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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die lustigen Personen.
verlangte und der Despensero sagte, er habe keine, rief Pernia,
ni olivas ni Olivares! -- Und über diesen mildesten Kalauer
war der grosse Mann in Zorn gerathen!

Don Cristobal (hier ein Vierziger) war ein Mann von an-
sehnlicher Figur, wolbeleibt, von strammer Haltung, mit rollen-
den Augen, unten vortretender Stirn, Schnurrbart, ganz geeignet
für die Rolle des miles gloriosus. Wie eine der Hauptleistungen
dieser truhanes war, hervorragende Leute durch Nachäffung zu
verhöhnen, so waren sie auch geschickt stehende Parodien
historischer Personen vorzustellen. Und so hatte man diesem
den Namen Barbarossa gegeben, jenes Schreckens der spanischen
Küsten im sechszehnten Jahrhundert, dessen Erscheinung damals
noch wolbekannt war. Im Schlosse, in dem gewölbten Saal "wo
S. M. in der Zeit der Hitze speiste", war er zu sehn in Turban
und Brokat, nebst andern Grössen der muhammedanischen Welt.

An Festen erschien er in türkischer Tracht, so stellt ihn
der Maler theilweise dar: in rothem Rock und weissem Mantel
nach maurischem Schnitt, doch in der rothen weissbesäumten
Kegel- und Zipfelmütze des Narren. Bei dem Stiergefecht von
1633 trat er auf in grossem Turban, mit krummem Säbel, gefolgt
von Trabanten; er verneigte sich vor dem königlichen Balkon
mit fratzenhaften Geberden. Der erste Stier sah ihn von
mehreren Seiten an, entschloss sich aber zum Rückzug; der
zweite nahm ihn, gereizt durch das rothe Tuch, mit sammt dem
Gaul auf die Hörner. Vielleicht ist er hier als toreador dargestellt,
wozu freilich der lange Rock nicht passt1). Er hat den zusammen-
gefalteten Mantel kunstgerecht über die linke Schulter gehängt
(doblado), so dass der Körper frei bleibt, und hält den Degen
wie in Erwartung eines Angriffs, die Scheide in der Linken. Sein
Blick ist drohend, als ob er das Auge des Stiers verfolge.

Das Bild ist, wie das folgende, nur theilweis ausgeführt,
vielleicht absichtlich; das war genug für den Hanswurst. Auf
die braune Untermalung, die für die Schatten einfach stehn ge-
lassen ist, sind einige helle und rothe Töne leicht aufgetragen.
Der schmutzig dunkle Grund ist ohne helle Lagen geblieben.
Nur der Mantel ist aufs sorgfältigste modellirt, wie eine Studie.
Goya hat dieses Bild geätzt.

1) Bei dem Stiergefecht, welches der Holländer Franz Aarsens im Jahre 1655
sah, war der Buffo des D. Luis de Haro der einzige der zu Pferd kämpfte. Voyage
d'Espagne Paris 1665, p. 107.

Die lustigen Personen.
verlangte und der Despensero sagte, er habe keine, rief Pernia,
ni olivas ni Olivares! — Und über diesen mildesten Kalauer
war der grosse Mann in Zorn gerathen!

Don Cristóbal (hier ein Vierziger) war ein Mann von an-
sehnlicher Figur, wolbeleibt, von strammer Haltung, mit rollen-
den Augen, unten vortretender Stirn, Schnurrbart, ganz geeignet
für die Rolle des miles gloriosus. Wie eine der Hauptleistungen
dieser truhanes war, hervorragende Leute durch Nachäffung zu
verhöhnen, so waren sie auch geschickt stehende Parodien
historischer Personen vorzustellen. Und so hatte man diesem
den Namen Barbarossa gegeben, jenes Schreckens der spanischen
Küsten im sechszehnten Jahrhundert, dessen Erscheinung damals
noch wolbekannt war. Im Schlosse, in dem gewölbten Saal „wo
S. M. in der Zeit der Hitze speiste“, war er zu sehn in Turban
und Brokat, nebst andern Grössen der muhammedanischen Welt.

