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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
es sie nicht hergeben will? Oder ist es ein Blumenmädchen, das
noch scheu seine Rosen feilzubieten vor eine Dame tritt? Grade
vor ihr stehend, sie voll und gross ansehend, ist das blühende
Kind selbst eine Rose. Rundes Gesicht, etwas kurzer Hals, hohe
Schultern; dicke braune Zöpfe fallen von den Schläfen auf sie
herab. Der Ton des Incarnats ist merklich wärmer und tiefer
[Abbildung]

Kind mit Rosen.

als bei allen königlichen
Kindern und Damen. Das
nussbraune Kleid mit
grauen geschlitzten Puff-
ärmeln ist durch Band-
zierraten von der Farbe
jener Blumen belebt: am
Hals ein Bogen von Bän-
dern, an der Schulter,
am Handgelenk, an den
Armen Schleifen.

Das zweite Bild (Nr.
1088) könnte für einen
ersten Versuch gelten, wo
durch die Unruhe des klei-
nen Geschöpfs und die
Eile des Malers einige
Verzeichnungen (in der
Stellung der Augen und
des Mundes) passirt sind. Es hält die Hände auseinander, die
Busenschleife ist weiss und roth. Wie dem auch sein mag auf
keinen Fall kann dies zweite Bild als Studie gelten, nach der
das erste gemacht wäre. Jener echt kindliche, nur so hinge-
hauchte Ausdruck, Spuren des Wachsthums führen darauf, dass
letzterem eine eigene, zweite Aufnahme zu Grunde liegt 1).

1) Von den Velazquez fälschlich zugeschriebenen Damenbildnissen sind einige
wenigstens interessante Originale von gleichzeitigen Malern der Madrider Schule.
Die alte Dame in ganzer Figur mit dem dreijährigen Knäblein (die Gattin des
D. Cristobal de Corral) im Palast des Herzogs von Villahermosa in Madrid, ist
hart und unsolid gemalt, sie dürfte nach der Frisur dem vierten Jahrzehnt des
Jahrhunderts angehören. Eine jugendliche vornehme Dame mit schwarzen Augen
und Haaren, in der Mode der Mitte des Jahrhunderts, befand sich in der Leganes-
galerie und wurde auf der zweiten Salamanca-Versteigerung zu Paris 1875 für
17000 Francs verkauft. Ein sehr merkwürdiges, amazonenhaftes Costümbild war
das Bildniss der schönen achtzehnjährigen Tochter des Ministers D. Luis de Haro,

Fünftes Buch.
es sie nicht hergeben will? Oder ist es ein Blumenmädchen, das
noch scheu seine Rosen feilzubieten vor eine Dame tritt? Grade
vor ihr stehend, sie voll und gross ansehend, ist das blühende
Kind selbst eine Rose. Rundes Gesicht, etwas kurzer Hals, hohe
Schultern; dicke braune Zöpfe fallen von den Schläfen auf sie
herab. Der Ton des Incarnats ist merklich wärmer und tiefer
[Abbildung]

Kind mit Rosen.

als bei allen königlichen
Kindern und Damen. Das
nussbraune Kleid mit
grauen geschlitzten Puff-
ärmeln ist durch Band-
zierraten von der Farbe
jener Blumen belebt: am
Hals ein Bogen von Bän-
dern, an der Schulter,
am Handgelenk, an den
Armen Schleifen.

Das zweite Bild (Nr.
1088) könnte für einen
ersten Versuch gelten, wo
durch die Unruhe des klei-
nen Geschöpfs und die
Eile des Malers einige
Verzeichnungen (in der
Stellung der Augen und
des Mundes) passirt sind. Es hält die Hände auseinander, die
Busenschleife ist weiss und roth. Wie dem auch sein mag auf
keinen Fall kann dies zweite Bild als Studie gelten, nach der
das erste gemacht wäre. Jener echt kindliche, nur so hinge-
hauchte Ausdruck, Spuren des Wachsthums führen darauf, dass
letzterem eine eigene, zweite Aufnahme zu Grunde liegt 1).

1) Von den Velazquez fälschlich zugeschriebenen Damenbildnissen sind einige
wenigstens interessante Originale von gleichzeitigen Malern der Madrider Schule.
Die alte Dame in ganzer Figur mit dem dreijährigen Knäblein (die Gattin des
D. Cristóbal de Corral) im Palast des Herzogs von Villahermosa in Madrid, ist
hart und unsolid gemalt, sie dürfte nach der Frisur dem vierten Jahrzehnt des
Jahrhunderts angehören. Eine jugendliche vornehme Dame mit schwarzen Augen
und Haaren, in der Mode der Mitte des Jahrhunderts, befand sich in der Leganés-
galerie und wurde auf der zweiten Salamanca-Versteigerung zu Paris 1875 für
17000 Francs verkauft. Ein sehr merkwürdiges, amazonenhaftes Costümbild war
das Bildniss der schönen achtzehnjährigen Tochter des Ministers D. Luis de Haro,
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[40/0060] Fünftes Buch. es sie nicht hergeben will? Oder ist es ein Blumenmädchen, das noch scheu seine Rosen feilzubieten vor eine Dame tritt? Grade vor ihr stehend, sie voll und gross ansehend, ist das blühende Kind selbst eine Rose. Rundes Gesicht, etwas kurzer Hals, hohe Schultern; dicke braune Zöpfe fallen von den Schläfen auf sie herab. Der Ton des Incarnats ist merklich wärmer und tiefer [Abbildung Kind mit Rosen.] als bei allen königlichen Kindern und Damen. Das nussbraune Kleid mit grauen geschlitzten Puff- ärmeln ist durch Band- zierraten von der Farbe jener Blumen belebt: am Hals ein Bogen von Bän- dern, an der Schulter, am Handgelenk, an den Armen Schleifen. Das zweite Bild (Nr. 1088) könnte für einen ersten Versuch gelten, wo durch die Unruhe des klei- nen Geschöpfs und die Eile des Malers einige Verzeichnungen (in der Stellung der Augen und des Mundes) passirt sind. Es hält die Hände auseinander, die Busenschleife ist weiss und roth. Wie dem auch sein mag auf keinen Fall kann dies zweite Bild als Studie gelten, nach der das erste gemacht wäre. Jener echt kindliche, nur so hinge- hauchte Ausdruck, Spuren des Wachsthums führen darauf, dass letzterem eine eigene, zweite Aufnahme zu Grunde liegt 1). 1) Von den Velazquez fälschlich zugeschriebenen Damenbildnissen sind einige wenigstens interessante Originale von gleichzeitigen Malern der Madrider Schule. Die alte Dame in ganzer Figur mit dem dreijährigen Knäblein (die Gattin des D. Cristóbal de Corral) im Palast des Herzogs von Villahermosa in Madrid, ist hart und unsolid gemalt, sie dürfte nach der Frisur dem vierten Jahrzehnt des Jahrhunderts angehören. Eine jugendliche vornehme Dame mit schwarzen Augen und Haaren, in der Mode der Mitte des Jahrhunderts, befand sich in der Leganés- galerie und wurde auf der zweiten Salamanca-Versteigerung zu Paris 1875 für 17000 Francs verkauft. Ein sehr merkwürdiges, amazonenhaftes Costümbild war das Bildniss der schönen achtzehnjährigen Tochter des Ministers D. Luis de Haro,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/60>, abgerufen am 27.04.2024.