Hospital wurde im Jahre 1409 von Bernardo Andreu gegründet, in Folge einer Fastenpredigt des ehrwürdigen Bruders Gilaberto Jofre in der Kathedrale, um die zahlreichen in der Stadt umher- schweifenden Wahnsinnigen aufzunehmen. Er erlangte auch eine Bulle Benedict XIII. Nach Lope's Schilderung in der Comödie Los locos de Valencia galt es damals für eine Art Weltwunder und wurde von vielen Fremden besucht. Bei dem allen mag man sich erinnern, dass tobsüchtige Narren in Spanien ebenso selten sind1), wie z. B. in Frankreich häufig.
Der Bobo von Coria (1099) ist ein grausiges Bild des Blöd- sinns und seines leeren Gelächters. Er kauert am Boden, das linke angezogene Bein auf dem herabfallenden Mantel ruhend; das rechte Knie ist aufgerichtet, darauf liegt die linke Hand, in deren Fläche er mit der Faust schlägt, als Aeusserung seines Jubels (complosis manibus Petron.), weil er porträtirt wird. Zu beiden Seiten liegen Kürbisse, vor ihm steht ein Becher. Das schielende, grinsende Gesicht, vorgestreckt, sitzt in einem breiten Spitzen- kragen. Man sieht, dass er sich nicht selbst anziehen kann.
Auf dieses erregliche Nervensystem folgt ein schweres, dumpfes. Das Kind von Vallecas ist ein geborner Wasserkopf. Nach der Unterschrift in dem Stich von B. Vazquez (1792) war er mit Zähnen und in ungewöhnlicher Grösse auf die Welt ge- kommen. Vallecas ist ein Ort vier Meilen von Madrid, in einem tiefen Thal, mit Bergen im Norden und Nordwesten; das ist die Lage der Cretinorte. In gelber Flanelljacke und langem grünem Ueberrock sitzt er an einer dunklen überhangenden Felswand, dem Bild der Last die auf sein armes Gehirn drückt und jeden Anlauf zu einer Gedankenverbindung lähmt. Den Kopf lässt er in den Nacken sinken, die Augen sind wie schlaftrunken halb geschlossen und blicklos, die Oberlippe in die Höhe ge- zogen; mit beiden Händen hat er einen Gegenstand gefasst, scheint ihn aber schon vergessen zu haben. Unter dem Stich dieser unheimlichen Gestalt steht: esta en el cuarto del Rey nuestro sennor -- d. h. in den Zimmern Carl IV (1,06 x 0,83).
3. Die Philosophen. An diese Narren en titre d'office, wie sie am französischen Hofe hiessen, schliessen sich ungezwungen zwei Genies, die der Maler auf klassische Namen getauft hat. Ihr dürftiger Anzug schliesst sie vom Hofalmanach aus: aber sie ergänzen dessen
1) Auf hundert Narren in Madrid kämen nur drei tobsüchtige, bemerkt Marquis de Langle, Mon voyage en Espagne, Neuchatel 1785, I, 137.
Aesop und Menipp.
Hospital wurde im Jahre 1409 von Bernardo Andreu gegründet, in Folge einer Fastenpredigt des ehrwürdigen Bruders Gilaberto Jofré in der Kathedrale, um die zahlreichen in der Stadt umher- schweifenden Wahnsinnigen aufzunehmen. Er erlangte auch eine Bulle Benedict XIII. Nach Lope’s Schilderung in der Comödie Los locos de Valencia galt es damals für eine Art Weltwunder und wurde von vielen Fremden besucht. Bei dem allen mag man sich erinnern, dass tobsüchtige Narren in Spanien ebenso selten sind1), wie z. B. in Frankreich häufig.
Der Bobo von Coria (1099) ist ein grausiges Bild des Blöd- sinns und seines leeren Gelächters. Er kauert am Boden, das linke angezogene Bein auf dem herabfallenden Mantel ruhend; das rechte Knie ist aufgerichtet, darauf liegt die linke Hand, in deren Fläche er mit der Faust schlägt, als Aeusserung seines Jubels (complosis manibus Petron.), weil er porträtirt wird. Zu beiden Seiten liegen Kürbisse, vor ihm steht ein Becher. Das schielende, grinsende Gesicht, vorgestreckt, sitzt in einem breiten Spitzen- kragen. Man sieht, dass er sich nicht selbst anziehen kann.
