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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zweit. Kap. Algemeine Nachrichten von den geistlichen Erbkaisern etc.
Hofleuten in einigen Theilen so abwechselt, daß eines jeden Würde daraus zu erkennen steht,
wie aus verschiedenen beigefügten Kupfern gesehn werden kan.*) Sie sind angethan mit
weiten langen Hosen, und über dieselbe mit einem umher weit abstehenden, bei ihnen also
genanten Compliment- oder Ehrenkleide, woran rüklings ein abhangender Schweif nach-
schleppet. Die Platte des Haupts ist gezieret mit einer gepapten und schwarz verlakten
Mütze von mancherlei wunderlichen Formen, nach eines jeden Stande, an welchen öfters
ein steifer Schleier von schwarzem Flor hinten, oder obenwärts in die Ründe aufgebunden
ist, auch zuweilen ein runder Augenschirm zur Seiten abstehet, wie bei denen schüchternen
Kutschpferden. Man trägt auch wol zuweilen einen von beiden Seiten des Halses abhan-
genden Scherf oder breiten Band von verschiedener Länge, wobei auch Stand und Wür-
den zu erkennen sind, indem keiner befugt ist gegen hohe Personen sich tiefer zu bücken, als
bis die Enden des Bandes die Erde berühren. Das Frauenzimmer trägt vor andern welt-
lichen Personen ihres Geschlechts eine ausgezeichnete Kleidung und sonderlich des Dairi
zwölf Gemalinnen ungefutterte mit Gold beblümte kostbare Röcke, welche in viele breite
Falten gelegt, und so weit und lang sind, daß sie darin bequemer sitzen als gehn
können.

Die Wissenschaften machen nebst der Musik die wichtigste Beschäftigung dieses
Hofes aus. Besonders hat auch das schöne Geschlecht auf verschiednen musikalischen Jn-
strumenten, in der Dichtkunst und auch in historischen Wissenschaften viele Kentnis und Ge-
schiklichkeit. Viele Hofleute üben sich im Wetrennen, Balspielen, Springen, Tanzen,
Taschenspielen und dergleichen. Alle Calender sind zuerst bei Hofe gemacht; vorjetzo aber
werden dieselben von einem gelehrten Bürger in Miaco verfertiget: doch müssen selbige bei
Hofe von gewissen dazu deputirten Personen untersucht und geprüft, und hernach durch ihre
Sorge nach Jsje, einem hiezu bestimten Orte, in die Druckerei gesandt werden. Jhre
Comödien- und Tragödienspiele habe ich eben nicht untersuchet. Da aber die Japaneser
überhaupt zu allerlei Lustbarkeiten geneigt sind, werden sie es auch wol an dergleichen bei
Hofe nicht ermangeln lassen, sondern ihres geistlichen Standes Ernst und Heiligkeit ohnge-
achtet zu solchem angenehmen Zeitvertreib willig seyn, und gern ansehnliche Geldsummen
darauf verwenden.

Vor diesem, als der Dairi alleine Herr des Reichs war, residirte er mit seinem
Hofe bald in dieser bald in einer andern Stadt oder Lande seines Kaiserthums, und ver-
gnügte sich, dieselben mit seiner heiligen Gegenwart zu beehren, daher es sich selten fügte,

daß
*) Diese Kupfer befinden sich nicht bei der englischen Uebersetzung; und wird ihrer auch in der
selben gar nicht erwähnt.
Z 2

Zweit. Kap. Algemeine Nachrichten von den geiſtlichen Erbkaiſern ꝛc.
Hofleuten in einigen Theilen ſo abwechſelt, daß eines jeden Wuͤrde daraus zu erkennen ſteht,
wie aus verſchiedenen beigefuͤgten Kupfern geſehn werden kan.*) Sie ſind angethan mit
weiten langen Hoſen, und uͤber dieſelbe mit einem umher weit abſtehenden, bei ihnen alſo
genanten Compliment- oder Ehrenkleide, woran ruͤklings ein abhangender Schweif nach-
ſchleppet. Die Platte des Haupts iſt gezieret mit einer gepapten und ſchwarz verlakten
Muͤtze von mancherlei wunderlichen Formen, nach eines jeden Stande, an welchen oͤfters
ein ſteifer Schleier von ſchwarzem Flor hinten, oder obenwaͤrts in die Ruͤnde aufgebunden
iſt, auch zuweilen ein runder Augenſchirm zur Seiten abſtehet, wie bei denen ſchuͤchternen
Kutſchpferden. Man traͤgt auch wol zuweilen einen von beiden Seiten des Halſes abhan-
genden Scherf oder breiten Band von verſchiedener Laͤnge, wobei auch Stand und Wuͤr-
den zu erkennen ſind, indem keiner befugt iſt gegen hohe Perſonen ſich tiefer zu buͤcken, als
bis die Enden des Bandes die Erde beruͤhren. Das Frauenzimmer traͤgt vor andern welt-
lichen Perſonen ihres Geſchlechts eine ausgezeichnete Kleidung und ſonderlich des Dairi
zwoͤlf Gemalinnen ungefutterte mit Gold bebluͤmte koſtbare Roͤcke, welche in viele breite
Falten gelegt, und ſo weit und lang ſind, daß ſie darin bequemer ſitzen als gehn
koͤnnen.

