhlen, und ihr Geld anzulegen. Sech- A a 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/205>, abgerufen am 21.11.2024.