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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch.
Nangasacki nach Osacca und stecken das Frachtgeld in ihre Tasche. Auch zu Jedo erhalten
sie noch von den Großen des Reichs, welche von unsrer edlen Compagnie beschenkt werden
müssen, besondre Verehrungen. Nach allen diesen Quellen von Einnahme kan man die,
eines Oberdolmetschers, jährlich auf 3000 Tails, und die eines Unterdolmetschers wenigstens auf
1500 schätzen. Sie leben aber dem ohngeachtet noch sehr kärglich, weil sie von diesen Ein-
künften auch ihre zahlreiche, meistens arme Familien unterhalten, und gemeiniglich auch viele
dürftige Anverwandten versorgen müssen. Das Leztre erfordert der Stolz und Ehrgeiz der
Japaner. Außerdem müssen diese Dolmetscher auch noch den Stathaltern und ihren Karoo
oder Hofregenten ansehnliche Geschenke machen.

Aus dem bisher erzählten folgt, daß diese Geselschaft der Dolmetscher nicht nur
die vornehmste von allen holländischen Bedienten, sondern auch die gefährlichsten für die
Ehre, die Freiheit und die Vortheile unsrer Nation sind. Jhre ewige Grundmaxime ist,
auf unmerkliche Art die jährlichen Kosten unsrer Compagnie zu vergrößern und ihren Lands-
leuten immer größre Vortheile zuzuwenden, wie dies die Pflicht rechtschafner Patrioten sey,
und dann auch ihre eigne Schalkheit und Betrügereien vor ihren eignen Landsleuten, so viel
möglich, verborgen zu halten. Deshalb schärfen sie uns weit öftrer und ernstlicher, als es
ihre Pflicht erfodert, ein, daß wir mit den Japanern uns schlechterdings in keine Gespräche
einlassen, auch nicht die Landessprache erlernen sollen. Jedem, welcher von derselben einige
Kentnis erworben hat, machen sie allen möglichen Verdrus, und ruhen nicht eher, bis sie
ihm auf Befehl der Stathalter das Land verweisen können. Das einzige, worin die hollän-
dische Capitains oder die Oberhäupter unsrer Handlung der edlen Compagnie hier einigerma-
ßen nüzlich seyn können, besteht darin, daß sie sich diesen beständigen Vergrößerungen unsrer
Kosten, auf welche die Japaner unaufhörlich ausgehn, widersetzen, und dieselbe durch alle
mögliche Mittel und auch durch List zu verhindern suchen. Denn wenn einmal gewisse Ko-
sten oder andre Belästigungen zugestanden sind, so müssen sie auch immer alle Jahre abgetra-
gen werden, so unvernünftig dies Verfahren auch ist. Einen noch unkundigen neuen Ka-
pitain pflegen sie gemeiniglich hierin zu hintergehn; und sie verhelfen ihm oft im ersten Jahr
zu einem neuen vortheilhaften Handel, den sie aber im folgenden durch einen sehr magern Ge-
win schon wieder ins Gleichgewicht zu bringen wissen.

Nach diesen folgen nun die unter der vorhererwähnten Zahl der Tsjusi nicht gerech-
nete Ken Ko Tsjusi oder lernende Dolmetscher, acht oder noch mehr an der Zahl. Sie
sind eigne oder auch angenommene Söhne der Dolmetscher, welche unsre Jnsel täglich besu-
chen, um die holländische und portugiesische Sprache und auch die Kunst, Ausländer zu regie-
ren, durch die Uebung zu erlernen. Sie werden deshalb in verschiednen Gelegenheiten als

Spionen

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
Nangaſacki nach Oſacca und ſtecken das Frachtgeld in ihre Taſche. Auch zu Jedo erhalten
ſie noch von den Großen des Reichs, welche von unſrer edlen Compagnie beſchenkt werden
muͤſſen, beſondre Verehrungen. Nach allen dieſen Quellen von Einnahme kan man die,
eines Oberdolmetſchers, jaͤhrlich auf 3000 Tails, und die eines Unterdolmetſchers wenigſtens auf
1500 ſchaͤtzen. Sie leben aber dem ohngeachtet noch ſehr kaͤrglich, weil ſie von dieſen Ein-
kuͤnften auch ihre zahlreiche, meiſtens arme Familien unterhalten, und gemeiniglich auch viele
duͤrftige Anverwandten verſorgen muͤſſen. Das Leztre erfordert der Stolz und Ehrgeiz der
Japaner. Außerdem muͤſſen dieſe Dolmetſcher auch noch den Stathaltern und ihren Karoo
oder Hofregenten anſehnliche Geſchenke machen.

Aus dem bisher erzaͤhlten folgt, daß dieſe Geſelſchaft der Dolmetſcher nicht nur
die vornehmſte von allen hollaͤndiſchen Bedienten, ſondern auch die gefaͤhrlichſten fuͤr die
Ehre, die Freiheit und die Vortheile unſrer Nation ſind. Jhre ewige Grundmaxime iſt,
auf unmerkliche Art die jaͤhrlichen Koſten unſrer Compagnie zu vergroͤßern und ihren Lands-
leuten immer groͤßre Vortheile zuzuwenden, wie dies die Pflicht rechtſchafner Patrioten ſey,
und dann auch ihre eigne Schalkheit und Betruͤgereien vor ihren eignen Landsleuten, ſo viel
moͤglich, verborgen zu halten. Deshalb ſchaͤrfen ſie uns weit oͤftrer und ernſtlicher, als es
ihre Pflicht erfodert, ein, daß wir mit den Japanern uns ſchlechterdings in keine Geſpraͤche
einlaſſen, auch nicht die Landesſprache erlernen ſollen. Jedem, welcher von derſelben einige
Kentnis erworben hat, machen ſie allen moͤglichen Verdrus, und ruhen nicht eher, bis ſie
ihm auf Befehl der Stathalter das Land verweiſen koͤnnen. Das einzige, worin die hollaͤn-
diſche Capitains oder die Oberhaͤupter unſrer Handlung der edlen Compagnie hier einigerma-
ßen nuͤzlich ſeyn koͤnnen, beſteht darin, daß ſie ſich dieſen beſtaͤndigen Vergroͤßerungen unſrer
Koſten, auf welche die Japaner unaufhoͤrlich ausgehn, widerſetzen, und dieſelbe durch alle
moͤgliche Mittel und auch durch Liſt zu verhindern ſuchen. Denn wenn einmal gewiſſe Ko-
ſten oder andre Belaͤſtigungen zugeſtanden ſind, ſo muͤſſen ſie auch immer alle Jahre abgetra-
gen werden, ſo unvernuͤnftig dies Verfahren auch iſt. Einen noch unkundigen neuen Ka-
pitain pflegen ſie gemeiniglich hierin zu hintergehn; und ſie verhelfen ihm oft im erſten Jahr
zu einem neuen vortheilhaften Handel, den ſie aber im folgenden durch einen ſehr magern Ge-
win ſchon wieder ins Gleichgewicht zu bringen wiſſen.

Nach dieſen folgen nun die unter der vorhererwaͤhnten Zahl der Tſjuſi nicht gerech-
nete Ken Ko Tſjuſi oder lernende Dolmetſcher, acht oder noch mehr an der Zahl. Sie
ſind eigne oder auch angenommene Soͤhne der Dolmetſcher, welche unſre Jnſel taͤglich beſu-
chen, um die hollaͤndiſche und portugieſiſche Sprache und auch die Kunſt, Auslaͤnder zu regie-
ren, durch die Uebung zu erlernen. Sie werden deshalb in verſchiednen Gelegenheiten als

Spionen
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[92/0106] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Nangaſacki nach Oſacca und ſtecken das Frachtgeld in ihre Taſche. Auch zu Jedo erhalten ſie noch von den Großen des Reichs, welche von unſrer edlen Compagnie beſchenkt werden muͤſſen, beſondre Verehrungen. Nach allen dieſen Quellen von Einnahme kan man die, eines Oberdolmetſchers, jaͤhrlich auf 3000 Tails, und die eines Unterdolmetſchers wenigſtens auf 1500 ſchaͤtzen. Sie leben aber dem ohngeachtet noch ſehr kaͤrglich, weil ſie von dieſen Ein- kuͤnften auch ihre zahlreiche, meiſtens arme Familien unterhalten, und gemeiniglich auch viele duͤrftige Anverwandten verſorgen muͤſſen. Das Leztre erfordert der Stolz und Ehrgeiz der Japaner. Außerdem muͤſſen dieſe Dolmetſcher auch noch den Stathaltern und ihren Karoo oder Hofregenten anſehnliche Geſchenke machen. Aus dem bisher erzaͤhlten folgt, daß dieſe Geſelſchaft der Dolmetſcher nicht nur die vornehmſte von allen hollaͤndiſchen Bedienten, ſondern auch die gefaͤhrlichſten fuͤr die Ehre, die Freiheit und die Vortheile unſrer Nation ſind. Jhre ewige Grundmaxime iſt, auf unmerkliche Art die jaͤhrlichen Koſten unſrer Compagnie zu vergroͤßern und ihren Lands- leuten immer groͤßre Vortheile zuzuwenden, wie dies die Pflicht rechtſchafner Patrioten ſey, und dann auch ihre eigne Schalkheit und Betruͤgereien vor ihren eignen Landsleuten, ſo viel moͤglich, verborgen zu halten. Deshalb ſchaͤrfen ſie uns weit oͤftrer und ernſtlicher, als es ihre Pflicht erfodert, ein, daß wir mit den Japanern uns ſchlechterdings in keine Geſpraͤche einlaſſen, auch nicht die Landesſprache erlernen ſollen. Jedem, welcher von derſelben einige Kentnis erworben hat, machen ſie allen moͤglichen Verdrus, und ruhen nicht eher, bis ſie ihm auf Befehl der Stathalter das Land verweiſen koͤnnen. Das einzige, worin die hollaͤn- diſche Capitains oder die Oberhaͤupter unſrer Handlung der edlen Compagnie hier einigerma- ßen nuͤzlich ſeyn koͤnnen, beſteht darin, daß ſie ſich dieſen beſtaͤndigen Vergroͤßerungen unſrer Koſten, auf welche die Japaner unaufhoͤrlich ausgehn, widerſetzen, und dieſelbe durch alle moͤgliche Mittel und auch durch Liſt zu verhindern ſuchen. Denn wenn einmal gewiſſe Ko- ſten oder andre Belaͤſtigungen zugeſtanden ſind, ſo muͤſſen ſie auch immer alle Jahre abgetra- gen werden, ſo unvernuͤnftig dies Verfahren auch iſt. Einen noch unkundigen neuen Ka- pitain pflegen ſie gemeiniglich hierin zu hintergehn; und ſie verhelfen ihm oft im erſten Jahr zu einem neuen vortheilhaften Handel, den ſie aber im folgenden durch einen ſehr magern Ge- win ſchon wieder ins Gleichgewicht zu bringen wiſſen. Nach dieſen folgen nun die unter der vorhererwaͤhnten Zahl der Tſjuſi nicht gerech- nete Ken Ko Tſjuſi oder lernende Dolmetſcher, acht oder noch mehr an der Zahl. Sie ſind eigne oder auch angenommene Soͤhne der Dolmetſcher, welche unſre Jnſel taͤglich beſu- chen, um die hollaͤndiſche und portugieſiſche Sprache und auch die Kunſt, Auslaͤnder zu regie- ren, durch die Uebung zu erlernen. Sie werden deshalb in verſchiednen Gelegenheiten als Spionen

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/106>, abgerufen am 27.11.2024.