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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zweit. K. Von den sintoschen Tempeln, Glauben und Götterdienst.
auch viel auf die budsdosche Sekte Sodosju, in welcher er ein größerer Eifer ist, als
ein erleuchteter Regent billig für irgend eine Religionsparthey seyn solte.

Noch ist bemerkenswerth, daß beinahe Alle, welche dieser Religion Sinto zuge-
than sind (und so auch viele Sjutosju) in ihrer Todesstunde ihre Seele der Vorsorge der
Budsdopfaffen übergeben, das Namanda über sich siegen, und ihren Körper nach der
Weise dieser Sekte verbrennen oder begraben lassen.

Die Anhänger der Sinto glauben keine Wanderung der Seelen nach dem Tode,
wie andre Heiden. Doch aber enthalten sie sich sorgfältig vom Tödten und Genießen der vol-
komnern Thiere, und pflegen besonders alle diejenigen, welche dem Menschen in diesem Le-
ben Dienste thun, nicht zu schlachten, welches sie für ein Werk der Unbarmherzigkeit und
grausamsten Undankbarkeit halten.

Die Sintoisten glauben ferner, daß die Seelen der Frommen unmittelbar nach
dem Tode in den höchsten der drei und dreißig Himmel oder Wohnplätze der Götter, (wel-
cher Takama no Farra d. i. erhabene und überhimlische Felder heiße) versezt werden;
von welchem die Bösen zur Strafe und Reinigung eine Zeitlang entfernt bleiben müssen.
Es scheint mir, daß sie unter Takama no Farra nicht sowohl einen Ort als einen Stand
der Seligkeit
verstehn. Außer diesem Elysium aber giebt es, nach der Sinto, gar keine
Art von Hölle, cimmerische Finsternis, und unglüklichen Zustand der Verstorbenen. Diese
Lehre kent auch gar keinen Teufel, außer daß von einigen der Fuchs dafür angenommen
wird, welcher in diesem Lande noch mehr Possen angerichtet hat, als beim Aesopus. Man
hält ihn für ein sehr gefährlich Thier, und glaubt, daß er manche Menschen (gerade wie bei
den Christen der Teufel) besitze. Man glaubt auch, daß die abgeschiednen Seelen der bö-
sen Menschen in Füchse verwandelt werden, welche von den Priestern Ma, d. i. böse Gei-
ster
genant werden.

Die Hauptpuncte des sintoschen Gottesdienstes, durch deren Erfüllung sie ih-
ren Göttern zu dienen, und in jene elysische Felder zu kommen, oder vielmehr (als Leute die
wenige Begriffe von der Unsterblichkeit der Seele haben) den zeitlichen Segen der Götter
in diesem Leben zu erlangen hoffen, -- diese Hauptpuncte sind: erstlich, eine Reinigkeit
des Herzens.
Zweitens eine religiöse Enthaltung von allem dem, was den Menschen ent-
heiligt. Drittens, Feyer der Feste und Tempeltage. Viertens, Besuchung der heiligen
Städte Jsje, welchen noch von einigen als ein opus supererogationis hinzugefügt wird,
fünftens, das Casteyen des Leibes.

Der erste Punkt die Reinigkeit des Herzens erfodert dasjenige zu thun und zu
unterlassen, was das Gesez der Natur und die weltliche Obrigkeit (die als irdische Gottheit

anzu-

Zweit. K. Von den ſintoſchen Tempeln, Glauben und Goͤtterdienſt.
auch viel auf die budsdoſche Sekte Sodosju, in welcher er ein groͤßerer Eifer iſt, als
ein erleuchteter Regent billig fuͤr irgend eine Religionsparthey ſeyn ſolte.

Noch iſt bemerkenswerth, daß beinahe Alle, welche dieſer Religion Sinto zuge-
than ſind (und ſo auch viele Sjutosju) in ihrer Todesſtunde ihre Seele der Vorſorge der
Budsdopfaffen uͤbergeben, das Namanda uͤber ſich ſiegen, und ihren Koͤrper nach der
Weiſe dieſer Sekte verbrennen oder begraben laſſen.

Die Anhaͤnger der Sinto glauben keine Wanderung der Seelen nach dem Tode,
wie andre Heiden. Doch aber enthalten ſie ſich ſorgfaͤltig vom Toͤdten und Genießen der vol-
komnern Thiere, und pflegen beſonders alle diejenigen, welche dem Menſchen in dieſem Le-
ben Dienſte thun, nicht zu ſchlachten, welches ſie fuͤr ein Werk der Unbarmherzigkeit und
grauſamſten Undankbarkeit halten.

Die Sintoiſten glauben ferner, daß die Seelen der Frommen unmittelbar nach
dem Tode in den hoͤchſten der drei und dreißig Himmel oder Wohnplaͤtze der Goͤtter, (wel-
cher Takama no Farra d. i. erhabene und uͤberhimliſche Felder heiße) verſezt werden;
von welchem die Boͤſen zur Strafe und Reinigung eine Zeitlang entfernt bleiben muͤſſen.
Es ſcheint mir, daß ſie unter Takama no Farra nicht ſowohl einen Ort als einen Stand
der Seligkeit
verſtehn. Außer dieſem Elyſium aber giebt es, nach der Sinto, gar keine
Art von Hoͤlle, cimmeriſche Finſternis, und ungluͤklichen Zuſtand der Verſtorbenen. Dieſe
Lehre kent auch gar keinen Teufel, außer daß von einigen der Fuchs dafuͤr angenommen
wird, welcher in dieſem Lande noch mehr Poſſen angerichtet hat, als beim Aeſopus. Man
haͤlt ihn fuͤr ein ſehr gefaͤhrlich Thier, und glaubt, daß er manche Menſchen (gerade wie bei
den Chriſten der Teufel) beſitze. Man glaubt auch, daß die abgeſchiednen Seelen der boͤ-
ſen Menſchen in Fuͤchſe verwandelt werden, welche von den Prieſtern Ma, d. i. boͤſe Gei-
ſter
genant werden.

Die Hauptpuncte des ſintoſchen Gottesdienſtes, durch deren Erfuͤllung ſie ih-
ren Goͤttern zu dienen, und in jene elyſiſche Felder zu kommen, oder vielmehr (als Leute die
wenige Begriffe von der Unſterblichkeit der Seele haben) den zeitlichen Segen der Goͤtter
in dieſem Leben zu erlangen hoffen, — dieſe Hauptpuncte ſind: erſtlich, eine Reinigkeit
des Herzens.
Zweitens eine religioͤſe Enthaltung von allem dem, was den Menſchen ent-
heiligt. Drittens, Feyer der Feſte und Tempeltage. Viertens, Beſuchung der heiligen
Staͤdte Jsje, welchen noch von einigen als ein opus ſupererogationis hinzugefuͤgt wird,
fuͤnftens, das Caſteyen des Leibes.

Der erſte Punkt die Reinigkeit des Herzens erfodert dasjenige zu thun und zu
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[263/0369] Zweit. K. Von den ſintoſchen Tempeln, Glauben und Goͤtterdienſt. auch viel auf die budsdoſche Sekte Sodosju, in welcher er ein groͤßerer Eifer iſt, als ein erleuchteter Regent billig fuͤr irgend eine Religionsparthey ſeyn ſolte. Noch iſt bemerkenswerth, daß beinahe Alle, welche dieſer Religion Sinto zuge- than ſind (und ſo auch viele Sjutosju) in ihrer Todesſtunde ihre Seele der Vorſorge der Budsdopfaffen uͤbergeben, das Namanda uͤber ſich ſiegen, und ihren Koͤrper nach der Weiſe dieſer Sekte verbrennen oder begraben laſſen. Die Anhaͤnger der Sinto glauben keine Wanderung der Seelen nach dem Tode, wie andre Heiden. Doch aber enthalten ſie ſich ſorgfaͤltig vom Toͤdten und Genießen der vol- komnern Thiere, und pflegen beſonders alle diejenigen, welche dem Menſchen in dieſem Le- ben Dienſte thun, nicht zu ſchlachten, welches ſie fuͤr ein Werk der Unbarmherzigkeit und grauſamſten Undankbarkeit halten. Die Sintoiſten glauben ferner, daß die Seelen der Frommen unmittelbar nach dem Tode in den hoͤchſten der drei und dreißig Himmel oder Wohnplaͤtze der Goͤtter, (wel- cher Takama no Farra d. i. erhabene und uͤberhimliſche Felder heiße) verſezt werden; von welchem die Boͤſen zur Strafe und Reinigung eine Zeitlang entfernt bleiben muͤſſen. Es ſcheint mir, daß ſie unter Takama no Farra nicht ſowohl einen Ort als einen Stand der Seligkeit verſtehn. Außer dieſem Elyſium aber giebt es, nach der Sinto, gar keine Art von Hoͤlle, cimmeriſche Finſternis, und ungluͤklichen Zuſtand der Verſtorbenen. Dieſe Lehre kent auch gar keinen Teufel, außer daß von einigen der Fuchs dafuͤr angenommen wird, welcher in dieſem Lande noch mehr Poſſen angerichtet hat, als beim Aeſopus. Man haͤlt ihn fuͤr ein ſehr gefaͤhrlich Thier, und glaubt, daß er manche Menſchen (gerade wie bei den Chriſten der Teufel) beſitze. Man glaubt auch, daß die abgeſchiednen Seelen der boͤ- ſen Menſchen in Fuͤchſe verwandelt werden, welche von den Prieſtern Ma, d. i. boͤſe Gei- ſter genant werden. Die Hauptpuncte des ſintoſchen Gottesdienſtes, durch deren Erfuͤllung ſie ih- ren Goͤttern zu dienen, und in jene elyſiſche Felder zu kommen, oder vielmehr (als Leute die wenige Begriffe von der Unſterblichkeit der Seele haben) den zeitlichen Segen der Goͤtter in dieſem Leben zu erlangen hoffen, — dieſe Hauptpuncte ſind: erſtlich, eine Reinigkeit des Herzens. Zweitens eine religioͤſe Enthaltung von allem dem, was den Menſchen ent- heiligt. Drittens, Feyer der Feſte und Tempeltage. Viertens, Beſuchung der heiligen Staͤdte Jsje, welchen noch von einigen als ein opus ſupererogationis hinzugefuͤgt wird, fuͤnftens, das Caſteyen des Leibes. Der erſte Punkt die Reinigkeit des Herzens erfodert dasjenige zu thun und zu unterlaſſen, was das Geſez der Natur und die weltliche Obrigkeit (die als irdiſche Gottheit anzu-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/369>, abgerufen am 24.11.2024.