Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Die Infantin Margarita. nur da zu sein, um die ganz aus glänzenden, lichtzurückstrah-lenden Stoffen bestehende Gestalt noch blendender zu machen. Seide und durchschimmernde weisse Kinderhaut; Silber und seidenweiches blondes Kinderhaar; funkelnde Juwelen und blauglänzende Kinderiris. Das alles berührt das Auge so echt wie die Natur. Die Figur, in glockenförmigem silberge- sticktem Rosakleid, steht auf einem Grund von tiefgesättigten warmen Farben: dunkelgrüner Vorhang, grünblaues Tischtuch, dunkelroter Smyrnateppich mit schwarzen Blumen. Gemalt ist es mit dem lockersten Pinsel. Um das Händchen ist nachträglich noch Weiss, um den Kopf Dunkelroth gesetzt. Wie soll man diess Bild beschreiben? Der Strauss auf dem Tisch daneben mit den blassrothen Rosen, Chrysanthem und Lilien wäre die beste Definition. Es ist ein Blumenbeet in Morgenthau und Morgen- sonne. Warum bringt doch dieser gemalte Strauss, wie das Wort Rose in Saadi's Dichtungen, den Zauber der lebenden Blumen näher als manche Wunderwerke eines de Heem und Huysum? Das ist das Geheimniss malerischer Behandlung. Das Kind steht selbst dem Blumendasein nahe, seine einzige Nun folgt das Bild im Louvre 2), wahrscheinlich ein Geschenk 1) In C. v. Lützow's Belvedere Galerie beschrieben und von W. Unger radirt. Eine Schulkopie in der Münchener Pinakothek (1311), mit dem falschen Namen Maria Anna, Tochter Philipp IV. -- Eine gute Wiederholung war im Palast Alba, und wurde aus der Versteigerung in Paris (1877) mit 48000 Francs zurückgezogen. Die Haare fallen bis über die Schulter, die Finger sind bestimmter, der Blumen- strauss fehlt. Für den Katalog radirt. 2) Ist keineswegs eine Wiederholung des vorigen, wie der amerikanische
Katalog angiebt, welcher letzteres mit dem gleich zu nennenden, von Palomino beschriebenen (620) für identisch hält. -- Gestochen von Hans Meyer nach Knaus' Zeichnung, radirt von Wattner. Die Infantin Margarita. nur da zu sein, um die ganz aus glänzenden, lichtzurückstrah-lenden Stoffen bestehende Gestalt noch blendender zu machen. Seide und durchschimmernde weisse Kinderhaut; Silber und seidenweiches blondes Kinderhaar; funkelnde Juwelen und blauglänzende Kinderiris. Das alles berührt das Auge so echt wie die Natur. Die Figur, in glockenförmigem silberge- sticktem Rosakleid, steht auf einem Grund von tiefgesättigten warmen Farben: dunkelgrüner Vorhang, grünblaues Tischtuch, dunkelroter Smyrnateppich mit schwarzen Blumen. Gemalt ist es mit dem lockersten Pinsel. Um das Händchen ist nachträglich noch Weiss, um den Kopf Dunkelroth gesetzt. Wie soll man diess Bild beschreiben? Der Strauss auf dem Tisch daneben mit den blassrothen Rosen, Chrysanthem und Lilien wäre die beste Definition. Es ist ein Blumenbeet in Morgenthau und Morgen- sonne. Warum bringt doch dieser gemalte Strauss, wie das Wort Rose in Saadi’s Dichtungen, den Zauber der lebenden Blumen näher als manche Wunderwerke eines de Heem und Huysum? Das ist das Geheimniss malerischer Behandlung. Das Kind steht selbst dem Blumendasein nahe, seine einzige Nun folgt das Bild im Louvre 2), wahrscheinlich ein Geschenk 1) In C. v. Lützow’s Belvedere Galerie beschrieben und von W. Unger radirt. Eine Schulkopie in der Münchener Pinakothek (1311), mit dem falschen Namen Maria Anna, Tochter Philipp IV. — Eine gute Wiederholung war im Palast Alba, und wurde aus der Versteigerung in Paris (1877) mit 48000 Francs zurückgezogen. Die Haare fallen bis über die Schulter, die Finger sind bestimmter, der Blumen- strauss fehlt. Für den Katalog radirt. 2) Ist keineswegs eine Wiederholung des vorigen, wie der amerikanische
Katalog angiebt, welcher letzteres mit dem gleich zu nennenden, von Palomino beschriebenen (620) für identisch hält. — Gestochen von Hans Meyer nach Knaus’ Zeichnung, radirt von Wattner. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0323" n="303"/><fw place="top" type="header">Die Infantin Margarita.</fw><lb/> nur da zu sein, um die ganz aus glänzenden, lichtzurückstrah-<lb/> lenden Stoffen bestehende Gestalt noch blendender zu machen.<lb/> Seide und durchschimmernde weisse Kinderhaut; Silber und<lb/> seidenweiches blondes Kinderhaar; funkelnde Juwelen und<lb/> blauglänzende Kinderiris. Das alles berührt das Auge so<lb/> echt wie die Natur. Die Figur, in glockenförmigem silberge-<lb/> sticktem Rosakleid, steht auf einem Grund von tiefgesättigten<lb/> warmen Farben: dunkelgrüner Vorhang, grünblaues Tischtuch,<lb/> dunkelroter Smyrnateppich mit schwarzen Blumen. Gemalt ist<lb/> es mit dem lockersten Pinsel. Um das Händchen ist nachträglich<lb/> noch Weiss, um den Kopf Dunkelroth gesetzt. Wie soll man<lb/> diess Bild beschreiben? Der Strauss auf dem Tisch daneben mit<lb/> den blassrothen Rosen, Chrysanthem und Lilien wäre die beste<lb/> Definition. Es ist ein Blumenbeet in Morgenthau und Morgen-<lb/> sonne. Warum bringt doch dieser gemalte Strauss, wie das<lb/> Wort Rose in Saadi’s Dichtungen, den Zauber der lebenden<lb/> Blumen näher als manche Wunderwerke eines de Heem und<lb/> Huysum? Das ist das Geheimniss malerischer Behandlung.