Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ach! Mr. Waltmann! ein Franzose berührt und verbindet stets die Extreme. Ich dachte im Stillen an den Vater und seine drei Töchter. Und geht durch die Unordnung zur Regelmäßigkeit, und durch die Ausgelassenheit (libertinage) zu den Tugenden eines Familienvaters über. Die Deutschen thun ein Gleiches, Mr. Gerson; nur wird ihnen der Uebergang nicht so leicht. Was aber das Herz meiner Töchter anbeträfe, so dürfte ich auf ihre kindliche Ergebenheit zu sehr rechnen, um zu fürchten, daß ich zu viel verspräche, wenn ich seinen Sohn meinen künftigen Schwiegersohn nennte. Sie entzücken mich durch Ihre Güte, Mr. Gerson. Schiffer Classen brachte mir die Antwort, die sich auf Sie selbst bezog. Der Frachtzettel war richtig, aber die Waare fehlte. Ich holte zu einer Entschuldigung aus. Still, still! -- Sie haben einen Abstecher gemacht, der noch auf die alte Rechnung kömmt. Im vollen Sprunge steht sich's nicht gut auf einmal. Mein alter Freund hatte Recht, und ich sehe so ehrliche Schelmengesichter, wie das Ihrige, gern. Mr. Gerson war feiner, als ich geglaubt hatte. Sein Lob gewann ihm mein Herz, und ich wurde ernsthaft. Ach! Mr. Waltmann! ein Franzose berührt und verbindet stets die Extreme. Ich dachte im Stillen an den Vater und seine drei Töchter. Und geht durch die Unordnung zur Regelmäßigkeit, und durch die Ausgelassenheit (libertinage) zu den Tugenden eines Familienvaters über. Die Deutschen thun ein Gleiches, Mr. Gerson; nur wird ihnen der Uebergang nicht so leicht. Was aber das Herz meiner Töchter anbeträfe, so dürfte ich auf ihre kindliche Ergebenheit zu sehr rechnen, um zu fürchten, daß ich zu viel verspräche, wenn ich seinen Sohn meinen künftigen Schwiegersohn nennte. Sie entzücken mich durch Ihre Güte, Mr. Gerson. Schiffer Classen brachte mir die Antwort, die sich auf Sie selbst bezog. Der Frachtzettel war richtig, aber die Waare fehlte. Ich holte zu einer Entschuldigung aus. Still, still! — Sie haben einen Abstecher gemacht, der noch auf die alte Rechnung kömmt. Im vollen Sprunge steht sich's nicht gut auf einmal. Mein alter Freund hatte Recht, und ich sehe so ehrliche Schelmengesichter, wie das Ihrige, gern. Mr. Gerson war feiner, als ich geglaubt hatte. Sein Lob gewann ihm mein Herz, und ich wurde ernsthaft. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <pb facs="#f0032"/> <p>Ach! Mr. Waltmann! ein Franzose berührt und verbindet stets die Extreme.</p><lb/> <p>Ich dachte im Stillen an den Vater und seine drei Töchter.</p><lb/> <p>Und geht durch die Unordnung zur Regelmäßigkeit, und durch die Ausgelassenheit (libertinage) zu den Tugenden eines Familienvaters über.</p><lb/> <p>Die Deutschen thun ein Gleiches, Mr. Gerson; nur wird ihnen der Uebergang nicht so leicht.</p><lb/> <p>Was aber das Herz meiner Töchter anbeträfe, so dürfte ich auf ihre kindliche Ergebenheit zu sehr rechnen, um zu fürchten, daß ich zu viel verspräche, wenn ich seinen Sohn meinen künftigen Schwiegersohn nennte.</p><lb/> <p>Sie entzücken mich durch Ihre Güte, Mr. Gerson.</p><lb/> <p>Schiffer Classen brachte mir die Antwort, die sich auf Sie selbst bezog. Der Frachtzettel war richtig, aber die Waare fehlte.</p><lb/> <p>Ich holte zu einer Entschuldigung aus.</p><lb/> <p>Still, still! — Sie haben einen Abstecher gemacht, der noch auf die alte Rechnung kömmt. Im vollen Sprunge steht sich's nicht gut auf einmal. Mein alter Freund hatte Recht, und ich sehe so ehrliche Schelmengesichter, wie das Ihrige, gern.</p><lb/> <p>Mr. Gerson war feiner, als ich geglaubt hatte. Sein Lob gewann ihm mein Herz, und ich wurde ernsthaft.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Ach! Mr. Waltmann! ein Franzose berührt und verbindet stets die Extreme.
Ich dachte im Stillen an den Vater und seine drei Töchter.
Und geht durch die Unordnung zur Regelmäßigkeit, und durch die Ausgelassenheit (libertinage) zu den Tugenden eines Familienvaters über.
Die Deutschen thun ein Gleiches, Mr. Gerson; nur wird ihnen der Uebergang nicht so leicht.
Was aber das Herz meiner Töchter anbeträfe, so dürfte ich auf ihre kindliche Ergebenheit zu sehr rechnen, um zu fürchten, daß ich zu viel verspräche, wenn ich seinen Sohn meinen künftigen Schwiegersohn nennte.
Sie entzücken mich durch Ihre Güte, Mr. Gerson.
Schiffer Classen brachte mir die Antwort, die sich auf Sie selbst bezog. Der Frachtzettel war richtig, aber die Waare fehlte.
Ich holte zu einer Entschuldigung aus.
Still, still! — Sie haben einen Abstecher gemacht, der noch auf die alte Rechnung kömmt. Im vollen Sprunge steht sich's nicht gut auf einmal. Mein alter Freund hatte Recht, und ich sehe so ehrliche Schelmengesichter, wie das Ihrige, gern.
Mr. Gerson war feiner, als ich geglaubt hatte. Sein Lob gewann ihm mein Herz, und ich wurde ernsthaft.
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/32>, abgerufen am 16.07.2024. |