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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
die Verzweiflung nicht bloss von Dilettanten (wie Prosper Me-
rimee von sich sagte) ist, a bone of contention to the copists (Stirling).
Wer indess mit diesem Kreis von Arbeiten vertraut ist, wird
den grünlich gelben Ton bemerken, der die Farben modificirt
und von dem kühlen Silberton der echten Kinderbilder abweicht.
Er ist dem Mazo eigen, dessen Antheil an der Ausführung mir
auch aus andern Gründen wahrscheinlich ist.

Nun folgen mehrere Figuren des Prinzesschens um ihr
sechstes Lebensjahr, wo sie am schönsten war, denn ihr war nur
eine vergängliche Kinderschönheit beschieden. In dem neuer-
dings aus dem Schloss zu Prag geholten Wiener Bild (619), wo
sie dasselbe Kleid trägt wie in den Meninas, ist das Gesichtchen
feiner. Ihr Schutzengel hat inzwischen Grazie in die kleine Ge-
stalt, Verstand in das glänzende Kinderauge gehaucht. Diess
Werk trägt ganz den Stempel des Meisters. Von dem farben-
jubelnden ersten unterscheidet es sich durch die Einfachheit der
Tinten, auf dunklem Grund. Mit sehr wenigen breiten, vollen
Pinselzügen ist Form und Leben hingezaubert. Die Bänder, der
Vorhang (der den Umrissen der Figur folgt), haben nur eine
Idee von Rosa. Die weichen, seidenartig glänzenden, ins asch-
blonde fallenden Locken sind so fein und lose, als ob ein Luft-
hauch sie auseinanderblasen müsste. Das schwellende Mündchen,
die etwas aufgetriebenen Nüstern, bringen rascheren Athemzug
und Puls in das bisher puppenhafte Wesen.

Aehnlich ist das noch viel kräftiger modellirte, aber weniger
sichere Exemplar in Hertford House, aus der Sammlung Higgin-
son. Man bemerkt den feinen Gegensatz des goldigen Gesichts-
tons und des silbrigen der Figur, die weichvertriebnen grauen
Schatten und den Glanz des Incarnats.

Das Frankfurter Bild (aus den Sammlungen Urquais und
Pereire, für 10700 Francs erworben), ist eine flüchtige, dünnge-
malte Wiederholung; aufgetragen wie mit weichen Pastell-
stiften aus Silber- und Goldpulver. Es ist übrigens etwas mit-
genommen.

Merkwürdig ist das dritte Wiener Bild (620), in welchem
das lange Zeit verschollene, von Palomino (Museo III, 349) be-
schriebene und im Jahre 1659 dem Kaiser gesandte Werk neuer-
dings wiedergefunden worden ist. Es wäre also im Jahr vor
dem Tod des Malers gemalt und stellte Margaretha im achten
Lebensjahr dar. Dem blonden Köpfchen ist durch die Wandtasche
eine viereckige rothe Fläche als Grund gegeben. Man glaubt

Siebentes Buch.
die Verzweiflung nicht bloss von Dilettanten (wie Prosper Mé-
rimée von sich sagte) ist, a bone of contention to the copists (Stirling).
Wer indess mit diesem Kreis von Arbeiten vertraut ist, wird
den grünlich gelben Ton bemerken, der die Farben modificirt
und von dem kühlen Silberton der echten Kinderbilder abweicht.
Er ist dem Mazo eigen, dessen Antheil an der Ausführung mir
auch aus andern Gründen wahrscheinlich ist.

Nun folgen mehrere Figuren des Prinzesschens um ihr
sechstes Lebensjahr, wo sie am schönsten war, denn ihr war nur
eine vergängliche Kinderschönheit beschieden. In dem neuer-
dings aus dem Schloss zu Prag geholten Wiener Bild (619), wo
sie dasselbe Kleid trägt wie in den Meninas, ist das Gesichtchen
feiner. Ihr Schutzengel hat inzwischen Grazie in die kleine Ge-
stalt, Verstand in das glänzende Kinderauge gehaucht. Diess
Werk trägt ganz den Stempel des Meisters. Von dem farben-
jubelnden ersten unterscheidet es sich durch die Einfachheit der
Tinten, auf dunklem Grund. Mit sehr wenigen breiten, vollen
Pinselzügen ist Form und Leben hingezaubert. Die Bänder, der
Vorhang (der den Umrissen der Figur folgt), haben nur eine
Idee von Rosa. Die weichen, seidenartig glänzenden, ins asch-
blonde fallenden Locken sind so fein und lose, als ob ein Luft-
hauch sie auseinanderblasen müsste. Das schwellende Mündchen,
die etwas aufgetriebenen Nüstern, bringen rascheren Athemzug
und Puls in das bisher puppenhafte Wesen.