Die Wiſſenſchaften machen nebſt der Muſik die wichtigſte Beſchaͤftigung dieſes
Hofes aus. Beſonders hat auch das ſchoͤne Geſchlecht auf verſchiednen muſikaliſchen Jn-
ſtrumenten, in der Dichtkunſt und auch in hiſtoriſchen Wiſſenſchaften viele Kentnis und Ge-
ſchiklichkeit. Viele Hofleute uͤben ſich im Wetrennen, Balſpielen, Springen, Tanzen,
Taſchenſpielen und dergleichen. Alle Calender ſind zuerſt bei Hofe gemacht; vorjetzo aber
werden dieſelben von einem gelehrten Buͤrger in Miaco verfertiget: doch muͤſſen ſelbige bei
Hofe von gewiſſen dazu deputirten Perſonen unterſucht und gepruͤft, und hernach durch ihre
Sorge nach Jſje, einem hiezu beſtimten Orte, in die Druckerei geſandt werden. Jhre
Comoͤdien- und Tragoͤdienſpiele habe ich eben nicht unterſuchet. Da aber die Japaneſer
uͤberhaupt zu allerlei Luſtbarkeiten geneigt ſind, werden ſie es auch wol an dergleichen bei
Hofe nicht ermangeln laſſen, ſondern ihres geiſtlichen Standes Ernſt und Heiligkeit ohnge-
achtet zu ſolchem angenehmen Zeitvertreib willig ſeyn, und gern anſehnliche Geldſummen
darauf verwenden.

Vor dieſem, als der Dairi alleine Herr des Reichs war, reſidirte er mit ſeinem
Hofe bald in dieſer bald in einer andern Stadt oder Lande ſeines Kaiſerthums, und ver-
gnuͤgte ſich, dieſelben mit ſeiner heiligen Gegenwart zu beehren, daher es ſich ſelten fuͤgte,

daß
*) Dieſe Kupfer befinden ſich nicht bei der engliſchen Ueberſetzung; und wird ihrer auch in der
ſelben gar nicht erwaͤhnt.
Z 2
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[179/0279] Zweit. Kap. Algemeine Nachrichten von den geiſtlichen Erbkaiſern ꝛc. Hofleuten in einigen Theilen ſo abwechſelt, daß eines jeden Wuͤrde daraus zu erkennen ſteht, wie aus verſchiedenen beigefuͤgten Kupfern geſehn werden kan. *) Sie ſind angethan mit weiten langen Hoſen, und uͤber dieſelbe mit einem umher weit abſtehenden, bei ihnen alſo genanten Compliment- oder Ehrenkleide, woran ruͤklings ein abhangender Schweif nach- ſchleppet. Die Platte des Haupts iſt gezieret mit einer gepapten und ſchwarz verlakten Muͤtze von mancherlei wunderlichen Formen, nach eines jeden Stande, an welchen oͤfters ein ſteifer Schleier von ſchwarzem Flor hinten, oder obenwaͤrts in die Ruͤnde aufgebunden iſt, auch zuweilen ein runder Augenſchirm zur Seiten abſtehet, wie bei denen ſchuͤchternen Kutſchpferden. Man traͤgt auch wol zuweilen einen von beiden Seiten des Halſes abhan- genden Scherf oder breiten Band von verſchiedener Laͤnge, wobei auch Stand und Wuͤr- den zu erkennen ſind, indem keiner befugt iſt gegen hohe Perſonen ſich tiefer zu buͤcken, als bis die Enden des Bandes die Erde beruͤhren. Das Frauenzimmer traͤgt vor andern welt- lichen Perſonen ihres Geſchlechts eine ausgezeichnete Kleidung und ſonderlich des Dairi zwoͤlf Gemalinnen ungefutterte mit Gold bebluͤmte koſtbare Roͤcke, welche in viele breite Falten gelegt, und ſo weit und lang ſind, daß ſie darin bequemer ſitzen als gehn koͤnnen. Die Wiſſenſchaften machen nebſt der Muſik die wichtigſte Beſchaͤftigung dieſes Hofes aus. Beſonders hat auch das ſchoͤne Geſchlecht auf verſchiednen muſikaliſchen Jn- ſtrumenten, in der Dichtkunſt und auch in hiſtoriſchen Wiſſenſchaften viele Kentnis und Ge- ſchiklichkeit. Viele Hofleute uͤben ſich im Wetrennen, Balſpielen, Springen, Tanzen, Taſchenſpielen und dergleichen. Alle Calender ſind zuerſt bei Hofe gemacht; vorjetzo aber werden dieſelben von einem gelehrten Buͤrger in Miaco verfertiget: doch muͤſſen ſelbige bei Hofe von gewiſſen dazu deputirten Perſonen unterſucht und gepruͤft, und hernach durch ihre Sorge nach Jſje, einem hiezu beſtimten Orte, in die Druckerei geſandt werden. Jhre Comoͤdien- und Tragoͤdienſpiele habe ich eben nicht unterſuchet. Da aber die Japaneſer uͤberhaupt zu allerlei Luſtbarkeiten geneigt ſind, werden ſie es auch wol an dergleichen bei Hofe nicht ermangeln laſſen, ſondern ihres geiſtlichen Standes Ernſt und Heiligkeit ohnge- achtet zu ſolchem angenehmen Zeitvertreib willig ſeyn, und gern anſehnliche Geldſummen darauf verwenden. Vor dieſem, als der Dairi alleine Herr des Reichs war, reſidirte er mit ſeinem Hofe bald in dieſer bald in einer andern Stadt oder Lande ſeines Kaiſerthums, und ver- gnuͤgte ſich, dieſelben mit ſeiner heiligen Gegenwart zu beehren, daher es ſich ſelten fuͤgte, daß *) Dieſe Kupfer befinden ſich nicht bei der engliſchen Ueberſetzung; und wird ihrer auch in der ſelben gar nicht erwaͤhnt. Z 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/279>, abgerufen am 22.11.2024.