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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
Spaniens Könige haben nie Rom einen Diener geopfert, der sich
dessen Hass durch Eifer für das Staatsinteresse zugezogen hatte 1).
So hat denn Borja noch drei Jahre lang in Rom mit spanischem
Phlegma dem Zorn Seiner Heiligkeit Stand gehalten, ist bitteren
Vorwürfen nie eine ruhige Antwort schuldig geblieben und hat
die Nepoten auf den Corso geschnitten. Urban VIII blieb nichts
übrig als den Knoten zu durchhauen; die Bulle Sancta Synodus
verordnete allen Bischöfen bei den höchsten kanonischen Strafen
in ihrer Diöcese zu residiren. Umsonst erklärte Borja, der bereits
Cardinalbischof von Albano war, auf Sevilla verzichten zu wollen.
Philipp IV sandte ihm seine Abberufung (1635), da er ihn in
seinem Dienste brauche.

Er wurde in Madrid mit Ehren überhäuft. Man sah ihn beim
Carneval von 1636 auf dem Balkon neben der Königin, ohne
den üblichen trennenden, die Unterhaltung hindernden Vorhang
dazwischen; bei der Jagd im Pardo mit der Chevreuse unter-
hielt sich der König mit ihm, ohne dass er von seinem Kutschen-
sitz aufstehn durfte. Der Name des reichen Cardinals stand aber
auch oben an bei den grossen Geldspenden für den Krieg, und
während der Abwesenheit des Königs in Aragon bildete er mit
drei Granden die Regentschaft (junta del Rey) unter Vorsitz
der Königin. Auch hier blieb er seinem Charakter treu: er riet
zu blutiger Strenge gegen die Katalonier. Aber während er
die Herzen der Hofdamen gewann, indem er ein ganzes Magazin
von Zuckerwerk, Bechern und dergleichen Galanterien austheilte,
so zeigte sich, dass er den richtigen Ton gegenüber den stolzen
Domherrn von Sevilla nicht finden konnte. Er kam in Streit
mit dem Kapitel über die Besetzung der Präbenden und über
die Titulatur Vuestra sennoria, statt deren er nur Vuestra merced
zugestehn wollte. Die Herren Canonici verklagten ihn beim
Könige als hochmüthig und unerfahren, abhängig von seinem Beicht-
vater, einem unwissenden Mercenarier, und desshalb unfähig zur
Verwaltung seiner Diöcese. Ja bei Gelegenheit einer Diöcesan-
synode (Ordenacion) stürmten die Landpfarrer Nachts seinen

1) Der Vicar in Alcala, Quiroga, hatte einst dem päbstlichen Notar, der ein
apostolisches Schreiben, welches königlichen Rechten zu nahe trat, notificiren
wollte, das Blatt aus der Hand genommen und dabei zerrissen; als ihn der Pabst
nach Rom zur Verantwortung forderte, schützte ihn Philipp II und belohnte ihn
zuletzt mit dem Primat von Spanien. De Pisa, Descripcion de Toledo. Toledo
1619. I, 267 f.

Fünftes Buch.
Spaniens Könige haben nie Rom einen Diener geopfert, der sich
dessen Hass durch Eifer für das Staatsinteresse zugezogen hatte 1).
So hat denn Borja noch drei Jahre lang in Rom mit spanischem
Phlegma dem Zorn Seiner Heiligkeit Stand gehalten, ist bitteren
Vorwürfen nie eine ruhige Antwort schuldig geblieben und hat
die Nepoten auf den Corso geschnitten. Urban VIII blieb nichts
übrig als den Knoten zu durchhauen; die Bulle Sancta Synodus
verordnete allen Bischöfen bei den höchsten kanonischen Strafen
in ihrer Diöcese zu residiren. Umsonst erklärte Borja, der bereits
Cardinalbischof von Albano war, auf Sevilla verzichten zu wollen.
Philipp IV sandte ihm seine Abberufung (1635), da er ihn in
seinem Dienste brauche.