Aehnlich ist das noch viel kräftiger modellirte, aber weniger
sichere Exemplar in Hertford House, aus der Sammlung Higgin-
son. Man bemerkt den feinen Gegensatz des goldigen Gesichts-
tons und des silbrigen der Figur, die weichvertriebnen grauen
Schatten und den Glanz des Incarnats.

Das Frankfurter Bild (aus den Sammlungen Urquais und
Pereire, für 10700 Francs erworben), ist eine flüchtige, dünnge-
malte Wiederholung; aufgetragen wie mit weichen Pastell-
stiften aus Silber- und Goldpulver. Es ist übrigens etwas mit-
genommen.

Merkwürdig ist das dritte Wiener Bild (620), in welchem
das lange Zeit verschollene, von Palomino (Museo III, 349) be-
schriebene und im Jahre 1659 dem Kaiser gesandte Werk neuer-
dings wiedergefunden worden ist. Es wäre also im Jahr vor
dem Tod des Malers gemalt und stellte Margaretha im achten
Lebensjahr dar. Dem blonden Köpfchen ist durch die Wandtasche
eine viereckige rothe Fläche als Grund gegeben. Man glaubt

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[304/0324] Siebentes Buch. die Verzweiflung nicht bloss von Dilettanten (wie Prosper Mé- rimée von sich sagte) ist, a bone of contention to the copists (Stirling). Wer indess mit diesem Kreis von Arbeiten vertraut ist, wird den grünlich gelben Ton bemerken, der die Farben modificirt und von dem kühlen Silberton der echten Kinderbilder abweicht. Er ist dem Mazo eigen, dessen Antheil an der Ausführung mir auch aus andern Gründen wahrscheinlich ist. Nun folgen mehrere Figuren des Prinzesschens um ihr sechstes Lebensjahr, wo sie am schönsten war, denn ihr war nur eine vergängliche Kinderschönheit beschieden. In dem neuer- dings aus dem Schloss zu Prag geholten Wiener Bild (619), wo sie dasselbe Kleid trägt wie in den Meninas, ist das Gesichtchen feiner. Ihr Schutzengel hat inzwischen Grazie in die kleine Ge- stalt, Verstand in das glänzende Kinderauge gehaucht. Diess Werk trägt ganz den Stempel des Meisters. Von dem farben- jubelnden ersten unterscheidet es sich durch die Einfachheit der Tinten, auf dunklem Grund. Mit sehr wenigen breiten, vollen Pinselzügen ist Form und Leben hingezaubert. Die Bänder, der Vorhang (der den Umrissen der Figur folgt), haben nur eine Idee von Rosa. Die weichen, seidenartig glänzenden, ins asch- blonde fallenden Locken sind so fein und lose, als ob ein Luft- hauch sie auseinanderblasen müsste. Das schwellende Mündchen, die etwas aufgetriebenen Nüstern, bringen rascheren Athemzug und Puls in das bisher puppenhafte Wesen. Aehnlich ist das noch viel kräftiger modellirte, aber weniger sichere Exemplar in Hertford House, aus der Sammlung Higgin- son. Man bemerkt den feinen Gegensatz des goldigen Gesichts- tons und des silbrigen der Figur, die weichvertriebnen grauen Schatten und den Glanz des Incarnats. Das Frankfurter Bild (aus den Sammlungen Urquais und Pereire, für 10700 Francs erworben), ist eine flüchtige, dünnge- malte Wiederholung; aufgetragen wie mit weichen Pastell- stiften aus Silber- und Goldpulver. Es ist übrigens etwas mit- genommen. Merkwürdig ist das dritte Wiener Bild (620), in welchem das lange Zeit verschollene, von Palomino (Museo III, 349) be- schriebene und im Jahre 1659 dem Kaiser gesandte Werk neuer- dings wiedergefunden worden ist. Es wäre also im Jahr vor dem Tod des Malers gemalt und stellte Margaretha im achten Lebensjahr dar. Dem blonden Köpfchen ist durch die Wandtasche eine viereckige rothe Fläche als Grund gegeben. Man glaubt

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/324>, abgerufen am 19.04.2024.