Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Umsonst beklagte ich mich über diese Härte -- ich erfuhr nicht mehr. Doch schnitt sie mir nicht alle Hoffnung ab, und in einer günstigen Minute bat ich die Tante heimlich um ihren Beistand und um den Namen ihrer Wohnung. Ich habe meiner Nichte versprochen, sagte diese, Ihnen auf keine Weise zu helfen. Folglich kann ich Ihnen auch die verlangte Nachricht nicht geben. Doch, setzte sie lächelnd hinzu, wundert es mich, daß Sie erst der Frage bedürfen. Ich erstaunte über meine Einfalt. Ohne Sorge ließ ich sie gehen und sandte meinen Lohnbedienten nach, ihnen von ferne bis in ihre Wohnung zu folgen. Er brachte mir bald die Nachricht, daß sie in der Nähe des Palais Royal wohnten. 5. Ich fürchtete mich zu sehr vor meiner Geliebten, als daß ich gewagt hätte, noch heute diese Kenntniß zu benutzen. Innere Unruhe trieb mich von einem Orte zum andern. Ich konnte nirgends, selbst im Theater nicht, aushalten; Talma's Lebhaftigkeit schien mir heute frostig, und das gefühlvolle Spiel der Demoiselle Georges leere Affectation. Endlich ging ich ins Palais Royal, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein. Der Zufall führte mich in ein Zimmer, wo gespielt wurde. Es war mir eben recht. Ich pointirte, Umsonst beklagte ich mich über diese Härte — ich erfuhr nicht mehr. Doch schnitt sie mir nicht alle Hoffnung ab, und in einer günstigen Minute bat ich die Tante heimlich um ihren Beistand und um den Namen ihrer Wohnung. Ich habe meiner Nichte versprochen, sagte diese, Ihnen auf keine Weise zu helfen. Folglich kann ich Ihnen auch die verlangte Nachricht nicht geben. Doch, setzte sie lächelnd hinzu, wundert es mich, daß Sie erst der Frage bedürfen. Ich erstaunte über meine Einfalt. Ohne Sorge ließ ich sie gehen und sandte meinen Lohnbedienten nach, ihnen von ferne bis in ihre Wohnung zu folgen. Er brachte mir bald die Nachricht, daß sie in der Nähe des Palais Royal wohnten. 5. Ich fürchtete mich zu sehr vor meiner Geliebten, als daß ich gewagt hätte, noch heute diese Kenntniß zu benutzen. Innere Unruhe trieb mich von einem Orte zum andern. Ich konnte nirgends, selbst im Theater nicht, aushalten; Talma's Lebhaftigkeit schien mir heute frostig, und das gefühlvolle Spiel der Demoiselle Georges leere Affectation. Endlich ging ich ins Palais Royal, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein. Der Zufall führte mich in ein Zimmer, wo gespielt wurde. Es war mir eben recht. Ich pointirte, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <pb facs="#f0019"/> <p>Umsonst beklagte ich mich über diese Härte — ich erfuhr nicht mehr. Doch schnitt sie mir nicht alle Hoffnung ab, und in einer günstigen Minute bat ich die Tante heimlich um ihren Beistand und um den Namen ihrer Wohnung.</p><lb/> <p>Ich habe meiner Nichte versprochen, sagte diese, Ihnen auf keine Weise zu helfen. Folglich kann ich Ihnen auch die verlangte Nachricht nicht geben. Doch, setzte sie lächelnd hinzu, wundert es mich, daß Sie erst der Frage bedürfen.</p><lb/> <p>Ich erstaunte über meine Einfalt. Ohne Sorge ließ ich sie gehen und sandte meinen Lohnbedienten nach, ihnen von ferne bis in ihre Wohnung zu folgen. Er brachte mir bald die Nachricht, daß sie in der Nähe des Palais Royal wohnten.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="5"> <head>5.</head> <p>Ich fürchtete mich zu sehr vor meiner Geliebten, als daß ich gewagt hätte, noch heute diese Kenntniß zu benutzen. Innere Unruhe trieb mich von einem Orte zum andern. Ich konnte nirgends, selbst im Theater nicht, aushalten; Talma's Lebhaftigkeit schien mir heute frostig, und das gefühlvolle Spiel der Demoiselle Georges leere Affectation. Endlich ging ich ins Palais Royal, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein.</p><lb/> <p>Der Zufall führte mich in ein Zimmer, wo gespielt wurde. Es war mir eben recht. Ich pointirte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Umsonst beklagte ich mich über diese Härte — ich erfuhr nicht mehr. Doch schnitt sie mir nicht alle Hoffnung ab, und in einer günstigen Minute bat ich die Tante heimlich um ihren Beistand und um den Namen ihrer Wohnung.
Ich habe meiner Nichte versprochen, sagte diese, Ihnen auf keine Weise zu helfen. Folglich kann ich Ihnen auch die verlangte Nachricht nicht geben. Doch, setzte sie lächelnd hinzu, wundert es mich, daß Sie erst der Frage bedürfen.
Ich erstaunte über meine Einfalt. Ohne Sorge ließ ich sie gehen und sandte meinen Lohnbedienten nach, ihnen von ferne bis in ihre Wohnung zu folgen. Er brachte mir bald die Nachricht, daß sie in der Nähe des Palais Royal wohnten.
5. Ich fürchtete mich zu sehr vor meiner Geliebten, als daß ich gewagt hätte, noch heute diese Kenntniß zu benutzen. Innere Unruhe trieb mich von einem Orte zum andern. Ich konnte nirgends, selbst im Theater nicht, aushalten; Talma's Lebhaftigkeit schien mir heute frostig, und das gefühlvolle Spiel der Demoiselle Georges leere Affectation. Endlich ging ich ins Palais Royal, um wenigstens in ihrer Nähe zu sein.
Der Zufall führte mich in ein Zimmer, wo gespielt wurde. Es war mir eben recht. Ich pointirte,
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/19>, abgerufen am 16.07.2024. |