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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Drittes Buch.

Die christliche Religion ist durch den gewis lobenswürdigen, ganz ausserordent-
lichen Eifer der spanischen und portugiesischen Missionaren, und vorzüglich auch der
Jesuiten, vom Jahre 1549 an (da 1543 Japan zuerst entdekt war) bis 1625 oder bey-
nahe 1630 mit einem außerordentlich glüklichen Fortgange durch das ganze Reich ausge-
breitet worden. Das Christenthum hat in dieser Periode auch die Prinzen und Vornehm-
sten des Landes in allen Provinzen mit unter seine Anhänger gezählt; und wahrscheinlich
würde es bei diesem so glüklichen Anfange sich bald über ganz Japan ausgebreitet haben,
wenn nicht die ehrsüchtigen Absichten und unruhvollen Unternehmungen der Missionaren
(die weltliche und geistliche Belohnung ihrer Arbeiten zugleich verlangten) sich den gerech-
ten Zorn der höchsten Majestät des Reichs zugezogen, und dadurch eine Verfolgung über die
neuen Christen veranlast hätten, die an unmenschlicher Grausamkeit in der ganzen Geschichte
nicht ihres Gleichen hat. Dadurch ist dann aber auch der christliche Glaube bis auf die lezte
Sprosse vertilget, und es ist endlich so weit gekommen, daß die bloße Erwähnung des theu-
ren Namens unsers Heilandes mit Kreuz und Schwerd bestraft wird.

Die jezt bei den Japanern blühende und zugelassene drei Hauptreligionen oder
Sekten werden bei ihnen kurz Sin, Budz, und Sju genant. Die leztre kan man im
eigentlichen Sinne nicht einmal eine Religion nennen;*) sondern nur den Buds- und Kame-
Glauben.**) Der dritte Theil beider Glaubensgenossen besteht aber in der That (nicht nach
dem äußern Scheine, den die Landesgesetze nothwendig machen) aus ungläubigen und wahr-
haften Atheisten.***)

Nicht eben wegen der Menge der Anhänger, sondern dem Range nach wird für
die vornehmste Religion gehalten:

Die Sinto, Sinsju.

Noch ein andrer Name dieser Religion ist Kami Mitsj d. i. einheimischer
Götzen Glaube. Sin
und Kami heist ein einheimisches Götzenbild; To oder Mits,
der Weg, Methode; Sju der Glaube, Religion; Sinsja oder Sinto Sja, oder in
der mehrern Zahl, Sinsju, die Personen, so diesen Weg befolgen. Diese Religion be-

trift
*) Diese Bemerkung befindet sich nur in dem
Mascpt. des Neffen. Jn der englischen Ueberse-
tzung, so wie im Mascpte des Oheims, fehlt dieser
Absatz ganz.
**) Sie ist vielmehr eine philosophische
Sekte.
***) Jch schreibe bald Budz, bald Buds,
Kame odet Kami, -- nicht aus Unachtsam-
keit; sondern weil ich meinem Autor, der
auch so abwechselt, hierin getreu nachfolgen
wolte.
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch.

Die chriſtliche Religion iſt durch den gewis lobenswuͤrdigen, ganz auſſerordent-
lichen Eifer der ſpaniſchen und portugieſiſchen Miſſionaren, und vorzuͤglich auch der
Jeſuiten, vom Jahre 1549 an (da 1543 Japan zuerſt entdekt war) bis 1625 oder bey-
nahe 1630 mit einem außerordentlich gluͤklichen Fortgange durch das ganze Reich ausge-
breitet worden. Das Chriſtenthum hat in dieſer Periode auch die Prinzen und Vornehm-
ſten des Landes in allen Provinzen mit unter ſeine Anhaͤnger gezaͤhlt; und wahrſcheinlich
wuͤrde es bei dieſem ſo gluͤklichen Anfange ſich bald uͤber ganz Japan ausgebreitet haben,
wenn nicht die ehrſuͤchtigen Abſichten und unruhvollen Unternehmungen der Miſſionaren
(die weltliche und geiſtliche Belohnung ihrer Arbeiten zugleich verlangten) ſich den gerech-
ten Zorn der hoͤchſten Majeſtaͤt des Reichs zugezogen, und dadurch eine Verfolgung uͤber die
neuen Chriſten veranlaſt haͤtten, die an unmenſchlicher Grauſamkeit in der ganzen Geſchichte
nicht ihres Gleichen hat. Dadurch iſt dann aber auch der chriſtliche Glaube bis auf die lezte
Sproſſe vertilget, und es iſt endlich ſo weit gekommen, daß die bloße Erwaͤhnung des theu-
ren Namens unſers Heilandes mit Kreuz und Schwerd beſtraft wird.

Die jezt bei den Japanern bluͤhende und zugelaſſene drei Hauptreligionen oder
Sekten werden bei ihnen kurz Sin, Budz, und Sju genant. Die leztre kan man im
eigentlichen Sinne nicht einmal eine Religion nennen;*) ſondern nur den Budſ- und Kame-
Glauben.**) Der dritte Theil beider Glaubensgenoſſen beſteht aber in der That (nicht nach
dem aͤußern Scheine, den die Landesgeſetze nothwendig machen) aus unglaͤubigen und wahr-
haften Atheiſten.***)

Nicht eben wegen der Menge der Anhaͤnger, ſondern dem Range nach wird fuͤr
die vornehmſte Religion gehalten:

Die Sinto, Sinsju.

Noch ein andrer Name dieſer Religion iſt Kami Mitſj d. i. einheimiſcher
Goͤtzen Glaube. Sin
und Kami heiſt ein einheimiſches Goͤtzenbild; To oder Mitſ,
der Weg, Methode; Sju der Glaube, Religion; Sinsja oder Sinto Sja, oder in
der mehrern Zahl, Sinsju, die Perſonen, ſo dieſen Weg befolgen. Dieſe Religion be-

trift
*) Dieſe Bemerkung befindet ſich nur in dem
Maſcpt. des Neffen. Jn der engliſchen Ueberſe-
tzung, ſo wie im Maſcpte des Oheims, fehlt dieſer
Abſatz ganz.
**) Sie iſt vielmehr eine philoſophiſche
Sekte.
***) Jch ſchreibe bald Budz, bald Buds,
Kame odet Kami, — nicht aus Unachtſam-
keit; ſondern weil ich meinem Autor, der
auch ſo abwechſelt, hierin getreu nachfolgen
wolte.
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[252/0356] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Drittes Buch. Die chriſtliche Religion iſt durch den gewis lobenswuͤrdigen, ganz auſſerordent- lichen Eifer der ſpaniſchen und portugieſiſchen Miſſionaren, und vorzuͤglich auch der Jeſuiten, vom Jahre 1549 an (da 1543 Japan zuerſt entdekt war) bis 1625 oder bey- nahe 1630 mit einem außerordentlich gluͤklichen Fortgange durch das ganze Reich ausge- breitet worden. Das Chriſtenthum hat in dieſer Periode auch die Prinzen und Vornehm- ſten des Landes in allen Provinzen mit unter ſeine Anhaͤnger gezaͤhlt; und wahrſcheinlich wuͤrde es bei dieſem ſo gluͤklichen Anfange ſich bald uͤber ganz Japan ausgebreitet haben, wenn nicht die ehrſuͤchtigen Abſichten und unruhvollen Unternehmungen der Miſſionaren (die weltliche und geiſtliche Belohnung ihrer Arbeiten zugleich verlangten) ſich den gerech- ten Zorn der hoͤchſten Majeſtaͤt des Reichs zugezogen, und dadurch eine Verfolgung uͤber die neuen Chriſten veranlaſt haͤtten, die an unmenſchlicher Grauſamkeit in der ganzen Geſchichte nicht ihres Gleichen hat. Dadurch iſt dann aber auch der chriſtliche Glaube bis auf die lezte Sproſſe vertilget, und es iſt endlich ſo weit gekommen, daß die bloße Erwaͤhnung des theu- ren Namens unſers Heilandes mit Kreuz und Schwerd beſtraft wird. Die jezt bei den Japanern bluͤhende und zugelaſſene drei Hauptreligionen oder Sekten werden bei ihnen kurz Sin, Budz, und Sju genant. Die leztre kan man im eigentlichen Sinne nicht einmal eine Religion nennen; *) ſondern nur den Budſ- und Kame- Glauben. **) Der dritte Theil beider Glaubensgenoſſen beſteht aber in der That (nicht nach dem aͤußern Scheine, den die Landesgeſetze nothwendig machen) aus unglaͤubigen und wahr- haften Atheiſten. ***) Nicht eben wegen der Menge der Anhaͤnger, ſondern dem Range nach wird fuͤr die vornehmſte Religion gehalten: Die Sinto, Sinsju. Noch ein andrer Name dieſer Religion iſt Kami Mitſj d. i. einheimiſcher Goͤtzen Glaube. Sin und Kami heiſt ein einheimiſches Goͤtzenbild; To oder Mitſ, der Weg, Methode; Sju der Glaube, Religion; Sinsja oder Sinto Sja, oder in der mehrern Zahl, Sinsju, die Perſonen, ſo dieſen Weg befolgen. Dieſe Religion be- trift *) Dieſe Bemerkung befindet ſich nur in dem Maſcpt. des Neffen. Jn der engliſchen Ueberſe- tzung, ſo wie im Maſcpte des Oheims, fehlt dieſer Abſatz ganz. **) Sie iſt vielmehr eine philoſophiſche Sekte. ***) Jch ſchreibe bald Budz, bald Buds, Kame odet Kami, — nicht aus Unachtſam- keit; ſondern weil ich meinem Autor, der auch ſo abwechſelt, hierin getreu nachfolgen wolte.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/356>, abgerufen am 27.11.2024.