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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.

Das Zurufen des Worts Peirung gründet sich auf folgende Geschichte. Jn der
Gegend Takasaga oder Teywan befand sich ein insularisches Reich Maurigasima, dessen
König Peiruun im Traum Befehl erhielt, auf das vor dem Tempel stehende Götzenbild
recht wohl acht zu geben, und, so bald er bemerkte, daß desselben Gesicht roth gefärbt
würde, sich in möglichster Eil, weil es alsdenn hohe Zeit seyn würde, zu retten. Da
fand sich nun ein listiger Kopf, der nicht glauben konte, daß dieses Bild, das von Holz
mit Händen gemacht war, durch sich selbst solte seine Farbe verlieren können. Er kam also
dem Wunder zu Hülfe und beschmierte, um das Volk zu schrecken, das Gesicht des
Götzen mit rother Farbe. Der gläubige König erschrak nun sehr, und flohe mit allen seinen
Unterthanen in Kähnen und mit ängstlichem Geschrei davon. Hierauf aber zeigte sich die
Strafe der Götter. Denn der Thäter mit seinen Angehörigen und einigen andern zurükge-
bliebnen Ungläubigen versanken nebst dem ganzen Reich. Die Leute von Fokts ju haben
nun dieses Fest Peirun in Nangasacki zu feiern angefangen. Anfangs ist es nur unter
den Knaben, nachher aber auch unter Erwachsenen gefeiert worden. Andere erzählen,
diese Geschichte von den Löwen, welche zur Zierde vor dem Götzen standen, und von denen
man (nicht durch Offenbarung an den König, sondern weil er in ihren Kigaki*) stand)
geglaubt hätte, daß der Jnsel Untergang bevorstünde so bald der Löwen Augen gelb würde.
Und da habe dann der Karo oder Regent des königlichen Hofes die Falschheit dieser Weis-
sagung an den Tag bringen wollen, und die Augen der Löwen gefärbt, welches aber die
Flucht des Königs und den Untergang des Reichs bewirkt habe.**)

Bei niedrigem Wasser sol in der Gegend dieser Jnsel noch hie und da Land hervor-
stehn, und ehmahls sollen an diesem Orte viele Schiffe untergegangen seyn. Diese Jnsel
hatte die beste Porzellainerde, die in der Welt jemahls gewesen und gebrant ist, und bei
niedrigem Wasser pflegt man noch Täucher hinabzulassen, welche Porzellaingefäße, die an
die Klippen angewachsen sind, abbrechen und heraufziehen. Diese Gefäße sind etwas
grün, äußerst fein und die allerseltensten, die man nur irgend haben kan. Zum Beweis der

Aecht-
*) Ki oder Kigaki heist Geistschrift, oder
Fundationsschrift, zum Gedächtnis des Stifters
vom Tempel und dessen Götzens; und worin man
Nachricht findet, -- wie? auf was Art? durch
welche Mittel? und zu welcher Zeit? die Stiftung
geschehn ist. K.
**) [Spaltenumbruch]
Der Verfasser hat eben diese Geschichte
beinahe auf gleiche Art in den Amoenitatibus Exo-
[Spaltenumbruch] ticis Fasc. III. Obs.
13. §. 8. erzählt, und sie wird da-
her weiter unten in diesem Werke noch einmal
vorkommen. Scheuchzer hat sie hier ganz wegge-
lassen, welchem Beispiel ich aber nicht gefolgt bin,
weil diese Geschichte hier gerade am rechten Orte
steht, von Kämpfer in beiden Stellen etwas ab-
weichend erzählt wird, und weil sie sich in meinen
beiden Handschriften findet und also nach K. Ab-
sicht hier hat stehen sollen.
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.

