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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.
daß er diese Lehre nicht den unverständigen und ungläubigen Laien mittheilen und profaniren
wolle. Der Originaltext aus ihrem Buche: O Daiki, der diese mysteriöse Lehre enthält,
ist folgender: Kai fakuno fasine Dsjusio fuso Tatojeba Ju Jono Sui soni ukunga
Gatosj Teutsjino Utsjini itsi batsu wo seosu Katals Jozeno gotosj; fenquas
ste sinto nar kuni toko Datsno mikotto to goos.
Diese Worte bedeuten: Jm An-
fang der Oefnung aller Dinge trieb ein Chaos, wie Fische aus Vergnügen auf
dem Wasser treiben. Aus dem Chaos entstund dadurch ein Ding, der Figur
nach wie ein Dornsprosse, beweglich und transformabel, welches eine Sele oder
Geist wurde. Dieser wird genant Kuni toko Datsno Mikotto.

Ein Ottona gab mir hievon folgende Erklärung: Jm Anfang war ein Chaos
oder eine Vermischung der fünf Elemente, Konton genant; vor dieser aber war eine
Ki, d. i. Kraft, Dampf oder Geist. Jn der Konton schwebten oder wurden durch die
Ki hervorgebracht die vorhin erwähnte Tensin Sitzi Dai; man mus sich vorstellen, daß
diese wie Träume drin schwebten. Endlich entstanden dann Dsi sin godai, als volkom-
nere Substanzen, zuerst der Tensjo Dai Sin, welcher Japan gemacht hat und dessen
Stifter ist.

Der vorhin erwähnte Ki ist Anima Universi oder der algemeine Weltgeist,
wohin aller Verstorbenen reine Seelen sogleich hinfahren, die unreinen aber sich aufhalten,
wie ein Wasser, das durch viele Umwege und Anstöße trübe wird. Jn diesem algemei-
nen Weltgeist
hört das Ego sum oder haec individualis persona auf, wie in einer
Vermischung der Wasser im Meere. Eben so wie eine auf dem Berge stehende See ihre
eigene Benennung hat, so lange sie auf dem Berge bleibt, wenn sie aber herab ins Meer
fliest und von demselben verschlungen wird, nicht mehr kan der vorige Bergsee genant
werden.

Diese Ki aber bedeutet: 1) das alleredelste Wesen der Götter, 2) die
Selen der Menschen
und 3) die Selen der Thiere. Dem allersubtilsten Lichterwesen
der Götter wird kein besonderer Ort angewiesen; ausser dem Tensjo Dai Sin, welcher
in dem Herzen einer Gutes denkenden reinen Seele seyn sol. Die reinen Wesen oder See-
len sind aber von den unreinen Wesen oder Seelen ganz abgesondert und unterschieden.

Wir haben einmal einen Ottona im Gebet angetroffen, einige Matten lang ab-
gewandt*) gegen die Fuda der Ofarrai, die mit der Ueberschrift ihres Tensio Dai

Sin
*) [Spaltenumbruch]
Jch habe diese Stelle unverändert aus dem
Original beibehalten, da sie mir nicht recht
[Spaltenumbruch] deutlich ist.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.
daß er dieſe Lehre nicht den unverſtaͤndigen und unglaͤubigen Laien mittheilen und profaniren
wolle. Der Originaltext aus ihrem Buche: O Daiki, der dieſe myſterioͤſe Lehre enthaͤlt,
iſt folgender: Kai fakuno faſine Dſjuſio fuſo Tatojeba Ju Jono Sui ſoni ukunga
Gatoſj Teutſjino Utſjini itſi batſu wo ſeoſu Katals Jozeno gotoſj; fenquas
ſte ſinto nar kuni toko Datſno mikotto to goos.
Dieſe Worte bedeuten: Jm An-
fang der Oefnung aller Dinge trieb ein Chaos, wie Fiſche aus Vergnuͤgen auf
dem Waſſer treiben. Aus dem Chaos entſtund dadurch ein Ding, der Figur
nach wie ein Dornſproſſe, beweglich und transformabel, welches eine Sele oder
Geiſt wurde. Dieſer wird genant Kuni toko Datſno Mikotto.

Ein Ottona gab mir hievon folgende Erklaͤrung: Jm Anfang war ein Chaos
oder eine Vermiſchung der fuͤnf Elemente, Konton genant; vor dieſer aber war eine
Ki, d. i. Kraft, Dampf oder Geiſt. Jn der Konton ſchwebten oder wurden durch die
Ki hervorgebracht die vorhin erwaͤhnte Tenſin Sitzi Dai; man mus ſich vorſtellen, daß
dieſe wie Traͤume drin ſchwebten. Endlich entſtanden dann Dſi ſin godai, als volkom-
nere Subſtanzen, zuerſt der Tenſjo Dai Sin, welcher Japan gemacht hat und deſſen
Stifter iſt.

