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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Maria Theresia.
vertrat sie Pathenstelle; der modenesische Gesandte sah sie
bei der Taufe, sie war noch sehr klein, aber regelmässig gebaut,
und von den edelsten Lineamenten 1). "Ich glaube nicht, sagt er,
dass die Christenheit heute eine anmuthigere und schönere Prin-
zessin besitzt." Als sie zur Kapelle ging, glitt ihr beim Aus-
ziehen des Handschuhs ein kostbarer Ring vom Finger; einer
armen Frau, die ihn ihr zurückgab, sagte sie: "Behaltet ihn,
Gott hat ihn Euch
geschickt".

Ihre Verbindung
mit dem jungen Lud-
wig XIV war eine
Idee Mazarin's, der
den Bourbonen die
spanische Erbfolge
verschaffen wollte.
Schon im Todesjahre
des Prinzen hatte er
dem Gesandten für
Münster diesen Plan
eröffnet. Aber die
Politiker hielten das
nur für ein Manöver
zur Durchkreuzung
der Wiener Projek-
te. Kein spanischer
Staatsrath könne
diese Heirath ernst-
lich in Erwägung
ziehen, solange der
männliche Erbe fehle.

Aber lange bevor
das Project ins ernst-

[Abbildung]

Maria Theresia.

hafte Stadium getreten war, hatte die Infantin selbst sich ihrem
Vetter in Paris bestimmt. Hier sprach ihr französisches Blut. Lud-
wig war auch in demselben Jahre wie sie geboren, nur fünfzehn
Tage älter. Als im Jahre 1653 der kaiserliche Gesandte für den Kö-
nig der Römer warb, und ihre Bildnisse nach Flandern und Deutsch-
land geschickt wurden, erhielt (im August) der venezianische Ge-

1) E' da tanta grazia, e da proportione di membri, e da lineamenti si nobili
accompagnata, che comparisce a maraviglia bene. Depesche vom 27. Juli 1651.

Maria Theresia.
vertrat sie Pathenstelle; der modenesische Gesandte sah sie
bei der Taufe, sie war noch sehr klein, aber regelmässig gebaut,
und von den edelsten Lineamenten 1). „Ich glaube nicht, sagt er,
dass die Christenheit heute eine anmuthigere und schönere Prin-
zessin besitzt.“ Als sie zur Kapelle ging, glitt ihr beim Aus-
ziehen des Handschuhs ein kostbarer Ring vom Finger; einer
armen Frau, die ihn ihr zurückgab, sagte sie: „Behaltet ihn,
Gott hat ihn Euch
geschickt“.

Ihre Verbindung
mit dem jungen Lud-
wig XIV war eine
Idee Mazarin’s, der
den Bourbonen die
spanische Erbfolge
verschaffen wollte.
Schon im Todesjahre
des Prinzen hatte er
dem Gesandten für
Münster diesen Plan
eröffnet. Aber die
Politiker hielten das
nur für ein Manöver
zur Durchkreuzung
der Wiener Projek-
te. Kein spanischer
Staatsrath könne
diese Heirath ernst-
lich in Erwägung
ziehen, solange der
männliche Erbe fehle.

Aber lange bevor
das Project ins ernst-

[Abbildung]

Maria Theresia.

hafte Stadium getreten war, hatte die Infantin selbst sich ihrem
Vetter in Paris bestimmt. Hier sprach ihr französisches Blut. Lud-
wig war auch in demselben Jahre wie sie geboren, nur fünfzehn
Tage älter. Als im Jahre 1653 der kaiserliche Gesandte für den Kö-
nig der Römer warb, und ihre Bildnisse nach Flandern und Deutsch-
land geschickt wurden, erhielt (im August) der venezianische Ge-

1) E’ da tanta grazia, e da proportione di membri, e da lineamenti si nobili
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[297/0317] Maria Theresia. vertrat sie Pathenstelle; der modenesische Gesandte sah sie bei der Taufe, sie war noch sehr klein, aber regelmässig gebaut, und von den edelsten Lineamenten 1). „Ich glaube nicht, sagt er, dass die Christenheit heute eine anmuthigere und schönere Prin- zessin besitzt.“ Als sie zur Kapelle ging, glitt ihr beim Aus- ziehen des Handschuhs ein kostbarer Ring vom Finger; einer armen Frau, die ihn ihr zurückgab, sagte sie: „Behaltet ihn, Gott hat ihn Euch geschickt“. Ihre Verbindung mit dem jungen Lud- wig XIV war eine Idee Mazarin’s, der den Bourbonen die spanische Erbfolge verschaffen wollte. Schon im Todesjahre des Prinzen hatte er dem Gesandten für Münster diesen Plan eröffnet. Aber die Politiker hielten das nur für ein Manöver zur Durchkreuzung der Wiener Projek- te. Kein spanischer Staatsrath könne diese Heirath ernst- lich in Erwägung ziehen, solange der männliche Erbe fehle. Aber lange bevor das Project ins ernst- [Abbildung Maria Theresia.] hafte Stadium getreten war, hatte die Infantin selbst sich ihrem Vetter in Paris bestimmt. Hier sprach ihr französisches Blut. Lud- wig war auch in demselben Jahre wie sie geboren, nur fünfzehn Tage älter. Als im Jahre 1653 der kaiserliche Gesandte für den Kö- nig der Römer warb, und ihre Bildnisse nach Flandern und Deutsch- land geschickt wurden, erhielt (im August) der venezianische Ge- 1) E’ da tanta grazia, e da proportione di membri, e da lineamenti si nobili accompagnata, che comparisce a maraviglia bene. Depesche vom 27. Juli 1651.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/317>, abgerufen am 25.04.2024.