Das Zurufen des Worts Peirung gruͤndet ſich auf folgende Geſchichte. Jn der
Gegend Takaſaga oder Teywan befand ſich ein inſulariſches Reich Maurigaſima, deſſen
Koͤnig Peiruun im Traum Befehl erhielt, auf das vor dem Tempel ſtehende Goͤtzenbild
recht wohl acht zu geben, und, ſo bald er bemerkte, daß deſſelben Geſicht roth gefaͤrbt
wuͤrde, ſich in moͤglichſter Eil, weil es alsdenn hohe Zeit ſeyn wuͤrde, zu retten. Da
fand ſich nun ein liſtiger Kopf, der nicht glauben konte, daß dieſes Bild, das von Holz
mit Haͤnden gemacht war, durch ſich ſelbſt ſolte ſeine Farbe verlieren koͤnnen. Er kam alſo
dem Wunder zu Huͤlfe und beſchmierte, um das Volk zu ſchrecken, das Geſicht des
Goͤtzen mit rother Farbe. Der glaͤubige Koͤnig erſchrak nun ſehr, und flohe mit allen ſeinen
Unterthanen in Kaͤhnen und mit aͤngſtlichem Geſchrei davon. Hierauf aber zeigte ſich die
Strafe der Goͤtter. Denn der Thaͤter mit ſeinen Angehoͤrigen und einigen andern zuruͤkge-
bliebnen Unglaͤubigen verſanken nebſt dem ganzen Reich. Die Leute von Foktſ ju haben
nun dieſes Feſt Peirun in Nangaſacki zu feiern angefangen. Anfangs iſt es nur unter
den Knaben, nachher aber auch unter Erwachſenen gefeiert worden. Andere erzaͤhlen,
dieſe Geſchichte von den Loͤwen, welche zur Zierde vor dem Goͤtzen ſtanden, und von denen
man (nicht durch Offenbarung an den Koͤnig, ſondern weil er in ihren Kigaki*) ſtand)
geglaubt haͤtte, daß der Jnſel Untergang bevorſtuͤnde ſo bald der Loͤwen Augen gelb wuͤrde.
Und da habe dann der Karo oder Regent des koͤniglichen Hofes die Falſchheit dieſer Weiſ-
ſagung an den Tag bringen wollen, und die Augen der Loͤwen gefaͤrbt, welches aber die
Flucht des Koͤnigs und den Untergang des Reichs bewirkt habe.**)

Bei niedrigem Waſſer ſol in der Gegend dieſer Jnſel noch hie und da Land hervor-
ſtehn, und ehmahls ſollen an dieſem Orte viele Schiffe untergegangen ſeyn. Dieſe Jnſel
hatte die beſte Porzellainerde, die in der Welt jemahls geweſen und gebrant iſt, und bei
niedrigem Waſſer pflegt man noch Taͤucher hinabzulaſſen, welche Porzellaingefaͤße, die an
die Klippen angewachſen ſind, abbrechen und heraufziehen. Dieſe Gefaͤße ſind etwas
gruͤn, aͤußerſt fein und die allerſeltenſten, die man nur irgend haben kan. Zum Beweis der

Aecht-
*) Ki oder Kigaki heiſt Geiſtſchrift, oder
Fundationsſchrift, zum Gedaͤchtnis des Stifters
vom Tempel und deſſen Goͤtzens; und worin man
Nachricht findet, — wie? auf was Art? durch
welche Mittel? und zu welcher Zeit? die Stiftung
geſchehn iſt. K.
**) [Spaltenumbruch]
Der Verfaſſer hat eben dieſe Geſchichte
beinahe auf gleiche Art in den Amoenitatibus Exo-
[Spaltenumbruch] ticis Faſc. III. Obſ.
13. §. 8. erzaͤhlt, und ſie wird da-
her weiter unten in dieſem Werke noch einmal
vorkommen. Scheuchzer hat ſie hier ganz wegge-
laſſen, welchem Beiſpiel ich aber nicht gefolgt bin,
weil dieſe Geſchichte hier gerade am rechten Orte
ſteht, von Kaͤmpfer in beiden Stellen etwas ab-
weichend erzaͤhlt wird, und weil ſie ſich in meinen
beiden Handſchriften findet und alſo nach K. Ab-
ſicht hier hat ſtehen ſollen.
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[272/0378] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Das Zurufen des Worts Peirung gruͤndet ſich auf folgende Geſchichte. Jn der Gegend Takaſaga oder Teywan befand ſich ein inſulariſches Reich Maurigaſima, deſſen Koͤnig Peiruun im Traum Befehl erhielt, auf das vor dem Tempel ſtehende Goͤtzenbild recht wohl acht zu geben, und, ſo bald er bemerkte, daß deſſelben Geſicht roth gefaͤrbt wuͤrde, ſich in moͤglichſter Eil, weil es alsdenn hohe Zeit ſeyn wuͤrde, zu retten. Da fand ſich nun ein liſtiger Kopf, der nicht glauben konte, daß dieſes Bild, das von Holz mit Haͤnden gemacht war, durch ſich ſelbſt ſolte ſeine Farbe verlieren koͤnnen. Er kam alſo dem Wunder zu Huͤlfe und beſchmierte, um das Volk zu ſchrecken, das Geſicht des Goͤtzen mit rother Farbe. Der glaͤubige Koͤnig erſchrak nun ſehr, und flohe mit allen ſeinen Unterthanen in Kaͤhnen und mit aͤngſtlichem Geſchrei davon. Hierauf aber zeigte ſich die Strafe der Goͤtter. Denn der Thaͤter mit ſeinen Angehoͤrigen und einigen andern zuruͤkge- bliebnen Unglaͤubigen verſanken nebſt dem ganzen Reich. Die Leute von Foktſ ju haben nun dieſes Feſt Peirun in Nangaſacki zu feiern angefangen. Anfangs iſt es nur unter den Knaben, nachher aber auch unter Erwachſenen gefeiert worden. Andere erzaͤhlen, dieſe Geſchichte von den Loͤwen, welche zur Zierde vor dem Goͤtzen ſtanden, und von denen man (nicht durch Offenbarung an den Koͤnig, ſondern weil er in ihren Kigaki *) ſtand) geglaubt haͤtte, daß der Jnſel Untergang bevorſtuͤnde ſo bald der Loͤwen Augen gelb wuͤrde. Und da habe dann der Karo oder Regent des koͤniglichen Hofes die Falſchheit dieſer Weiſ- ſagung an den Tag bringen wollen, und die Augen der Loͤwen gefaͤrbt, welches aber die Flucht des Koͤnigs und den Untergang des Reichs bewirkt habe. **) Bei niedrigem Waſſer ſol in der Gegend dieſer Jnſel noch hie und da Land hervor- ſtehn, und ehmahls ſollen an dieſem Orte viele Schiffe untergegangen ſeyn. Dieſe Jnſel hatte die beſte Porzellainerde, die in der Welt jemahls geweſen und gebrant iſt, und bei niedrigem Waſſer pflegt man noch Taͤucher hinabzulaſſen, welche Porzellaingefaͤße, die an die Klippen angewachſen ſind, abbrechen und heraufziehen. Dieſe Gefaͤße ſind etwas gruͤn, aͤußerſt fein und die allerſeltenſten, die man nur irgend haben kan. Zum Beweis der Aecht- *) Ki oder Kigaki heiſt Geiſtſchrift, oder Fundationsſchrift, zum Gedaͤchtnis des Stifters vom Tempel und deſſen Goͤtzens; und worin man Nachricht findet, — wie? auf was Art? durch welche Mittel? und zu welcher Zeit? die Stiftung geſchehn iſt. K. **) Der Verfaſſer hat eben dieſe Geſchichte beinahe auf gleiche Art in den Amoenitatibus Exo- ticis Faſc. III. Obſ. 13. §. 8. erzaͤhlt, und ſie wird da- her weiter unten in dieſem Werke noch einmal vorkommen. Scheuchzer hat ſie hier ganz wegge- laſſen, welchem Beiſpiel ich aber nicht gefolgt bin, weil dieſe Geſchichte hier gerade am rechten Orte ſteht, von Kaͤmpfer in beiden Stellen etwas ab- weichend erzaͤhlt wird, und weil ſie ſich in meinen beiden Handſchriften findet und alſo nach K. Ab- ſicht hier hat ſtehen ſollen.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/378>, abgerufen am 24.11.2024.