Der vorhin erwaͤhnte Ki iſt Anima Univerſi oder der algemeine Weltgeiſt,
wohin aller Verſtorbenen reine Seelen ſogleich hinfahren, die unreinen aber ſich aufhalten,
wie ein Waſſer, das durch viele Umwege und Anſtoͤße truͤbe wird. Jn dieſem algemei-
nen Weltgeiſt
hoͤrt das Ego ſum oder haec individualis perſona auf, wie in einer
Vermiſchung der Waſſer im Meere. Eben ſo wie eine auf dem Berge ſtehende See ihre
eigene Benennung hat, ſo lange ſie auf dem Berge bleibt, wenn ſie aber herab ins Meer
flieſt und von demſelben verſchlungen wird, nicht mehr kan der vorige Bergſee genant
werden.

Dieſe Ki aber bedeutet: 1) das alleredelſte Weſen der Goͤtter, 2) die
Selen der Menſchen
und 3) die Selen der Thiere. Dem allerſubtilſten Lichterweſen
der Goͤtter wird kein beſonderer Ort angewieſen; auſſer dem Tenſjo Dai Sin, welcher
in dem Herzen einer Gutes denkenden reinen Seele ſeyn ſol. Die reinen Weſen oder See-
len ſind aber von den unreinen Weſen oder Seelen ganz abgeſondert und unterſchieden.

Wir haben einmal einen Ottona im Gebet angetroffen, einige Matten lang ab-
gewandt*) gegen die Fuda der Ofarrai, die mit der Ueberſchrift ihres Tenſio Dai

Sin
*) [Spaltenumbruch]
Jch habe dieſe Stelle unveraͤndert aus dem
Original beibehalten, da ſie mir nicht recht
[Spaltenumbruch] deutlich iſt.
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[256/0360] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. daß er dieſe Lehre nicht den unverſtaͤndigen und unglaͤubigen Laien mittheilen und profaniren wolle. Der Originaltext aus ihrem Buche: O Daiki, der dieſe myſterioͤſe Lehre enthaͤlt, iſt folgender: Kai fakuno faſine Dſjuſio fuſo Tatojeba Ju Jono Sui ſoni ukunga Gatoſj Teutſjino Utſjini itſi batſu wo ſeoſu Katals Jozeno gotoſj; fenquas ſte ſinto nar kuni toko Datſno mikotto to goos. Dieſe Worte bedeuten: Jm An- fang der Oefnung aller Dinge trieb ein Chaos, wie Fiſche aus Vergnuͤgen auf dem Waſſer treiben. Aus dem Chaos entſtund dadurch ein Ding, der Figur nach wie ein Dornſproſſe, beweglich und transformabel, welches eine Sele oder Geiſt wurde. Dieſer wird genant Kuni toko Datſno Mikotto. Ein Ottona gab mir hievon folgende Erklaͤrung: Jm Anfang war ein Chaos oder eine Vermiſchung der fuͤnf Elemente, Konton genant; vor dieſer aber war eine Ki, d. i. Kraft, Dampf oder Geiſt. Jn der Konton ſchwebten oder wurden durch die Ki hervorgebracht die vorhin erwaͤhnte Tenſin Sitzi Dai; man mus ſich vorſtellen, daß dieſe wie Traͤume drin ſchwebten. Endlich entſtanden dann Dſi ſin godai, als volkom- nere Subſtanzen, zuerſt der Tenſjo Dai Sin, welcher Japan gemacht hat und deſſen Stifter iſt. Der vorhin erwaͤhnte Ki iſt Anima Univerſi oder der algemeine Weltgeiſt, wohin aller Verſtorbenen reine Seelen ſogleich hinfahren, die unreinen aber ſich aufhalten, wie ein Waſſer, das durch viele Umwege und Anſtoͤße truͤbe wird. Jn dieſem algemei- nen Weltgeiſt hoͤrt das Ego ſum oder haec individualis perſona auf, wie in einer Vermiſchung der Waſſer im Meere. Eben ſo wie eine auf dem Berge ſtehende See ihre eigene Benennung hat, ſo lange ſie auf dem Berge bleibt, wenn ſie aber herab ins Meer flieſt und von demſelben verſchlungen wird, nicht mehr kan der vorige Bergſee genant werden. Dieſe Ki aber bedeutet: 1) das alleredelſte Weſen der Goͤtter, 2) die Selen der Menſchen und 3) die Selen der Thiere. Dem allerſubtilſten Lichterweſen der Goͤtter wird kein beſonderer Ort angewieſen; auſſer dem Tenſjo Dai Sin, welcher in dem Herzen einer Gutes denkenden reinen Seele ſeyn ſol. Die reinen Weſen oder See- len ſind aber von den unreinen Weſen oder Seelen ganz abgeſondert und unterſchieden. Wir haben einmal einen Ottona im Gebet angetroffen, einige Matten lang ab- gewandt *) gegen die Fuda der Ofarrai, die mit der Ueberſchrift ihres Tenſio Dai Sin *) Jch habe dieſe Stelle unveraͤndert aus dem Original beibehalten, da ſie mir nicht recht deutlich iſt.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/360>, abgerufen am 24.11.2024.