Er wurde in Madrid mit Ehren überhäuft. Man sah ihn beim
Carneval von 1636 auf dem Balkon neben der Königin, ohne
den üblichen trennenden, die Unterhaltung hindernden Vorhang
dazwischen; bei der Jagd im Pardo mit der Chevreuse unter-
hielt sich der König mit ihm, ohne dass er von seinem Kutschen-
sitz aufstehn durfte. Der Name des reichen Cardinals stand aber
auch oben an bei den grossen Geldspenden für den Krieg, und
während der Abwesenheit des Königs in Aragon bildete er mit
drei Granden die Regentschaft (junta del Rey) unter Vorsitz
der Königin. Auch hier blieb er seinem Charakter treu: er riet
zu blutiger Strenge gegen die Katalonier. Aber während er
die Herzen der Hofdamen gewann, indem er ein ganzes Magazin
von Zuckerwerk, Bechern und dergleichen Galanterien austheilte,
so zeigte sich, dass er den richtigen Ton gegenüber den stolzen
Domherrn von Sevilla nicht finden konnte. Er kam in Streit
mit dem Kapitel über die Besetzung der Präbenden und über
die Titulatur Vuestra señoría, statt deren er nur Vuestra merced
zugestehn wollte. Die Herren Canonici verklagten ihn beim
Könige als hochmüthig und unerfahren, abhängig von seinem Beicht-
vater, einem unwissenden Mercenarier, und desshalb unfähig zur
Verwaltung seiner Diöcese. Ja bei Gelegenheit einer Diöcesan-
synode (Ordenacion) stürmten die Landpfarrer Nachts seinen

1) Der Vicar in Alcalá, Quiroga, hatte einst dem päbstlichen Notar, der ein
apostolisches Schreiben, welches königlichen Rechten zu nahe trat, notificiren
wollte, das Blatt aus der Hand genommen und dabei zerrissen; als ihn der Pabst
nach Rom zur Verantwortung forderte, schützte ihn Philipp II und belohnte ihn
zuletzt mit dem Primat von Spanien. De Pisa, Descripcion de Toledo. Toledo
1619. I, 267 f.
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[58/0078] Fünftes Buch. Spaniens Könige haben nie Rom einen Diener geopfert, der sich dessen Hass durch Eifer für das Staatsinteresse zugezogen hatte 1). So hat denn Borja noch drei Jahre lang in Rom mit spanischem Phlegma dem Zorn Seiner Heiligkeit Stand gehalten, ist bitteren Vorwürfen nie eine ruhige Antwort schuldig geblieben und hat die Nepoten auf den Corso geschnitten. Urban VIII blieb nichts übrig als den Knoten zu durchhauen; die Bulle Sancta Synodus verordnete allen Bischöfen bei den höchsten kanonischen Strafen in ihrer Diöcese zu residiren. Umsonst erklärte Borja, der bereits Cardinalbischof von Albano war, auf Sevilla verzichten zu wollen. Philipp IV sandte ihm seine Abberufung (1635), da er ihn in seinem Dienste brauche. Er wurde in Madrid mit Ehren überhäuft. Man sah ihn beim Carneval von 1636 auf dem Balkon neben der Königin, ohne den üblichen trennenden, die Unterhaltung hindernden Vorhang dazwischen; bei der Jagd im Pardo mit der Chevreuse unter- hielt sich der König mit ihm, ohne dass er von seinem Kutschen- sitz aufstehn durfte. Der Name des reichen Cardinals stand aber auch oben an bei den grossen Geldspenden für den Krieg, und während der Abwesenheit des Königs in Aragon bildete er mit drei Granden die Regentschaft (junta del Rey) unter Vorsitz der Königin. Auch hier blieb er seinem Charakter treu: er riet zu blutiger Strenge gegen die Katalonier. Aber während er die Herzen der Hofdamen gewann, indem er ein ganzes Magazin von Zuckerwerk, Bechern und dergleichen Galanterien austheilte, so zeigte sich, dass er den richtigen Ton gegenüber den stolzen Domherrn von Sevilla nicht finden konnte. Er kam in Streit mit dem Kapitel über die Besetzung der Präbenden und über die Titulatur Vuestra señoría, statt deren er nur Vuestra merced zugestehn wollte. Die Herren Canonici verklagten ihn beim Könige als hochmüthig und unerfahren, abhängig von seinem Beicht- vater, einem unwissenden Mercenarier, und desshalb unfähig zur Verwaltung seiner Diöcese. Ja bei Gelegenheit einer Diöcesan- synode (Ordenacion) stürmten die Landpfarrer Nachts seinen 1) Der Vicar in Alcalá, Quiroga, hatte einst dem päbstlichen Notar, der ein apostolisches Schreiben, welches königlichen Rechten zu nahe trat, notificiren wollte, das Blatt aus der Hand genommen und dabei zerrissen; als ihn der Pabst nach Rom zur Verantwortung forderte, schützte ihn Philipp II und belohnte ihn zuletzt mit dem Primat von Spanien. De Pisa, Descripcion de Toledo. Toledo 1619. I, 267 f.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/78>, abgerufen am 27.11.2024.