Auf dieses erregliche Nervensystem folgt ein schweres, dumpfes. Das Kind von Vallecas ist ein geborner Wasserkopf. Nach der Unterschrift in dem Stich von B. Vazquez (1792) war er mit Zähnen und in ungewöhnlicher Grösse auf die Welt ge- kommen. Vallecas ist ein Ort vier Meilen von Madrid, in einem tiefen Thal, mit Bergen im Norden und Nordwesten; das ist die Lage der Cretinorte. In gelber Flanelljacke und langem grünem Ueberrock sitzt er an einer dunklen überhangenden Felswand, dem Bild der Last die auf sein armes Gehirn drückt und jeden Anlauf zu einer Gedankenverbindung lähmt. Den Kopf lässt er in den Nacken sinken, die Augen sind wie schlaftrunken halb geschlossen und blicklos, die Oberlippe in die Höhe ge- zogen; mit beiden Händen hat er einen Gegenstand gefasst, scheint ihn aber schon vergessen zu haben. Unter dem Stich dieser unheimlichen Gestalt steht: está en el cuarto del Rey nuestro señor — d. h. in den Zimmern Carl IV (1,06 × 0,83).
3. Die Philosophen. An diese Narren en titre d’office, wie sie am französischen Hofe hiessen, schliessen sich ungezwungen zwei Genies, die der Maler auf klassische Namen getauft hat. Ihr dürftiger Anzug schliesst sie vom Hofalmanach aus: aber sie ergänzen dessen
1) Auf hundert Narren in Madrid kämen nur drei tobsüchtige, bemerkt Marquis de Langle, Mon voyage en Espagne, Neuchatel 1785, I, 137.
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Aesop und Menipp.
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in Folge einer Fastenpredigt des ehrwürdigen Bruders Gilaberto
Jofré in der Kathedrale, um die zahlreichen in der Stadt umher-
schweifenden Wahnsinnigen aufzunehmen. Er erlangte auch eine
Bulle Benedict XIII. Nach Lope’s Schilderung in der Comödie
Los locos de Valencia galt es damals für eine Art Weltwunder
und wurde von vielen Fremden besucht. Bei dem allen mag
man sich erinnern, dass tobsüchtige Narren in Spanien ebenso
selten sind 1), wie z. B. in Frankreich häufig.
Der Bobo von Coria (1099) ist ein grausiges Bild des Blöd-
sinns und seines leeren Gelächters. Er kauert am Boden, das
linke angezogene Bein auf dem herabfallenden Mantel ruhend;
das rechte Knie ist aufgerichtet, darauf liegt die linke Hand, in
deren Fläche er mit der Faust schlägt, als Aeusserung seines Jubels
(complosis manibus Petron.), weil er porträtirt wird. Zu beiden
Seiten liegen Kürbisse, vor ihm steht ein Becher. Das schielende,
grinsende Gesicht, vorgestreckt, sitzt in einem breiten Spitzen-
kragen. Man sieht, dass er sich nicht selbst anziehen kann.
Auf dieses erregliche Nervensystem folgt ein schweres,
dumpfes. Das Kind von Vallecas ist ein geborner Wasserkopf.
Nach der Unterschrift in dem Stich von B. Vazquez (1792) war
er mit Zähnen und in ungewöhnlicher Grösse auf die Welt ge-
kommen. Vallecas ist ein Ort vier Meilen von Madrid, in einem
tiefen Thal, mit Bergen im Norden und Nordwesten; das ist
die Lage der Cretinorte. In gelber Flanelljacke und langem
grünem Ueberrock sitzt er an einer dunklen überhangenden
Felswand, dem Bild der Last die auf sein armes Gehirn drückt
und jeden Anlauf zu einer Gedankenverbindung lähmt. Den Kopf
lässt er in den Nacken sinken, die Augen sind wie schlaftrunken
halb geschlossen und blicklos, die Oberlippe in die Höhe ge-
zogen; mit beiden Händen hat er einen Gegenstand gefasst,
scheint ihn aber schon vergessen zu haben. Unter dem Stich
dieser unheimlichen Gestalt steht: está en el cuarto del Rey nuestro
señor — d. h. in den Zimmern Carl IV (1,06 × 0,83).
3. Die Philosophen. An diese Narren en titre d’office, wie sie
am französischen Hofe hiessen, schliessen sich ungezwungen zwei
Genies, die der Maler auf klassische Namen getauft hat. Ihr dürftiger
Anzug schliesst sie vom Hofalmanach aus: aber sie ergänzen dessen
1) Auf hundert Narren in Madrid kämen nur drei tobsüchtige, bemerkt Marquis
de Langle, Mon voyage en Espagne, Neuchatel 1785, I, 137.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/381>, abgerufen am 16.07.2024.
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