Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Es würde mich unendlich kränken, wenn dieser Plan, welchen mir die freundschaftlichste Gesinnung eingegeben hat, mißglücken sollte. Ich habe mir ein Mittel dagegen ausgedacht, und ich theile es Ihnen mit; denn ich bin offenherzig, und es ist gut, wenn Sie meine Maßregeln kennen. Sie sollen meine Töchter nicht auf einmal kennen lernen. Ich habe meine beiden jüngern weggeschickt und die älteste allein für Ihre Bekanntschaft zurückbehalten. Ihrem Alter gebührte dieses Vorrecht. Sie ist die Ihrige, sobald sie Ihnen ansteht. Ich werde die beiden andern nicht eher zurückrufen, als bis Sie sich erklärt haben und ich glauben darf, daß Ihre Liebe stark genug ist, um keine Gefahr zu laufen. Sie sind deßwegen an diese nicht gebunden -- denn Jeder hat seinen Geschmack; und wollte Gott, meine Töchter hätten dieses Sprichwort bestätigt und nicht umgestürzt. Morgen sollen Sie sie sehen; denn nach einer so ermüdenden Reise ist man nicht sehr geschickt zur Einleitung in die Liebe -- trinken Sie, Mr. Waltmann, auf die Gesundheit Derjenigen, welche Sie wählen werden; meine väterliche Zuneigung ist die Mitgift einer jeden. Ich trank, und nach dieser Erzählung und nach so manchem Zuge aus vollem Becher mit wahrer Theilnahme, und als wir uns trennten, um zu Bett zu gehen, schlief ich mit recht erfreulichen Gedanken ein. Es würde mich unendlich kränken, wenn dieser Plan, welchen mir die freundschaftlichste Gesinnung eingegeben hat, mißglücken sollte. Ich habe mir ein Mittel dagegen ausgedacht, und ich theile es Ihnen mit; denn ich bin offenherzig, und es ist gut, wenn Sie meine Maßregeln kennen. Sie sollen meine Töchter nicht auf einmal kennen lernen. Ich habe meine beiden jüngern weggeschickt und die älteste allein für Ihre Bekanntschaft zurückbehalten. Ihrem Alter gebührte dieses Vorrecht. Sie ist die Ihrige, sobald sie Ihnen ansteht. Ich werde die beiden andern nicht eher zurückrufen, als bis Sie sich erklärt haben und ich glauben darf, daß Ihre Liebe stark genug ist, um keine Gefahr zu laufen. Sie sind deßwegen an diese nicht gebunden — denn Jeder hat seinen Geschmack; und wollte Gott, meine Töchter hätten dieses Sprichwort bestätigt und nicht umgestürzt. Morgen sollen Sie sie sehen; denn nach einer so ermüdenden Reise ist man nicht sehr geschickt zur Einleitung in die Liebe — trinken Sie, Mr. Waltmann, auf die Gesundheit Derjenigen, welche Sie wählen werden; meine väterliche Zuneigung ist die Mitgift einer jeden. Ich trank, und nach dieser Erzählung und nach so manchem Zuge aus vollem Becher mit wahrer Theilnahme, und als wir uns trennten, um zu Bett zu gehen, schlief ich mit recht erfreulichen Gedanken ein. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <pb facs="#f0033"/> <p>Es würde mich unendlich kränken, wenn dieser Plan, welchen mir die freundschaftlichste Gesinnung eingegeben hat, mißglücken sollte. Ich habe mir ein Mittel dagegen ausgedacht, und ich theile es Ihnen mit; denn ich bin offenherzig, und es ist gut, wenn Sie meine Maßregeln kennen. Sie sollen meine Töchter nicht auf einmal kennen lernen. Ich habe meine beiden jüngern weggeschickt und die älteste allein für Ihre Bekanntschaft zurückbehalten. Ihrem Alter gebührte dieses Vorrecht. Sie ist die Ihrige, sobald sie Ihnen ansteht. Ich werde die beiden andern nicht eher zurückrufen, als bis Sie sich erklärt haben und ich glauben darf, daß Ihre Liebe stark genug ist, um keine Gefahr zu laufen. Sie sind deßwegen an diese nicht gebunden — denn Jeder hat seinen Geschmack; und wollte Gott, meine Töchter hätten dieses Sprichwort bestätigt und nicht umgestürzt. Morgen sollen Sie sie sehen; denn nach einer so ermüdenden Reise ist man nicht sehr geschickt zur Einleitung in die Liebe — trinken Sie, Mr. Waltmann, auf die Gesundheit Derjenigen, welche Sie wählen werden; meine väterliche Zuneigung ist die Mitgift einer jeden.</p><lb/> <p>Ich trank, und nach dieser Erzählung und nach so manchem Zuge aus vollem Becher mit wahrer Theilnahme, und als wir uns trennten, um zu Bett zu gehen, schlief ich mit recht erfreulichen Gedanken ein.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Es würde mich unendlich kränken, wenn dieser Plan, welchen mir die freundschaftlichste Gesinnung eingegeben hat, mißglücken sollte. Ich habe mir ein Mittel dagegen ausgedacht, und ich theile es Ihnen mit; denn ich bin offenherzig, und es ist gut, wenn Sie meine Maßregeln kennen. Sie sollen meine Töchter nicht auf einmal kennen lernen. Ich habe meine beiden jüngern weggeschickt und die älteste allein für Ihre Bekanntschaft zurückbehalten. Ihrem Alter gebührte dieses Vorrecht. Sie ist die Ihrige, sobald sie Ihnen ansteht. Ich werde die beiden andern nicht eher zurückrufen, als bis Sie sich erklärt haben und ich glauben darf, daß Ihre Liebe stark genug ist, um keine Gefahr zu laufen. Sie sind deßwegen an diese nicht gebunden — denn Jeder hat seinen Geschmack; und wollte Gott, meine Töchter hätten dieses Sprichwort bestätigt und nicht umgestürzt. Morgen sollen Sie sie sehen; denn nach einer so ermüdenden Reise ist man nicht sehr geschickt zur Einleitung in die Liebe — trinken Sie, Mr. Waltmann, auf die Gesundheit Derjenigen, welche Sie wählen werden; meine väterliche Zuneigung ist die Mitgift einer jeden.
Ich trank, und nach dieser Erzählung und nach so manchem Zuge aus vollem Becher mit wahrer Theilnahme, und als wir uns trennten, um zu Bett zu gehen, schlief ich mit recht erfreulichen Gedanken ein.
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/33>, abgerufen am 16.07.2024. |