An Festen erschien er in türkischer Tracht, so stellt ihn
der Maler theilweise dar: in rothem Rock und weissem Mantel
nach maurischem Schnitt, doch in der rothen weissbesäumten
Kegel- und Zipfelmütze des Narren. Bei dem Stiergefecht von
1633 trat er auf in grossem Turban, mit krummem Säbel, gefolgt
von Trabanten; er verneigte sich vor dem königlichen Balkon
mit fratzenhaften Geberden. Der erste Stier sah ihn von
mehreren Seiten an, entschloss sich aber zum Rückzug; der
zweite nahm ihn, gereizt durch das rothe Tuch, mit sammt dem
Gaul auf die Hörner. Vielleicht ist er hier als toreador dargestellt,
wozu freilich der lange Rock nicht passt1). Er hat den zusammen-
gefalteten Mantel kunstgerecht über die linke Schulter gehängt
(doblado), so dass der Körper frei bleibt, und hält den Degen
wie in Erwartung eines Angriffs, die Scheide in der Linken. Sein
Blick ist drohend, als ob er das Auge des Stiers verfolge.

Das Bild ist, wie das folgende, nur theilweis ausgeführt,
vielleicht absichtlich; das war genug für den Hanswurst. Auf
die braune Untermalung, die für die Schatten einfach stehn ge-
lassen ist, sind einige helle und rothe Töne leicht aufgetragen.
Der schmutzig dunkle Grund ist ohne helle Lagen geblieben.
Nur der Mantel ist aufs sorgfältigste modellirt, wie eine Studie.
Goya hat dieses Bild geätzt.

1) Bei dem Stiergefecht, welches der Holländer Franz Aarsens im Jahre 1655
sah, war der Buffo des D. Luis de Haro der einzige der zu Pferd kämpfte. Voyage
d’Espagne Paris 1665, p. 107.
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[347/0371] Die lustigen Personen. verlangte und der Despensero sagte, er habe keine, rief Pernia, ni olivas ni Olivares! — Und über diesen mildesten Kalauer war der grosse Mann in Zorn gerathen! Don Cristóbal (hier ein Vierziger) war ein Mann von an- sehnlicher Figur, wolbeleibt, von strammer Haltung, mit rollen- den Augen, unten vortretender Stirn, Schnurrbart, ganz geeignet für die Rolle des miles gloriosus. Wie eine der Hauptleistungen dieser truhanes war, hervorragende Leute durch Nachäffung zu verhöhnen, so waren sie auch geschickt stehende Parodien historischer Personen vorzustellen. Und so hatte man diesem den Namen Barbarossa gegeben, jenes Schreckens der spanischen Küsten im sechszehnten Jahrhundert, dessen Erscheinung damals noch wolbekannt war. Im Schlosse, in dem gewölbten Saal „wo S. M. in der Zeit der Hitze speiste“, war er zu sehn in Turban und Brokat, nebst andern Grössen der muhammedanischen Welt. An Festen erschien er in türkischer Tracht, so stellt ihn der Maler theilweise dar: in rothem Rock und weissem Mantel nach maurischem Schnitt, doch in der rothen weissbesäumten Kegel- und Zipfelmütze des Narren. Bei dem Stiergefecht von 1633 trat er auf in grossem Turban, mit krummem Säbel, gefolgt von Trabanten; er verneigte sich vor dem königlichen Balkon mit fratzenhaften Geberden. Der erste Stier sah ihn von mehreren Seiten an, entschloss sich aber zum Rückzug; der zweite nahm ihn, gereizt durch das rothe Tuch, mit sammt dem Gaul auf die Hörner. Vielleicht ist er hier als toreador dargestellt, wozu freilich der lange Rock nicht passt 1). Er hat den zusammen- gefalteten Mantel kunstgerecht über die linke Schulter gehängt (doblado), so dass der Körper frei bleibt, und hält den Degen wie in Erwartung eines Angriffs, die Scheide in der Linken. Sein Blick ist drohend, als ob er das Auge des Stiers verfolge. Das Bild ist, wie das folgende, nur theilweis ausgeführt, vielleicht absichtlich; das war genug für den Hanswurst. Auf die braune Untermalung, die für die Schatten einfach stehn ge- lassen ist, sind einige helle und rothe Töne leicht aufgetragen. Der schmutzig dunkle Grund ist ohne helle Lagen geblieben. Nur der Mantel ist aufs sorgfältigste modellirt, wie eine Studie. Goya hat dieses Bild geätzt. 1) Bei dem Stiergefecht, welches der Holländer Franz Aarsens im Jahre 1655 sah, war der Buffo des D. Luis de Haro der einzige der zu Pferd kämpfte. Voyage d’Espagne Paris 1665, p. 107.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/371>, abgerufen am 19.04.2024.