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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
der einzige im ganzen Lande, außer daß er sich einige Meilen unterhalb Judja in einige
Aeste vertheilt. Die Einwohner geben von seinem Ursprung andere Nachrichten, als un-
sere Landcharten. Sie leiten ihn eben so wie den bengalischen Ganges, von dem hohen
Waldgebürge Jmaas ab. Er vertheile sich auf demselben, behaupten sie, in verschiedne
Aerme, welche durch Cambodia, Siam und Pegu ins Meer fallen. Und diese Ströme
sollen sowol unter sich, als auch mit dem Ganges durch verschiedene Sprossen verknüpft
seyn. Einige wollen sie sogar für Aeste und Abflüsse dieses großen Stroms halten, daß
man also, wenn man Lust hätte die große Mühe zu übernehmen, und durch Wälder und
Wildnisse Fahrten zu suchen und zu öfnen, mit kleinen Fahrzeugen von Siam nach Ben-
galen kommen könte. Jch gebe diese Sage für keine Wahrheit aus*), aber wol dasieni-
ge, was ich von der Beschaffenheit des Flusses von Judja bis zur See sagen werde, wel-
che ich auf dieser Reise selbst zu beobachten Zeit und Gelegenheit gehabt habe. Jch lege
Tab.
VII.
daher auch dem Liebhaber zu seinem Vergnügen den Abris davon hier vor. Man findet
darauf des Flusses natürlichen Lauf und alle Krümmen, welche durch Hülfe eines großen
Compasses abgemessen sind, die Vertheilungen und deren Ab- und Zuflüsse, die Lage der
Ufer, die anliegenden Wälder, Dörfer, Tempel, und die neulich wider die vernichtete
Flucht des französischen Generals mit seinen Truppen aufgeworfene Schanzen.

Jch finde von diesem Flusse nun noch folgende besondere Umstände zu bemerken:

Erstlich, daß er, wie der Nil in Aegypten, obgleich zu einer gerade entgegengesez-
ten Zeit, seine Ufer übersteige, das Land überschwemme, und durch diese Bewässerung
fruchtbar mache. Mit dem Monat September, oder noch etwas früher, (wenn die Son-
ne den Tropicum Cancri besucht, und den Schnee auf den hohen Nordgebirgen zum
Schmelzen gebracht hat,) nimt diese Ueberschwemmung ihren Anfang. Die alsdann ein-
tretende Regenzeit trägt hierzu nicht wenig bei; diese findet man allenthalben zwischen den
beiden Tropicis, wenn die Sonne den Zenith der Einwohner berührt. Jm Monat De-
cember nimt das Wasser almählig wieder ab, und bezieht wieder die vorige Ufer seines
Stroms.

Zweitens, wenn man das Grundwasser des ganzen Landes -- es sey an welcher
Stelle und zu welcher Zeit es wolle -- aufgräbt; so findet man allemal in einer Fläche

oder
*) [Spaltenumbruch]
Ein jesuitischer Missionar, le Clerc, wil die
Falschheit dieser Sage -- die man schon ziemlich
muthmaßen kan -- erfahren haben. Er fuhr den
Menam hinauf bis an die Gränzen von Laos,
und fand ihn daselbst sehr schmal, und die Einwoh-
ner versicherten ihn, daß man nur noch drei Ta-
[Spaltenumbruch] gereisen weiter gehen dürfte, so fände man den
Menam als ein kleines Bächlein, das dort aus einem
Berge hervorkäme. S. Journal ou Suite de Voya-
ge de Siam, fait en 1685 & 1686 par Mr. L. D. C.
a Amsterdam 1687. p.
291.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
der einzige im ganzen Lande, außer daß er ſich einige Meilen unterhalb Judja in einige
Aeſte vertheilt. Die Einwohner geben von ſeinem Urſprung andere Nachrichten, als un-
ſere Landcharten. Sie leiten ihn eben ſo wie den bengaliſchen Ganges, von dem hohen
Waldgebuͤrge Jmaas ab. Er vertheile ſich auf demſelben, behaupten ſie, in verſchiedne
Aerme, welche durch Cambodia, Siam und Pegu ins Meer fallen. Und dieſe Stroͤme
ſollen ſowol unter ſich, als auch mit dem Ganges durch verſchiedene Sproſſen verknuͤpft
ſeyn. Einige wollen ſie ſogar fuͤr Aeſte und Abfluͤſſe dieſes großen Stroms halten, daß
man alſo, wenn man Luſt haͤtte die große Muͤhe zu uͤbernehmen, und durch Waͤlder und
Wildniſſe Fahrten zu ſuchen und zu oͤfnen, mit kleinen Fahrzeugen von Siam nach Ben-
galen kommen koͤnte. Jch gebe dieſe Sage fuͤr keine Wahrheit aus*), aber wol dasieni-
ge, was ich von der Beſchaffenheit des Fluſſes von Judja bis zur See ſagen werde, wel-
che ich auf dieſer Reiſe ſelbſt zu beobachten Zeit und Gelegenheit gehabt habe. Jch lege
Tab.
VII.
daher auch dem Liebhaber zu ſeinem Vergnuͤgen den Abris davon hier vor. Man findet
darauf des Fluſſes natuͤrlichen Lauf und alle Kruͤmmen, welche durch Huͤlfe eines großen
Compaſſes abgemeſſen ſind, die Vertheilungen und deren Ab- und Zufluͤſſe, die Lage der
Ufer, die anliegenden Waͤlder, Doͤrfer, Tempel, und die neulich wider die vernichtete
Flucht des franzoͤſiſchen Generals mit ſeinen Truppen aufgeworfene Schanzen.

Jch finde von dieſem Fluſſe nun noch folgende beſondere Umſtaͤnde zu bemerken:

Erſtlich, daß er, wie der Nil in Aegypten, obgleich zu einer gerade entgegengeſez-
ten Zeit, ſeine Ufer uͤberſteige, das Land uͤberſchwemme, und durch dieſe Bewaͤſſerung
fruchtbar mache. Mit dem Monat September, oder noch etwas fruͤher, (wenn die Son-
ne den Tropicum Cancri beſucht, und den Schnee auf den hohen Nordgebirgen zum
Schmelzen gebracht hat,) nimt dieſe Ueberſchwemmung ihren Anfang. Die alsdann ein-
tretende Regenzeit traͤgt hierzu nicht wenig bei; dieſe findet man allenthalben zwiſchen den
beiden Tropicis, wenn die Sonne den Zenith der Einwohner beruͤhrt. Jm Monat De-
cember nimt das Waſſer almaͤhlig wieder ab, und bezieht wieder die vorige Ufer ſeines
Stroms.

Zweitens, wenn man das Grundwaſſer des ganzen Landes — es ſey an welcher
Stelle und zu welcher Zeit es wolle — aufgraͤbt; ſo findet man allemal in einer Flaͤche

oder
*) [Spaltenumbruch]
Ein jeſuitiſcher Miſſionar, le Clerc, wil die
Falſchheit dieſer Sage — die man ſchon ziemlich
muthmaßen kan — erfahren haben. Er fuhr den
Menam hinauf bis an die Graͤnzen von Laos,
und fand ihn daſelbſt ſehr ſchmal, und die Einwoh-
ner verſicherten ihn, daß man nur noch drei Ta-
[Spaltenumbruch] gereiſen weiter gehen duͤrfte, ſo faͤnde man den
Menam als ein kleines Baͤchlein, das dort aus einem
Berge hervorkaͤme. S. Journal ou Suite de Voya-
ge de Siam, fait en 1685 & 1686 par Mr. L. D. C.
à Amſterdam 1687. p.
291.
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[56/0142] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. der einzige im ganzen Lande, außer daß er ſich einige Meilen unterhalb Judja in einige Aeſte vertheilt. Die Einwohner geben von ſeinem Urſprung andere Nachrichten, als un- ſere Landcharten. Sie leiten ihn eben ſo wie den bengaliſchen Ganges, von dem hohen Waldgebuͤrge Jmaas ab. Er vertheile ſich auf demſelben, behaupten ſie, in verſchiedne Aerme, welche durch Cambodia, Siam und Pegu ins Meer fallen. Und dieſe Stroͤme ſollen ſowol unter ſich, als auch mit dem Ganges durch verſchiedene Sproſſen verknuͤpft ſeyn. Einige wollen ſie ſogar fuͤr Aeſte und Abfluͤſſe dieſes großen Stroms halten, daß man alſo, wenn man Luſt haͤtte die große Muͤhe zu uͤbernehmen, und durch Waͤlder und Wildniſſe Fahrten zu ſuchen und zu oͤfnen, mit kleinen Fahrzeugen von Siam nach Ben- galen kommen koͤnte. Jch gebe dieſe Sage fuͤr keine Wahrheit aus *), aber wol dasieni- ge, was ich von der Beſchaffenheit des Fluſſes von Judja bis zur See ſagen werde, wel- che ich auf dieſer Reiſe ſelbſt zu beobachten Zeit und Gelegenheit gehabt habe. Jch lege daher auch dem Liebhaber zu ſeinem Vergnuͤgen den Abris davon hier vor. Man findet darauf des Fluſſes natuͤrlichen Lauf und alle Kruͤmmen, welche durch Huͤlfe eines großen Compaſſes abgemeſſen ſind, die Vertheilungen und deren Ab- und Zufluͤſſe, die Lage der Ufer, die anliegenden Waͤlder, Doͤrfer, Tempel, und die neulich wider die vernichtete Flucht des franzoͤſiſchen Generals mit ſeinen Truppen aufgeworfene Schanzen. Tab. VII. Jch finde von dieſem Fluſſe nun noch folgende beſondere Umſtaͤnde zu bemerken: Erſtlich, daß er, wie der Nil in Aegypten, obgleich zu einer gerade entgegengeſez- ten Zeit, ſeine Ufer uͤberſteige, das Land uͤberſchwemme, und durch dieſe Bewaͤſſerung fruchtbar mache. Mit dem Monat September, oder noch etwas fruͤher, (wenn die Son- ne den Tropicum Cancri beſucht, und den Schnee auf den hohen Nordgebirgen zum Schmelzen gebracht hat,) nimt dieſe Ueberſchwemmung ihren Anfang. Die alsdann ein- tretende Regenzeit traͤgt hierzu nicht wenig bei; dieſe findet man allenthalben zwiſchen den beiden Tropicis, wenn die Sonne den Zenith der Einwohner beruͤhrt. Jm Monat De- cember nimt das Waſſer almaͤhlig wieder ab, und bezieht wieder die vorige Ufer ſeines Stroms. Zweitens, wenn man das Grundwaſſer des ganzen Landes — es ſey an welcher Stelle und zu welcher Zeit es wolle — aufgraͤbt; ſo findet man allemal in einer Flaͤche oder *) Ein jeſuitiſcher Miſſionar, le Clerc, wil die Falſchheit dieſer Sage — die man ſchon ziemlich muthmaßen kan — erfahren haben. Er fuhr den Menam hinauf bis an die Graͤnzen von Laos, und fand ihn daſelbſt ſehr ſchmal, und die Einwoh- ner verſicherten ihn, daß man nur noch drei Ta- gereiſen weiter gehen duͤrfte, ſo faͤnde man den Menam als ein kleines Baͤchlein, das dort aus einem Berge hervorkaͤme. S. Journal ou Suite de Voya- ge de Siam, fait en 1685 & 1686 par Mr. L. D. C. à Amſterdam 1687. p. 291.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/142>, abgerufen am 24.11.2024.