</p><lb/> <p>Das Kind steht selbst dem Blumendasein nahe, seine einzige<lb/> psychische Thätigkeit ist festzustehn einige Augenblicke, den<lb/> Fächer zu fassen, die Hand auf den Tischrand zu legen. Aber<lb/> etwas Entschiedenes, Korrektes ist in dieser Pose: die kaiser-<lb/> liche Dame als Knöspchen <note place="foot" n="1)">In C. v. Lützow’s Belvedere Galerie beschrieben und von W. Unger radirt.<lb/> Eine Schulkopie in der Münchener Pinakothek (1311), mit dem falschen Namen<lb/> Maria Anna, Tochter Philipp IV. — Eine gute Wiederholung war im Palast Alba,<lb/> und wurde aus der Versteigerung in Paris (1877) mit 48000 Francs zurückgezogen.<lb/> Die Haare fallen bis über die Schulter, die Finger sind bestimmter, der Blumen-<lb/> strauss fehlt. Für den Katalog radirt.</note>.</p><lb/> <p>Nun folgt das Bild im Louvre <note place="foot" n="2)">Ist keineswegs eine Wiederholung des vorigen, wie der amerikanische<lb/> Katalog angiebt, welcher letzteres mit dem gleich zu nennenden, von Palomino<lb/> beschriebenen (620) für identisch hält. — Gestochen von Hans Meyer nach Knaus’<lb/> Zeichnung, radirt von Wattner.</note>, wahrscheinlich ein Geschenk<lb/> für die Königin Anna, LINFANTE MARGVERITE steht oben<lb/> in Gold; es war schon in der alten französischen Galerie. Das<lb/> Gesichtchen ist zierlicher geworden, aber die Augen mit ihren<lb/> grossen blauen Kreisen sind noch starr und ohne Gedanken.<lb/> Diess Gebilde wie von anderm als gewöhnlichem, durchsichtigerm<lb/> Menschenthon, ist auf die grobe Leinwand gefesselt mit einer<lb/> Farbe so dünn und einem Pinsel so leicht und schwebend, dass es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [303/0323]
Die Infantin Margarita.
nur da zu sein, um die ganz aus glänzenden, lichtzurückstrah-
lenden Stoffen bestehende Gestalt noch blendender zu machen.
Seide und durchschimmernde weisse Kinderhaut; Silber und
seidenweiches blondes Kinderhaar; funkelnde Juwelen und
blauglänzende Kinderiris. Das alles berührt das Auge so
echt wie die Natur. Die Figur, in glockenförmigem silberge-
sticktem Rosakleid, steht auf einem Grund von tiefgesättigten
warmen Farben: dunkelgrüner Vorhang, grünblaues Tischtuch,
dunkelroter Smyrnateppich mit schwarzen Blumen. Gemalt ist
es mit dem lockersten Pinsel. Um das Händchen ist nachträglich
noch Weiss, um den Kopf Dunkelroth gesetzt. Wie soll man
diess Bild beschreiben? Der Strauss auf dem Tisch daneben mit
den blassrothen Rosen, Chrysanthem und Lilien wäre die beste
Definition. Es ist ein Blumenbeet in Morgenthau und Morgen-
sonne. Warum bringt doch dieser gemalte Strauss, wie das
Wort Rose in Saadi’s Dichtungen, den Zauber der lebenden
Blumen näher als manche Wunderwerke eines de Heem und
Huysum? Das ist das Geheimniss malerischer Behandlung.
Das Kind steht selbst dem Blumendasein nahe, seine einzige
psychische Thätigkeit ist festzustehn einige Augenblicke, den
Fächer zu fassen, die Hand auf den Tischrand zu legen. Aber
etwas Entschiedenes, Korrektes ist in dieser Pose: die kaiser-
liche Dame als Knöspchen 1).
Nun folgt das Bild im Louvre 2), wahrscheinlich ein Geschenk
für die Königin Anna, LINFANTE MARGVERITE steht oben
in Gold; es war schon in der alten französischen Galerie. Das
Gesichtchen ist zierlicher geworden, aber die Augen mit ihren
grossen blauen Kreisen sind noch starr und ohne Gedanken.
Diess Gebilde wie von anderm als gewöhnlichem, durchsichtigerm
Menschenthon, ist auf die grobe Leinwand gefesselt mit einer
Farbe so dünn und einem Pinsel so leicht und schwebend, dass es
1) In C. v. Lützow’s Belvedere Galerie beschrieben und von W. Unger radirt.
Eine Schulkopie in der Münchener Pinakothek (1311), mit dem falschen Namen
Maria Anna, Tochter Philipp IV. — Eine gute Wiederholung war im Palast Alba,
und wurde aus der Versteigerung in Paris (1877) mit 48000 Francs zurückgezogen.
Die Haare fallen bis über die Schulter, die Finger sind bestimmter, der Blumen-
strauss fehlt. Für den Katalog radirt.
2) Ist keineswegs eine Wiederholung des vorigen, wie der amerikanische
Katalog angiebt, welcher letzteres mit dem gleich zu nennenden, von Palomino
beschriebenen (620) für identisch hält. — Gestochen von Hans Meyer nach Knaus’
Zeichnung, radirt von Wattner.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |